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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 2, doc. 323
volume linkBern 1985
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2#1000/44#475* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2(-)1000/44 88 | |
Titolo dossier | Frage betr. Grenzkorrekturen gegen Frankreich beim Übergang des Elsasses an Deutschland, v.a. Abtretung des südlichen Elsasses und Hochsavoyens an die Schweiz (1870–1871) | |
Riferimento archivio | B.266 |
dodis.ch/41856
Das politische Departement hat bereits in einem frühem Stadium des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich die Rükwirkungen zur Sprache gebracht2, welche ein Friedenschluss mit Abtretung von Lothringen u. Eisass an Deutschland auf die Schweiz haben werde und die Berathung der Frage veranlasst, ob nicht Schritte gethan werden sollten, um bei Zeiten gewissen Nachtheilen zu begegnen, welche eine solche Territorialveränderung für unser Land mit sich bringen würde.
Nach einlässlicher Erwägung der Verhältnisse kam der Bundesrath damals zum Schlüsse, vor der Hand von den beantragten Vorkehren Umgang zu nehmen.
Der in den lezten Tagen erfolgte Fall von Paris, die Proclamirung eines dreiwöchentlichen Waffenstillstandes, die Einberufung einer Constituante, welche über Krieg oder Frieden entscheiden soll, verbunden mit der allgemeinen Lage des Landes, lassen es höchst wahrscheinlich erscheinen, dass ein baldiger Friedensschluss bevorsteht und dass über die wesentlichen Bedingungen desselben bereits Verhandlungen gepflogen worden sind, wobei jezt wohl als sicher angenommen werden muss, dass deutscherseits auf Abtretung von Eisass und Lothringen wirklich bestanden werden wird.
Es ist damit für uns der Moment gekommen, wo ein definitiver Entschluss darüber gefasst werden muss, ob ein ernstlicher Versuch gemacht werden soll, auf den im Werden begriffenen Friedensschluss zu Gunsten der Schweiz einzuwirken, oder ob jeder solche Schritt unterbleiben solle.
Es handelt sich, um Bekanntes zu resümiren, dabei wesentlich um zweierlei:
1. Betreffend unsere südwestliche Gränze: Aufhebung unseres Verhältnisses zu den neutralisirten savoyischen Provinzen und Ersezung desselben durch vollständige Einverleibung eines zu bestimmenden Rayons savoyischen Landes mit der Schweiz behufs Herstellung einer bessern strategischen Grenze.
2. Betreffend unsere nördliche Grenze: Abtretung einer bestimmten Gebietsstreke des Oberelsasses an die Schweiz behufs grösserer Sicherung unserer nördlichen Grenze, namentlich der Stadt Basel.
Wenn wir uns fragen, wie bei einem Friedensschlüsse zwischen Deutschland und Frankreich das erste Postulat zur Geltung gebracht werden sollte, so ist zuvörderst klar, dass zu einer Gebietsveränderung der Schweiz durch zwei dritte Staten hierseits nicht nur nicht Hand geboten werden könnte, sondern gegen eine solche, und wäre sie noch so vortheilhaft, in entschiedenster Weise protestirt werden müsste. Eine Veränderung des Gebiets der Schweiz kann nur durch einen Vertrag geschehen, bei welchem die Schweiz selbst direkt mitwirkt. Da nun keine Rede davon sein kann, dass die Schweiz bei dem Friedensvertrag zwischen Frankreich u. Deutschland als mitpactirender Stat eintreten könnte oder wollte, so ist schon damit jede Möglichkeit ausgeschlossen, dass die fragliche wünschbare Gebietsveränderung in dem Friedensvertrage zwischen Frankreich und Deutschland ihre definitive Erledigung finden könnte.
Was als Maximum uns möglich erscheint, ist das, dass Frankreich in dem Friedensvertrage mit Deutschland sich verpflichtete, zu einer Aufhebung des bisherigen Neutralitätsverhältnisses von Savoyen und Ersezung desselben durch Überlassung eines bestimmten Rayons von savoyischem Gebiet an die Schweiz auf dem Wege eines Vertrages mit diesem State und den Garantiemächten mitzuwirken.
Gegen den Gedanken, diess anzustreben, sprechen aber eine Reihe von Beden
Zunächst könnte der Schweiz nichts, diese Angelegenheit Compromittirenderes begegnen, als dass deutscherseits in den Friedensverhandlungen diese Forderung gestellt und bei Widerstreben Frankreichs fallen gelassen würde. Denn alsdann wäre jede spätere direkte Aufnahme der Angelegenheit durch die Schweiz selbst unmöglich gemacht.
Es müsste somit an den deutschen Friedensunterhändler nicht nur die Zumuthung gemacht werden, die Frage zur Sprache zu bringen und wo möglichzm entsprechenden Erledigung zu bringen, sondern, diess in dem Sinne zu thun, dass auf der Forderung unabänderlich beharrt und dieselbe unter allen Bedingungen durchgesezt würde.
Ob man aber deutscher Seits sich je herbeilassen würde, die Forderung in diesem Sinne aufzunehmen und zu einer conditio sine qua non zu machen, das ist im höchsten Grade zu bezweifeln; hat doch der deutsche Unterhändler für Deutschland selbst der härtesten Ansprüche so viele durchzusezen, dass er kaum geneigt sein dürfte, diese Schwierigkeiten noch zu vermehren durch Geltendmachung von Forderungen, an denen Deutschland selbst ein unmittelbares Interesse nicht hat und für Dritte, von denen er irgend ein Aequivalent nicht erwarten kann.
Aber gesezt auch, dass man deutscherseits in dem genannten Sinne die schweizerische Forderung aufnähme und wirklich durchsezte, so wären wir an einen Vertrag gewiesen, den Frankreich später mit uns abzuschliessen haben würde. Guten Willen zur Erfüllung eines aufgenöthigten Artikels, der einen schwächern Stat angeht, welcher diesen Weg der Benuzung des Feindes eingeschlagen hat, von Frankreich hoffen zu wollen, wäre mehr als naiv.
Bösen Willen und endlose Schwierigkeiten zu erwarten, wäre erfahrungsgemäss richtiger gerechnet.
Das Ende also wäre das, dass das Ziel nicht erreicht würde, dass eine kleine Wunde sich in eine Eiterbeule verwandelte, dass wir gegenüber Frankreich in eine sehr schiefe Lage versezt wären, gegenüber Deutschland Verbindlichkeiten auf uns genommen und wenigstens einen grossen Theil unseres eigenen Volkes, welches in einem solchen Verfahren eine wenig aufrichtige und edle Handlungsweise erbliken würde, empfindlich verlezt hätten.
Darüber machen wir uns keinen Hehl, dass auch von einer neuen späteren direkten Verhandlung mit Frankreich zum Zwek entsprechender Lösung des Savoyerverhältnisses nicht viel zu erwarten ist; allein soviel ist sicher, dass auf diesem Wege für die Schweiz nie so viel zu verlieren ist, als auf dem oben besprochenen Wege.
Wir stehen demgemäss nicht an, unsere bestimmte Ansicht dahin auszusprechen, dass in der Savoyerfrage jeder weitere Schritt bei Deutschland u. bei Frankreich dermalen zu unterlassen ist.
Von dem Friedensschluss direkt berührt wird unsere nördliche Grenze, insofern durch die Annexion des ganzen Elsasses an Deutschland der Anfang der schweizerisch-französischen Grenze von Basel etwa 45 Kilometer weiter westlich geschoben und das deutsche Reich auf dieser Streke unser unmittelbarer Grenznachbar wird.
Die Veränderungen, welche dieser Territorial Wechsel für uns in militärischer u. wirtschaftlicher Beziehung mit sich bringt, sind in dem oben angerufenen frühem Rapport1 des politischen Departements näher dargelegt worden.
Zwei Möglichkeiten schienen sich darzubieten, um den Nachtheilen zu begegnen, welche mit jener Territorialveränderung für das schweizerische Gebiet verbunden wären.
Die erste würde darin bestehen, dass von einer Abtrennung des obern Elsasses, wenigstens des südlichsten Theiles desselben von Frankreich abstrahirt würde.
Die zweite bestände darin, dass dieser Theil des Elsasses zum schweizerischen Gebiet geschlagen würde.
Die erste der beiden Alternativen ist nach unserer Ansicht unmöglich. So viel auch vom commerciellen Gesichtspunkt aus dafür spräche, Basel die unmittelbare Verbindung mit Frankreich zu erhalten, so würden diese Vortheile weit aufgewogen durch die offenbaren militärischen Nachtheile, die wir uns durch dieses Projekt selbst bereiten würden. Ebensowenig als wir könnte auch Deutschland dazu Hand bieten, aus Gründen die keiner nähern Erörterung bedürfen.
Es kann sich also, wenn etwas geschehen soll, nur um die Bestrebungen im Sinne der zweiten Alternative handeln.
Hierauf bezüglich wiederholen wir vorerst, was wir schon bei der Besprechung der südwestlichen Grenzfrage betont haben, dass selbstverständlich eine Veränderung der Grenze unseres Landes nur unter direkter Mitwirkung desselben denkbar ist, in was auch immer die beiden kontrahirenden fremden Staten betreffend die Zuscheidung des oberen Elsasses oder eines Theiles desselben an die Schweiz conveniren wollten, nur ein zwischen der Schweiz und den sämmtlichen Garantiemächten der Schweiz. Neutralität abzuschliessender Vertrag diese Angelegenheit definitiv regliren könnte.
Unser vorläufiges Ziel könnte also nur das sein, dass in dem Friedensvertrag zwischen Deutschland u. Frankreich eine solche Zuscheidung u. ein darüber mit der Schweiz abzuschliessender Vertrag Vorbehalten würde.
Von Frankreich wird gegen die Aufnahme einer solchen Bestimmung, wenn es anders nicht darin eine neue Demütigung erbliken würde, dass ein Theil seines Gebietes selbst an einen kleinen Stat übergehen solle, der gegen ihn nicht im Kampfe gestanden, nicht grosser Widerspruch, aber ebensowenig das zu erwarten, dass es eine solche Bestimmung von sich aus fordern würde. Alles hienge somit, da unzweifelhaft keine ändern Mächte zur Mitverhandlung des Friedensschlusses zugelassen werden, lediglich davon ab, ob deutscherseits das fragliche Postulat acceptirt u. demselben durch Aufnahme einer bezüglichen Bestimmung Rechnung getragen werden wollte.
Es ist sehr wol möglich, dass von dieser Seite ein solches Ansinnen der Schweiz einiges Entgegenkommen finden würde, ein Entgegenkommen indessen, das keineswegs Sorge für die schweizerischen Interessen zum Hintergrund haben dürfte. Es lässt sich vielmehr mit Rüksicht auf die mancherlei Kundgebungen während des Krieges fast mit Sicherheit annehmen, dass jenes Begehren der Schweiz dazu gebraucht würde, um uns in Verhandlungen über die rechtsrheinischen schweizerischen Gebiete zu bringen u. Kompensationen zu verlangen. Diese Befürchtung namentlich ist es, welche das bei der bevorstehenden Territorialveränderung so eminent betheiligte Basel bis jezt abgehalten hat, einen Schritt zur Wahrung seiner bedrohten Interessen zu thun, und wir glauben auch mit Sicherheit annehmen zu dürfen, dass weder die Bundesversammlung, noch das schweizerische Volk es dem Bundesrathe danken würde, wenn er [in dem gegenwärtigen Moment zu irgend einer offiziellen Verhandlung über jene Frage Anlass geben würde. Selbst dadurch dürfte man sich nicht täuschen lassen, dass vielleicht jezt von jenen Kompensationen deutscherseits nicht gesprochen würde, indem dann immer noch die Absicht walten könnte, diese Forderungen erst dannzumal kund zu geben u. zu betreiben, wenn die Zuscheidung der elsässischen Gebietstheile an die Schweiz der Gegenstand der Vertragsverhandlungen mit der Schweiz geworden sein würden.
Diese Bedenken scheinen uns indessen nicht bedeutend genug, um den Bundesrath zu bestimmen, von vorneherein jeden Schritt zur Geltendmachung unserer Interessen zu unterlassen. Dagegen reduzirt sich das, was nach unserer Ansicht in dieser Richtung jezt zu thun ist, darauf, in rein confidentieller Weise die Angelegenheit sowohl bei dem französischen Minister des Auswärtigen als dem deutschen Reichskanzler zur Sprache [zu bringen, die hierseitigen Anschauungen über die nachtheiligen Rükwirkungen einer Annexion des ganzen Elsasses an Deutschland auf die schweizerische Neutralitätsstellung offen darzulegen; die Wünsche, zu denen diese Sachlage schweizerischerseits veranlasse, andeuten und ermitteln zu lassen, welcher Erfolg von einem bezüglichen offiziellen Schritte des Bundesrathes zu erwarten sein dürfte, wobei indessen auch bestimmt angedeutet werden müsste, dass sobald deutscherseits mit der Grenzregulirung gegen das deutsche Eisass die Frage einer Kompensation auf baslerischem oder schaffhausischem Gebiete verbunden werden wollte, hierseits auf alle weitern Schritte verzichtet würde.
Demgemäss beantragt das Departement:
1. es sei in Betreff der Savoyerfrage dermalen kein weiterer Schritt zu thun.
2. es seien bezüglich der schweizerisch-elsässischen Grenze dem französischen Minister des Auswärtigen und dem deutschen Reichskanzler mündliche confidentielle Eröffnungen in obigem Sinn zu machen.
3. es sei Herr Minister Kern in Paris mit dieser Mission zu beauftragen und einzuladen, diesen Auftrag mit möglichster Beschleunigung zu vollziehen und über das Ergebnis sofort Bericht zu erstatten mit der Ermächtigung, wenn nöthig, behufs sicherer und rascherer Überbringung des Berichts einen eigenen Courier hieher abzufertigen.
4. es sei das Militärdepartement einzuladen, die Frage, welche Grenze zwischen der Schweiz und dem Eisass unter Voraussezung der Annexion dieses Landes an Deutschland eventuell zu postuliren wäre, zu prüfen und darüber ein Gutachten vorzulegen.3
- 1
- E 2/475.↩
- 2
- Cf. no 292.↩
- 3
- Adoptée avec certaines modifications concernant la proposition 2, lors de la séance du 2 février 1871. Cf. E 1004 1/84,507. Ad2: «Wird Hr. Kern angewiesen, seine Eröffnungen unter Hinweisung auf die wesentlichen Interessen und Gefahren, die für Frankreich u. A. auch in Betreff der wichtigen Verbindung mit Österreich hiebei in Frage kommen und unter Hervorhebung, dass die Schweiz am liebsten die Aufrechthaltung der bisherigen Gebietsverhältnisse sähe, vorerst ausschliesslich bei dem französischen Minister des Äussern anzubringen; sollte nicht eine Rükweisung erfolgen, so möge er mündliche und vertrauliche Eröffnungen auch im deutschen Hauptquartier anbringen; dabei aber von vornherein fest im Auge behalten, dass eine Rektifikation der Gränze im Eisass nie von Gegenkonzessionen der Schweiz hinsichtlich ihres rechtsrheinischen Gebiets abhängig oder damit irgend in Beziehung gebracht werden dürfe. Treffe er aber beim französischen Minister von vornherein auf einen Abschlag, so sei der Sache keinerlei weitere Folge zu geben.»↩
Tags
Neutralità della Savoia (1870–1871)