Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 181
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#559* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 47 | |
Dossier title | Nr. 479. Berichte der schweizerischen Delegation (1907–1907) | |
File reference archive | B.231-2 |
dodis.ch/43036
In der heutigen Sitzung obbezeichneter Kommission wurden die in dem Ihnen mitgeteilten Frageschema gestellten Fragen weiter erörtert, insbesondere die Punkte V bis VIII2. Die Diskussion wurde namentlich von der britischen und deutschen Delegation benutzt, um die beidseitigen Standpunkte zu begründen. Grossbritannien scheint bis jetzt zu keinen sehr weitgehenden Konzessionen bereit zu sein, ebensowenig würde Deutschland, wie wir aus direkter Quelle wissen, den britischen Vorschlag in seiner jetzigen Form annehmen. Wie schon in der letzten Sitzung, so ist auch dieses Mal von Seiten Dritter Staaten namentlich Sympathie für den deutschen Vorschlag geäussert worden. Der erste österreichische Delegierte erklärte, principiell ganz auf dem Boden des deutschen Projektes zu stehen. Von Brasilien wurde hervorgehoben, dass der durch das britische Projekt bedingte Ausschluss aller kleineren und mittleren Seestaaten doch kaum annehmbar sei, was auch der deutsche Delegierte zugab. Es handelt sich aber bei der Prisengerichtsbarkeit keineswegs nur um die Schiffahrt, d.h. um das Schicksal der Handelsschiffe, sondern ebensowohl auch um die Waren, die keineswegs aus dem Staat, zu welchem das Schiff gehört, stammen müssen, sondern deren Eigentümer vielleicht einem Lande angehört, das gar keine Marine hat. Die Grösse einer Marine ist keineswegs immer der richtige Masstab für den Umfang der Handelsinteressen eines Landes, wie Belgien und ganz besonders die Schweiz beweisen. Mit Rücksicht hierauf glaubte unsere Delegation den schweizerischen Standpunkt durch folgende, vom dritten Delegierten abgegebene Erklärung wahren zu sollen:
«Permettez-moi de faire observer à la Commission que dans la question en discussion ce ne sont pas seulement les intérêts de la navigation, mais bien ceux du commerce neutre en général qui sont à protéger. Sans posséder de marine, la Suisse n’en a pas moins un commerce d’outre-mer très important et il ne serait pas équitable, semble-t-il, de l’exclure absolument de toute participation à la constitution de la Cour internationale que l’on se propose de créer.»
Das Hauptgewicht der heutigen Diskussion lag darin, dass der erste amerikanische Delegierte erklärte, dass seine Regierung einen ausserordentlich hohen Wert darauf lege, dass ein solches Prisengericht, welches eine der bedeutendsten Errungenschaften der Konferenz sein würde, in dieser oder jener Form zu Stande komme und dass Amerika bereit sei, sogar auf gewisse Lieblingsideen über Gerichtsorganisation zu verzichten im Interesse der Erzielung eines positiven Resultats. Er deutete sodann einige, allerdings mehr nach der britischen Seite gehende Vermittlungen an und beantragte die sofortige Einsetzung einer Redaktionskommission. Diese wurde bestellt wie folgt: 1. Das Bureau der Subkommission. 2. Die Verfasser des Frageschemas: Renault, Kriege, Fry. 3. Je 1 Delegierter von je 3 durch Deutschland, bezw. Grossbritannien bezeichneten Staaten. Deutschland wählte Österreich, Schweden und Norwegen; Grossbritannien dagegen Vereinigte Staaten, Italien und Portugal.
Der britische und der deutsche Delegierte konstatierten beide mit Genugtuung, dass die beiden Staaten mit Bezug auf die überaus heikle Frage des von dem Prisengericht anzuwendenden materiellen Rechts die gleiche Stellung einnähmen. Russland machte dagegen in diesem Punkte Vorbehalte und erklärte der ursprünglich auf Russland statt auf Schweden gefallenen Wahl Deutschlands zur Teilnahme an der Redaktionskommission nicht Folge geben zu können, solange nicht die Frage des materiellen Rechts in befriedigender Weise gelöst sei. Es wurde nämlich von Russland (Nelidow) geltend gemacht, dass die Offiziere, welche eine Prise machen, hiebei unbedingt nach dem Recht und den Instruktionen ihres Landes handeln müssten und dass dadurch eine eigentümliche Rechtslage geschaffen werde, wenn ein Akt der Prisennahme, der in völliger Übereinstimmung mit dem für die handelnden Offiziere massgebenden Recht erfolgt ist, nachträglich als völkerrechtswidrig erklärt wird. Es ist dabei auf einen, auch in unserem heutigen, die obligatorischen Schiedsgerichte betreffenden Bericht No. 2983 hervorgehobenen Umstand hingewiesen worden, darin bestehend, dass die internationale Gerichtsbarkeit in Fragen, die zunächst nach Landesrecht beurteilt worden sind, notwendigerweise zu einer Überprüfung des Landesrecht auf seine Völkerrechtsmässigkeit führt.
- 1
- Schreiben: E 2001 (A), Archiv-Nr. 479. Nr. 299 1. Kommission 2. Subkommission Oberprisengericht.↩
- 2
- Die Fragen V bis VIII lauten: V. La juridiction internationale aura-t-elle un caractère permanent ou ne sera-t-elle constituée qu’à l’occasion de chaque guerre? VI. Que la juridiction soit permanente ou temporaire, quels éléments entreront dans sa composition? Seulement des jurisconsultes désignés par les peuples ayant une marine d’une importance à déterminer, ou des amiraux et des jurisconsultes membres de la Cour permanente d’arbitrage, désignés par les belligérants et des Etats neutres? Y aura-t-il lieu, dans un litige donné, d’exclure les juges de la nationalité des intéressés? VII. Quels principes de droit devra appliquer la Haute Cour Internationale? VIII. Y a-t-il lieu de régler l’ordre et le mode d’administration de la preuve devant la Haute Cour?↩
- 3
- Nr. 180.↩
Tags
Hague Peace Conferences (1899 and 1907)