dodis.ch/42005
Antrag des Vorstehers des Finanz- und Zolldepartements,
W. M. Naeff, an den Bundesrat
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In einer vom 18. d. Monats datirten Eingabe2 wendet sich der Vorstand des Schweiz. Handels- und Industrievereins in Zürich wiederholt mit dem Gesuche an den Bundesrath, es möchte diese Behörde bei den Staaten der internationalen Münzconvention die Einberufung einer Conferenz veranstalten, um die Frage zu prüfen, ob die Doppelwährung, auf welcher unsere dermalige Münzgesezgebung beruht, noch der gegenwärtigen Sachlage entspreche, oder ob der Übergang zur reinen Goldwährung anzustreben sei, und falls diese Frage bejaht würde, auf welche Weise und mit welchen Mitteln diess am besten zu bewerkstelligen wäre.
Bekanntlich hat der Bundesrath bereits im verflossenen Sommer infolge eines gleichen Gesuches des obgenannten Vereins die belgische Regierung zu veranlassen gesucht, in Gemeinschaft mit der Schweiz in dem angedeuteten Sinne vorzugehen3, von Hrn. Konsul Borei in Brüssel unter’m 20. Juni jedoch die Antwort4 erhalten, dass die Regierung Seiner Majestät des Königs unter den gegenwärtigen Umständen einen derartigen Schritt als inopportun betrachten müsse.
Bereits vor dem Einlangen des ersten Gesuches des Schweiz. Handels- und Industrievereins hatte das Finanzdepartement durch den Schweiz. Gesandten in Paris Erkundigungen darüber einziehen lassen, ob Frankreich als bisheriger Vorort allenfalls geneigt wäre, die Vertragsstaaten zu einer Münzconferenz einzuladen. Es war indessen, wie es scheint, keine Geneigtheit dazu vorhanden, Herr Kern erwiderte, dass ein derartiges Vorgehen keineswegs in der Absicht der franz. Regierung liege, und der Gouverneur der Banque de France, mit welchem unser Minister über diese Frage ebenfalls Rüksprache genommen, äusserte sich dahin, dass die Inconvenienzen, welche die Doppelwährung mit sich bringe, übertrieben werden. Wenn die den Goldfuss einführenden Staaten das Silber entwerthen und mit demselben als dann Frankreich überschwemmen würden, so würde dieses nicht ruhiger Zuschauer bleiben, sondern seine Interessen zu wahren wissen. Das war damals die Anschauungsweise in den massgebenden Kreisen Frankreichs.5
Durch die fortschreitende Ausmünzung von Gold in Deutschland haben sich indessen die Verhältnisse wesentlich geändert. Das Gold, welches in Deutschland höher gewerthet ist, als in den Vertragsstaaten, wird durch das zurükströmende, demonetisirte Silber je länger je mehr von unserem Markte verdrängt, und es steht allerdings zu befürchten, dass schliesslich dieses leztere Metall in den betreffenden Ländern als einziges gesezliches Zahlungsmittel übrig bleiben wird. In Belgien, welches sonst unentwegt am Silbermünzfuss festgehalten, regen sich einzelne Handelskammern ebenfalls zu Gunsten der alleinigen Goldwährung und das franz. Ministerium soll dem Vernehmen nach in neuster Zeit ebenfalls Neigung zum Fallenlassen des Silberfusses beurkundet haben.
Unter den obwaltenden Umständen scheint dem Finanzdepartement der Zeitpunkt gekommen zu sein, die Münzfrage unter den Conventionsstaaten einer ernstlichen Prüfung zu unterwerfen; da jedoch die Schweiz nicht in der Stellung ist, in der Sache vorzugehen, sondern die Initiative dazu von Frankreich, als Münzvorort, ausgehen muss, so wird beantragt:
es sei der Schweiz. Minister in Paris unter Zusendung einer Abschrift der Eingabe des Schweiz. Handels- und Industrievereins einzuladen, bei der franz. Regierung auf die Einberufung einer Conferenz der Münzconventionsstaaten hinzuwirken und zwar möchte diese Conferenz mit Rüksicht auf die Dringlichkeit der Sache in möglichst kurzer Frist abgehalten werden.6