dodis.ch/42793 Le Ministre de Suisse à
Paris, Ch.
Lardy, au Président de la Confédération et Chef du Département politique,
J. Zemp1
Seit circa 14 Tagen hatte man das Gefühl, dass Unterhandlungen zwischen Paris und Petersburg zum Zwecke einer Beantwortung der englisch-japanischen Allianz in der Schwebe seien. Graf Lamsdorf hatte allerdings dem englischen Botschafter Scott erklärt, der Vertrag könne von ihm selbst unterzeichnet werden, indem Russland ebenfalls der Integrität und der offenen Thür Chinas huldige; Lamsdorf fügte jedoch bei, dass der Vertrag wohl gegen jemand gemacht sei und dieser Jemand sei wahrscheinlich Russland. Die Grossmächte und insbesondere England waren somit nicht sehr überrascht mit der gestern Abend Ihnen amtlich mitgeteilten russisch-französischen Erklärung.
Vorläufig wird dieselbe als ziemlich platonisch angesehen, immerhin bedeutet dieselbe nach meinem Darfürhalten einen neuen Strick, mit welchem Russland Frankreich einwickelt. Es galt ziemlich allgemein, dass die russisch-französischen Verabredungen nur auf gewisse europäische Eventualitäten Bezug hatten, die gestrige Declaration zieht Frankreich in die asiatisch-russischen Gewässer und kann unter gewissen Umständen Frankreich viel weiter in den russischen Dienst in Asien bringen als es wahrscheinlich im gegebenen Momente als wünschbar hier erscheinen wird. Die Gegenleistung Russlands ist aus der Declaration nicht zu ersehen und ebensowenig aus dem gestern von Herrn Delcassé im Senat gegebenen Commentar. Hätte Herr Delcassé russische Versprechungen punkto Afrika melden können, so hätte man diese Gegenleistung erraten können.
Man ist übrigens überall geneigt, diese Manifestation bis auf weiteres nicht tragisch aufzufassen wie man übrigens den englisch-japanischen Vertrag ebenfalls nicht tragisch aufnahm, weil bei solchen Anlässen es immer auf den casus foederis, ankommt, d.h. auf die allgemeinen politischen Constellationen im Momente, wo diese vagen Vereinbarungen eine praktische Bedeutung erhalten sollen.