Classement thématique série 1848–1945:
X. QUESTIONS FINANCIÈRES ET COMMERCIALES
1. Monnaie
1.2. Union monétaire latine
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 373
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E12#1000/36#254* | |
Old classification | CH-BAR E 12(-)1000/36 38 | |
Dossier title | Zusatzvertrag vom 4. November 1902 zur lateinischen Münzunion: Ermächtigung der Schweiz zur Prägung eines ausserordentlichen Kontingents von Silberscheidemünzen (1901–1903) |
dodis.ch/42783
Das Schreiben, mit welchem Sie mich unter dem 6. Januar2 beehrten, ist mir durch Vermittlung des Politischen Departements mit etwelcher Verspätung zugekommen. Dasselbe habe ich einige Tage lang in meiner Schublade liegen lassen, um darüber nachzudenken wie diese Angelegenheit der Nationalisierung der Silberscheidemünzen anzupacken sei; darauf wurde ich von einem Rheumatismus befallen und bin noch gezwungen das Zimmer zu hüten.
Diese Einsperrung benutze ich, um einige Punkte in vorläufiger Weise mit Ihnen zu besprechen.
1) Meine Absicht wäre, zuerst mit Frankreich zu einer Einigung zu gelangen und wenn dies möglich ist, dann mit einem s. z. s. fertigen Entwurf uns an die anderen Staaten zu wenden. Vielleicht sollte es sogar möglich sein, eine Conferenz zu vermeiden. Sicher ist von vorneherein, dass Italien so wenig an der Sache beteiligt ist, dass dasselbe keine ernsten Schwierigkeiten in den Weg legen wird, wenn wir mit Frankreich zu einer festen Abmachung gekommen sind; es wäre jedoch nicht ausgeschlossen, und da liegt gerade die Gefahr einer Conferenz, dass Italien versuchen würde, sich irgend ein Trinkgeld geben zu lassen, z.B. freie Prägung einiger Millionen Fünffrankenthaler mit dem Bildnisse des neuen Königs.
2) Für diese Unterhandlungen mit Frankreich wäre vorläufig meine Absicht, zuerst mündlich vorzugehen; das Terrain muss zuerst sondiert werden; seit den letzten Münzverhandlungen3 (wo wir die Conferenz vermeiden konnten) sind alle beteiligten hiesigen Persönlichkeiten, Minister des Auswärtigen, Finanzminister, Münzdirektor, Directeur du mouvement des fonds auf dem Finanzministerium ein oder zwei mal durch andre ersetzt worden. Mit einer schriftlichen Note, deren Entwurf ich Ihnen selbstverständlich vorlegen würde, würde ich erst nach dieser mündlichen Sondierung ausrücken.
3) Als Hauptschwierigkeiten kann man zuerst die Frage der griechischen Scheidemünzen voraussehen. Bei der vollständigen Nationalisierung der Scheidemünzen wäre Griechenland verpflichtet, seine Scheidemünzen im Betrage von ca. 11 Millionen zurückzunehmen und zu bezahlen. Das kann Griechenland einfach nicht. Würden Sie zugeben, dass man in irgend einer Form Griechenland provisorisch beiseite lasse? Würden Sie mit ändern Worten zugeben, dass die griechischen Scheidemünzen in der Schweiz weiter cirkulieren dürfen? Ich glaube, dass eine negative Antwort unmöglich ist; diese unglückliche Heirat mit Griechenland haben wir einmal eingegangen und die Folgen müssen wir wie die ändern Unionsstaaten weiter tragen.
4) Eine andere Hauptschwierigkeit bildet der Grenzverkehr zwischen Frankreich und Belgien. In den Protokollen der Münzconferenz vom Oktober 1893 (v. insbesondere pag. 5 und 6)4 haben die belgischen Delegierten gegen die allgemeine Nationalisierung der Scheidemünzen sich lebhaft erhoben. Es ist eine bekannte Tatsache, dass cirka 300 000 Belgier in den französischen Norddepartementen niedergelassen sind und dass eine grosse Anzahl belgischer Arbeiter, welche des billigeren Lebens wegen auf belgischem Gebiet wohnen, jeden Tag die Grenze überschreiten, um in französischen Fabriken an der Grenze zu arbei
Man spricht von 50000 per Tag. Es ist auch bekannt, dass jeden Sommer bei Anlass der Heu-, Korn- und Zuckerernte, sowie auch während der Weinernte in der Champagne wenigstens 100 000 belgische Landarbeiter und Arbeiterinnen in Frankreich ihr Brod suchen, um im Herbst nach Belgien zurückzukehren. Diese Verhältnisse, welche allerdings von den hiesigen Hochschutzzöllnern nicht sehr gerne gesehen werden, welche aber von den Fabrikanten und Grossgrundbesitzern begünstigt sind, lassen einen hartnäckigen Widerstand voraussehen.
Leider ist mein Freund, M. de Foville, welcher im Jahre 1893 im Namen Frankreichs die Nationalisierung der Silberscheidemünzen beantragt hat, nicht mehr Münzdirektor; er ist Mitglied des Instituts geworden und sitzt in irgend einer Eigenschaft im Oberrechnungshof; ich werde versuchen, von ihm einige Anhaltspunkte über seine damaligen Gründe herauszubekommen. Würden wir wie Italien um die Heimschaffung der schweizerischen Münzen verlangen, verbunden mit der Prägungsfreiheit für uns allein, so würde die Unterhandlung eine viel leichtere sein; ich gehe aber mit Ihnen vollkommen überein, dass wir es nicht tun sollen, weil wir uns damit den Anschein geben würden, zu den Staaten mit beschädigten Finanzen zu gehören.
5) Unter allen Umständen könnte man beantragen, dass ein jeder der Vertragsstaaten nach jeder officiellen periodischen Volkszählung ohne weiteres berechtigt sei, 7 Franken per Kopf des Bevölkerungszuwachses zu prägen, und zwar in Barren und nicht aus alten Fünffrankenthalern. Man könnte auch Vorschlägen, dass für den Zwischenraum zwischen den Volkszählungen man einen vermutlichen jährlichen Bevölkerungszuwachs feststelle, und dass jeder Staat auf Grundlage des Kontingents von 7 Franken per Kopf durch Neuprägung den Bedürfnissen seiner neuen Bürger entsprechen könne. Für die Schweiz würde es einen Bevölkerungszuwachs von 30000 Köpfen per Jahr und eine Neuprägung von 200000 Franken geben.
6) Ich nehme als selbstverständlich an, dass trotz der Nationalisierung die Grundlagen des Münzvertrags punkto Gewicht, Durchmesser und Feingehalt der Scheidemünzen erhalten bleiben.
7) Das gleiche gilt von der Verpflichtung für Frankreich, Belgien und Italien nur alte Fünffrankenthaler zu verwenden für die Prägung von Scheidemünzen, welche diesen Staaten durch das letzte Münzübereinkommen zugeteilt worden sind.
8) Ich glaube schwerlich, dass die freie Prägung trotz Nationalisierung gegeben wird. Den Griechen wird man es natürlich niemals geben und die ändern werden sich selbst eine Grenze vorschreiben wollen. Ich stelle mir die Sache so vor, dass wir unter Androhung unseres Austrittes aus der Union uns ein Kontingent von 15 Franken pro Kopf der Bevölkerung nebst Nationalisierung zu erkämpfen haben werden.
9) Endlich möchte ich Sie ersuchen, mir genau die Grösse unserer Prägungen an Nickelmünzen angeben zu wollen. Nach dem letzten Bericht der Pariser Münzstätte gibt es deren für 7100000 Franken, wovon 3 300000 Franken in Zwanzigrappenstücken. Die Zwanzigrappenstücke, welche in Frankreich nicht mehr existieren, machen bei uns 1 Franken per Kopf der Bevölkerung. Auf der ändern Seite hat Frankreich für 70000000 Broncenmünzen (2 Franken per Kopf), Italien besitzt deren für 104000000 wovon 20 in Nickelmünzen (3 Franken per Kopf).
- 1
- Lettre: E 13/36.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Il s’agit certainement des négociations aboutissant à l’Arrangement du 29 octobre 1897 concernant l’augmentation des contingents de monnaies divisionnaires d’argent, cf. RO 1899, vol. 16, p. 451; Message du Conseil fédéral du 12 novembre 1897 (FF 1897, IV, pp. 1011–1021 ); voir aussi E 12/30.↩
- 4
- Cf. E 12/33.↩
Tags
Monetary issues / National Bank
Multilateral relations Latin Monetary Union (1880–1905)