Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. WIRTSCHAFTS-, HANDELS- UND WÄHRUNGSPOLITIK
1. Bilaterale Verhandlungen
1.1. Der Handelsvertrag mit Frankreich
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 99
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#814* |
Old classification | CH-BAR E 2200.41-02(-)1000/1671 338 |
Dossier title | Handel, Teil 1 (01.01.1875– 01.01.1876) |
File reference archive | 2/76 |
dodis.ch/42078
Der Vorsteher des Eisenbahn- und Handelsdepartements, K. Schenk, an den schweizerischen Gesandten in Paris, J. K. Kern1
In Ihrem Berichte vom 2. diess2, den wir Ihnen bestens verdanken, machen Sie uns die Mittheilung, dass bis zum Ablauf des bestehenden französisch-schweizerischen Handelsvertrages ein neuer unmöglich zu Stande kommen könne, indem in Frankreich vor der Berathung des Projektes zu einem Generaltarif durch die Nationalversammlung, welcher nach der Feststellung den Vertragsunterhandlungen zur Grundlage dienen sollte, eine parlamentarische Enquête stattfinden werde. Sie verbinden damit das Gesuch um Mittheilung unserer Ansichten über das Verfahren beim gegenseitigen Handelsverkehr vom Ablauf des bestehenden, (24. Nov. 1876), bis zur Inkrafttretung des neuen Vertrages, damit sie sodann die Frage mit dem Minister des Äussern und mit Herrn Ozenne besprechen können, worauf Ihnen erst vom Bundesrathe bestimmte Instruktionen betreffend jenes provisorische Verfahren zu ertheilen wären. Sie bemerken dabei, dass laut den Ihnen gemachten Mittheilungen die französische Regierung mit einer provisorischen Verlängerung des bestehenden Vertrages einverstanden sein werde.
Wir beeilen uns, Ihnen Nachstehendes zu erwiedern. Wie Ihnen der Bundesrath mit Schreiben vom 29. November. v.J.3 mitgetheilt, hat der Botschafter der französischen Republik in Bern, im Aufträge seiner Regierung mit der Kündung des Handelsvertrages vom 30. Juni 18644 den Vorschlag gemacht, die Stipulationen des gegenwärtigen Vertrages einstweilen fortbestehen zu lassen, wenn bis zum 24. November 1876 der neue Vertrag noch nicht zu Stande gekommen sein sollte. Auf diesen Vorschlag wurde geantwortet, dass der Bundesrath diese Frage prüfen & sodann seine Ansichten dem französischen Botschafter mittheilen werde.
Der Grund, warum wir diese Frage von der erstem trennten, lag nicht in der Ungewissheit, wie dieselbe zu beantworten sei, denn, wenn auch der Vertrag von 1864 günstigere Erfolge für Frankreich als für die Schweiz gehabt hat, so lag es doch andererseits auf der Hand, dass wir mit einer Ablehnung der anerbotenen provisorischen Fortdauer des Vertrags uns selbst nur schädigen würden. Wir hielten jene Frage noch offen, weil damals die Vertragsunterhandlungen mit Italien im Gange waren und wir möglicherweise je nach dem Gang oder Resultat derselben ein Interesse haben konnten, bei Frankreich auf möglichst rasches Anschliessen des neuen Vertrags an den auslaufenden alten zu dringen, resp. eine Erklärung in diesem Sinne zu geben. Dazu kam wohl auch noch die Rücksicht auf die alte Regel in Staatssachen, sich erst dann zu binden, wenn diess geschehen muss und mit aller Kenntniss der Sachlage geschehen kann.
Dieser Zeitpunkt scheint jetzt gekommen zu sein. Man kann die Handelswelt nicht länger im Unklaren und Unsichern darüber lassen, auf welchem Boden sie nach dem 24. November 1876 stehen werde.
Nach Ihren Mittheilungen ist nicht daran zu denken, dass vor Ablauf des alten ein neuer Vertrag zum Abschlüsse gebracht werden könne; es ist unter diesen Umständen vernünftigerweise nichts anderes möglich, als provisorische Verlängerung des jetzigen Vertrags.
Hiefür haben wir ein förmliches Anerbieten der französischen Regierung, wie Sie sich aus der beigelegten Copie der Kündigungsnote überzeugen werden.5 Wir brauchen also unsererseits nicht die Initiative zu nehmen, sondern nur zu acceptiren, was von Frankreich uns anerboten worden ist.
In welcher Form hat die Vereinbarung zu geschehen? Genügt es, dass wir einfach in Beantwortung des zweiten Theils der Note unsere Erklärung abgeben, wir seien einverstanden, dass «les dispositions de l’acte qui régit actuellement les relations commerciales entre les deux pays continueront à être appliquées de part et d’autre – jusqu’à ce qu’un nouveau traité les aura remplacées?» oder bedarf es einer besonders zu verhandelnden, zu unterzeichnenden und zu ratificirenden Konvention? Es scheint uns, dass die Form von Notenaustausch vollkommen genügen sollte.
Sobald der modus vivendi auf diesem Wege sicher gestellt wäre, würden wir unter Veröffentlichung der bezüglichen Noten unsere Geschäftswelt avertiren, dass das régime actuel fortdauere und unsere Zolladministration würde das Nöthige bezüglich unserer Zolleinhebung anordnen.
Wenn die französische Regierung mit dieser Form einverstanden wäre, so wären wir denn umsomehr der Ansicht, dass wir die Bundesversammlung jetzt mit der Frage nicht behelligen sollten. Es scheint uns, dass auch das französische Ministerium es nicht für nothwendig erachtet, für einfache Prolongation des betreffenden Vertrags einen Beschluss der Kammern hervorzurufen.
Diess ist indessen eine offene Frage, deren Entscheid wir dem Bundesrathe anheim stellen werden.
Für jetzt geht, unter bester Verdankung Ihrer Schreiben vom 2. & 3. Juni5, unsere Bitte an Sie dahin, Sie möchten sich geeigneten Orts erkundigen:
1. Ob die französische Regierung für die Prolongation des schweizerisch-französischen Vertrags die Vollmachtsertheilung oder Ratifikation ihrer Kammern nöthig erachtet;
2. Ob sie eine Vereinbarung auf dem Wege des Notenaustauschs für geeignet, und bejahendenfalls eine Antwort in obenangegebener Fassung für ausreichend hielte. Sobald wir im Besitz Ihrer Antwort sein werden, werden wir die Angelegenheit sofort dem Bundesrathe vorlegen.6
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