Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.1 ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 318
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#710* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 330 | |
Dossier title | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 24 (1871–1871) |
dodis.ch/41851
Ich benütze den Courier, der die Antwort des diplomatischen Corps vom 23ten Januar2 auf die Note des Herrn Grafen von Bismark vom 17ten gleichen Monats an letzteren zu übermitteln hat, um Ihnen in Berücksichtigung der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Sache offiziell zu übersenden
1. die Note der noch in Paris anwesenden Mitglieder des diplomatischen Corps sowie einer Anzahl von Generalconsuln d.d. 13. Januar a.c.3,
2. die Antwort des Herrn Kanzlers des Norddeutschen Bundes vom 17ten Januar4,
3. eine Abschrift des Schreibens, das ich im Aufträge der Signataires der Note vom 13ten Januar an den Grafen von Bismark zu richten die Ehre hatte, d. d. 23. Januar a. c.
Da es rein unmöglich war, über die in diesen Dokumenten behandelte Frage vorerst Instruktionen einzuholen, so habe ich, wie meine Collegen, auf eigene Verantwortlichkeit so gehandelt, wie ich es den Interessen der meinem Schutze anvertrauten Landsleute und den Grundsätzen des Völkerrechts schuldig zu sein glaubte.
Mir vorbehaltend, über die Verhandlungen, welche unter den Unterzeichnern der Note vom 13ten Januar stattgefunden haben, Ihnen später Bericht zu erstatten, wird es mir zur Pflicht, diese Aktenstücke schon jetzt mit ein Paar Bemerkungen zu begleiten, um Ihnen die Beurtheilung meiner Handlungsweise zu erleichtern.
Ich finde dies um so nothwendiger, als nach einstimmigem Beschlüsse der Signataires der Note vom 13ten auf verschiedene Punkte der Antwortnote in unserer Erwiderung ein näheres Eintreten unterblieben ist.
Es konnte nicht von ferne in unserer Absicht liegen, das Recht einer kriegführenden Macht zur Bombardirung einer befestigten Stadt zu schreiten, im äussersten Falle und wenn die Kriegszwecke auf keinem ändern Wege zu erreichen möglich sind, irgendwie zu bestreiten. Unser ganzes Bestreben ging dahin, für die bedrohten Interessen der Bevölkerung, die wir in Paris zu schützen berufen sind, diejenigen Rücksichten zu beanspruchen, welche wir glaubten gestützt auf das Völkerrecht und vielfache Precedentien mit allem Grunde geltend machen zu können.
Es liegt viel Wahres in dem, was Graf von Bismark sagt über die Gefahren, die es mit sich bringen müsse, eine Stadt von 2 Millionen Einwohnern zum befestigten Centralpunkt, zur Hauptfestung des Landes zu machen. Die Erfahrung, welche jetzt gemacht wird, zeigt diese Gefahren und Inkonvenienzen im vollsten Maasse. Allein Paris ist nun einmal nicht blos eine Festung, sondern zugleich eine Stadt von 2 Millionen Einwohnern; und die letzteren, namentlich die Neutralen, können doch nicht wohl desswegen der sonst völkerrechtlich für Kriegsfälle anerkannten Garantien verlustig erklärt werden, weil die französischen Behörden seiner Zeit die Stadt mit Forts zu umgeben beschlossen haben.
Auch gegenüber einer mit Forts umgebenen Stadt muss in Berücksichtigung der Grundsätze des Völkerrechts und vielfacher Antecedentien schon aus Rücksicht auf die nicht Kombattanten und ganz besonders die Neutralen jedem Bombardement ein avertissement mit Fristansetzung vorausgehen.
Wenn in der Antwortnote von Grafen Bismark auf die grosse Anzahl der neutralen Bevölkerung in Paris hingewiesen und dabei von 50 000 solcher Einwohner gesprochen wird, so ist diese Zahl allerdings nicht zu hoch gegriffen; sondern noch beträchtlich unter der Wirklichkeit. Allein es wäre ein grosser Irrthum, vorauszusetzen, dass viele Tausende von einer vor Beginn des Bombardements fixirten Frist zur Abreise Gebrauch gemacht hätten, während deren Transport und Alimentation unter jetzigen Umständen allerdings schwierig, nahezu unmöglich gewesen wäre.
Es ist allgemein bekannt, dass eine Reise von Paris durch Frankreich in jeder Richtung gegenwärtig mit mehr Gefahren verbunden ist, als der Aufenthalt in der Stadt selbst trotz des Bombardements. Nachdem unsere Note veröffentlicht war, kam eine Masse von Landsleuten zu mir, aber eine verhältnismässig nur ganz kleine Zahl derselben zeigte Neigung, sich den mit einer Abreise verbundenen Gefahren und Inkonvenienzen jeder Art auszusetzen. Das Gleiche war, wie ich weiss, bei neutralen anderen Staaten der Fall.
Immerhin hätte man während der Frist unter ernster Vorstellung der Inkonvenienzen und Gefahren, die eine Reise mit sich bringe, den Betreffenden die Wahl lassen müssen, sich letzterem auszusetzen, wenn sie es dem Bleiben in einer belagerten Stadt vorgezogen haben würden.
Obgleich übrigens die Zahl der Abreisenden voraussichtlich eine mässige gewesen wäre, so hätte doch ein vorausgehendes avertissement mit Festsetzung einer Frist von ein Paar Tagen für die Nichtkombattanten, also namentlich für alle Neutralen, einen grossen Werth gehabt. Sie hätten, auch wenn sie zu bleiben vorgezogen haben würden, die angesetzte Frist benutzt, um für ihr Leben sowie werthvolles leicht transportirbares Eigenthum, sei es in ihren Kellern oder in Wohnungen der dem Bombardement noch nicht ausgesetzten Viertel der Stadt, Schutz und Sicherheit zu suchen. Es hätten z. B. Vorsteher von Erziehungs- oder anderen öffentlichen Anstalten für ihre Schutzbefohlenen, wie es die Pflicht gebot, während dieser Frist in den nicht bombardirten Stadttheilen leicht Sicherheit finden können, und es wäre dann nicht der traurige Fall eingetreten, dass Schutzbefohlene von Erziehungs- und Krankenanstalten durch obus getödet oder verwundet wurden, weil eine Übersiedlung in sichere Quartiere durch das plötzlich eingetretene Bombardement unmöglich gemacht worden ist. Es wäre demnach manches ganz unschuldige Opfer weniger zu beklagen als jetzt.
Dass die Erreichung des Kriegszweckes ausgeschlossen worden wäre, wenn nach mehr als dreimonatlichem Zuwarten noch circa 2 Tage oder auch nur 24 Stunden länger zugewartet worden wäre, um in irgend einer Weise den Nichtkombattanten zu gestatten, vor dem Bombardement Schutz zu suchen, wird wohl niemand behaupten.
Die Unterlassung einer vorherigen Anzeige ist um so mehr zu bedauern, als die allgemeine Ansicht dahin geht, und ohne Rückhalt der Wahrheit gemäss auch in der Öffentlichkeit in diesem Sinne ausgesprochen wird, dass das Bombardement die Übergabe der Stadt selbst nicht um einen einzigen Tag befördert, und dass letztere nur eintreten wird, wenn Mangel an Lebensmitteln und bevorstehende Hungersnoth solche unvermeidlich macht.
Es ist aber noch ein anderer Gesichtspunkt, der auch nach wiederholter und sorgfältiger Prüfung der vom Grafen Bismark gegen unsere Note vorgebrachten Einwendungen es mir zur Pflicht machte, an der unterm 13ten Januar erhobenen Reklamation festzuhalten, und zwar folgender:
Es ist Ihnen aus meinen offiziellen durch Vermittlung des Bundesrathes an die hohen Regierungen von Bayern und Baden gerichteten Rapporten bekannt, dass ich wiederholt die Initiative ergriffen hatte, und dabei von Washburne unterstützt wurde, um gegen das Verfahren, welches von französischen Behörden gegen die unschuldigen deutschen Bewohner von Paris bei Anlass der allgemeinen Expulsion derselben eingeschlagen worden ist, energisch zu reklamiren und dass ich nachdrücklich und wiederholt sowohl beim Minister des Äussern als dem des Innern darauf drang, die Prinzipien des modernen Kriegsrechtes zu berücksichtigen, welche verlangen, dass ein Staat den ändern Staat, nicht aber unschuldige Nichtkombattenten als seinen Feind behandeln dürfe. Die Regierungen von Baiern und Baden haben dies nicht nur gebilligt; sondern mir für mein energisches Auftreten in dieser Richtung offiziell durch Ihre Vermittlung ihre Anerkennung und ihren Dank ausgesprochen. Wie hätte ich es vor meiner Oberbehörde, vor meinen betheiligten Landsleuten, vor der öffentlichen Meinung und vor mir selbst verantworten können, wenn ich nicht in Berücksichtigung der gleichen Prinzipien des modernen Völkerrechts bei kompetenter Stelle Schritte gethan hätte, um so weit immer möglich die bedrohten so wichtigen Interessen einer so grossen Zahl von in Paris weilenden Mitbürgern in Schutz zu nehmen. Ich glaube voraussetzen zu dürfen, dass selbst die betheiligten Regierungen der Kriegführenden Deutschlands eine solche Inkonsequenz mir nicht zumuthen würden.
Washburne ist in dieser Beziehung in einer ganz ähnlichen Stellung wie ich, weshalb wir auch von Anfang bis zu Ende in allen diesen Fragen ganz einig gingen.
Was die Frage selbst betrifft, ob es den Prinzipien und Gebräuchen des Völkerrechts entgegen sei, wenn eine befestigte Stadt ohne vorausgehende Anzeige bombardirt wird, so würde es mich zu weit führen, die Belege für unsere Ansicht aus der Litteratur über Völkerrecht und aus der Kriegsgeschichte nachzuweisen. Ich will mich daher darauf beschränken, nur zwei wohlbekannte Autoritäten zu zitiren:
1. Martens: Précis du droit des gens moderne: «Il est conforme aux lois de la guerre de sommer au moins une fois la place forte assiégée, avant de commencer le bombardement; souvent les sommations se répètent».
2. «Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staaten als Rechtsbuch dargestellt von Dr. Bluntschli», Professor an der Universität zu Heidelberg, Seite 310, §554: «Die gute Kriegssitte verlangt, dass der Belagerer, wenn es thunlich erscheint, vor dem Bombardement eines Platzes die Absicht dazu ankündige, damit die Nichtstreiter, insbesondere Weiber und Kinder entfernt oder sonst in Sicherheit gebracht werden. Indessen kann Überraschung mit einem Bombardement nöthig sein, um den Platz bald zu gewinnen, und dann ist die Unterlassung jener Anzeige gerechtfertigt».
Voir Commentar zu diesem Artikel, von Bluntschli, wo sich letzterer folgendermassen ausdrückt: Am. Kr. 19: «Es entspricht diese Sitte dem Wesen des Kriegs als eines Streites zwischen Staat und Staat und nicht mit den Privaten. Möglichste Schonung dieser ist das Kennzeichen der civilisirten Kriegsführung. Um die Bewohner grosser Städte möglichst von den Gefahren des Kriegs zu bewahren, werden daher diese Städte meistens als offene Plätze dem Sieger überlassen, und nicht als feste Plätze gegen die Belagerung vertheidigt. Aber auch im letzteren Falle erfordert es die Menschlichkeit, dass die friedlichen Bewohner gewarnt werden, bevor die Stadt beschossen wird, wenn irgend der Gang des Krieges es gestattet. Nur in den dringendsten Fällen wird ein plötzlicher Überfall, verbunden mit einer raschen Beschiessung sich als militärische Nothwendigkeit vertheidigen lassen».
Dass es im vorliegenden Falle nicht um eine Überraschung sich handelte und dass nach mehr als 372 monatlicher Belagerung eine Ankündigung mit Frist von ein Paar Tagen oder allerwenigstens 24 Stunden nicht möglich gewesen wäre, wird wohl kaum behauptet werden.
Erlauben Sie mir noch ein Paar spezielle Bemerkungen:
Ich muss vor Allem in Übereinstimmung mit dem in der Note vom 23ten Gesagten erwähnen, dass Graf Bismark den zwei von mir gestellten Gesuchen für saufconduits zuerst für 16 und später für 165 Schweizer mit grösster Zuvorkommenheit entsprochen und unverzüglich die nachgesuchten saufconduits ertheilt hat. Wenn ich von denjenigen für die 2tc Liste von Schweizern nicht Gebrauch machen konnte, so ist es ausschliesslich den Umständen zuzuschreiben, dass mir der französische Minister des Äussern auf mein diesfälliges Nachsuchen folgendes geantwortet hat:
«J’ai le regret de vous apprendre que depuis une semaine M. le Gouverneur de Paris, par des raisons impérieuses tirées de la nécessité de la défense, a suspendu toutes les sorties. Si j’ai tardé à vous faire connaître cette décision, c’est que j’espérais qu’il serait possible de la modifier en ce qui concerne vos nationaux et qu’il m’eut été infiniment agréable de pouvoir me conformer à votre désir. Je n’oublierai jamais les témoignages de sympathie, que vous voulez bien nous donner par votre courageuse persistance à partager nos épreuves et nos dangers et j’aurais été heureux de vous en prouver ma gratitude en vous mettant à même d’obliger vos nationaux».
Ähnliche Gesuche von ändern Gesandten oder von Consulen wurden durch Trochu im November ebenfalls ablehnend beantwortet. Erst unterm 12ten November5 bei Anlass der Autorisation für Abreise von 165 Schweizern schrieb mir dann Graf Bismark folgendes:
«Neuere Erfahrungen, durch welche nachgewiesen wird, dass mit der Erlaubniss, unsere Linien zu passiren, auch von Fremden Missbrauch getrieben worden ist, haben die Militärbehörden bestimmt, von jetzt an eine solche Erlaubniss überhaupt nicht mehr zu ertheilen».
Mehrere Gesandte und Consuln erhielten um die gleiche Zeit die gleiche Erklärung mit Bezug auf die Zukunft.
Es wird Sie vermuthlich interessiren zu erfahren, auf welche diplomatische Agenten es sich bezieht, wenn in der Antwortnote bemerkt wird:
«Plusieurs des signataires de la lettre du 13 janvier dernier sont avertis depuis quelques mois qu’ils peuvent franchir nos lignes et ils ont depuis longtemps l’autorisation de leurs gouvernements respectifs de quitter Paris».
Es können diese Worte sich nur beziehen auf die Minister von Schweden, Dänemark, Belgien und Holland, welche vom Grafen Bismark schon längst saufconduits erhalten, aber aus Rücksicht auf die grossen Inkonvenienzen, welche schon seit einiger Zeit mit einer Reise durch Frankreich verbunden sind, vorzogen, davon keinen Gebrauch zu machen.
Was meine Person betrifft, so betrachtete ich es anfänglich schon als eine Folge Ihrer Instruktionen, welche mich anwiesen, die französische Republik und ihre Regierung anzuerkennen6, bis auf spezielle neue Weisung am Sitze der französischen Regierung mich aufzuhalten. Später, unterm llten November7, schrieb mir Ihr Amts Vorgänger:
«Wir würden einem etwaigen Wunsch von Ihrer Seite, Paris zu verlassen, nichts in den Weg legen, allein es freut uns, dass Sie bleiben».
Obgleich ich in Folge dieser Mittheilung einer Zustimmung zu einem allfälligen Gesuche, Paris verlassen zu können, gesichert war, so hielt ich doch für weit besser, auf meinem Posten auszuharren, theils weil ich täglich vernehmen konnte, dass die schweizerische Kolonie diess sehr gerne sah, theils weil ich mich selbst überzeugte, dass meine Anwesenheit in Paris mit Rücksicht auf die grosse stets zunehmende Zahl von Rath und Hülfe suchenden Landsleuten durchaus nothwendig und daher meine Pflicht sei. Zudem kam mir immer vor, in schwierigen Zeiten sei ein Beamter und ganz besonders ein republikanischer, seinem Amt und seinem Lande schuldig, sogar den Schein zu vermeiden, als wolle er in ängstlicher Sorge für seine persönliche Sicherheit von den Vortheilen seiner bevorzugten Stellung Gebrauch machen. Ich habe daher niemals auch nur für eine eventuelle Abreise einen saufconduit nachgesucht, entschlossen in Paris das Schicksal meiner Landsleute bis zum Schlüsse dieser schweren Krisis zu theilen, welches es auch immer sein möge.
Ich hoffe die oben bezüglich der mit dem Grafen Bismark gewechselten Correspondes enthaltenen Bemerkungen werden mich in Ihren Augen rechtfertigen, wenn ich auch nach ernster Prüfung der in der Antwort vom 17ten Januar erhobenen sehr einlässlichen Einwendungen es dennoch als Pflicht betrachtete, an dem Begehren unserer Note vom 13ten Januar festzuhalten.
Es wird Ihnen bei Prüfung der ausgewechselten Noten nicht entgehen, dass wenn Graf von Bismark und die Vertreter der neutralen Staaten auch weit auseinander gehen in Bezug auf die Auffassung der Prinzipien des Völkerrechts, von beiden Seiten dagegen gleichmässig Alles vermieden wird, was mit den in so aufgeregten Zeiten doppelt zu beachtenden Rücksichten betreffend Ruhe und Mässigung in der Form nicht in Einklang wäre! Ich darf mich auf das Zeugniss meiner Collegen berufen, dass ich von Anfang bis zu Ende Ruhe und Mässigung in der Form und Ausdrucksweise nachdrücklich befürwortet und dadurch wesentlich zur Einstimmigkeit in unseren Entschliessungen mitgewirkt habe.
Wenn erfahrungsgemäss in so aufgeregten Kriegszeiten die Stellung der neutralen Regierungen immer schwierig und nicht selten der Missdeutung ausgesetzt ist, so ist das gleiche der Fall bei ihren diplomatischen Vertretern.
Sorgfältige und gewissenhafte Vermeidung jeder Handlung, welche mit Grund als eine Hintansetzung der Verpflichtung, welche die Neutralitätsstellung auferlegt, betrachtet werden könnte, wird für beide zur doppelten Pflicht bei einem Lande, dessen Neutralität von ganz Europa garantirt ist.
Aber eben so getreu und eben so entschieden haben die Regierungen und ihre diplomatischen Vertreter auch jene Verpflichtungen zu erfüllen, nach welchen ihnen obliegt, Leben und Eigenthum ihrer Mitbürger unter allen Verhältnissen nach besten Kräften in Schutz zu nehmen.
Über die Situation in Paris kann und darf ich mich aus naheliegenden Gründen nicht aussprechen; Eines aber brauche ich Ihnen nicht zu verhehlen, weil ich es schon seit dem 4ten September in offiziellen und nichtoffiziellen Kreisen bei jedem Anlass ohne allen Rückhalt als meine persönliche Überzeugung ausgesprochen habe: Die provisorische Regierung hätte schon in der ersten Woche September, wo sie noch alle Zeit hatte, eine Nationalversammlung in eine andere Stadt als Paris einberufen und nur solange die immense Verantwortlichkeit, die sie sich vindiziert hat, für sich allein übernehmen sollen, bis die Nation durch Wahlen ihre Stimme hätte abgeben und ihre Repräsentanten eine gesetzliche Regierung hätten bestellen können.
Diese Ansicht ist zwar allerdings auch schon in den ersten Tagen nach dem 4ten September in der Regierung vertheidigt worden, leider aber in der Minderheit geblieben.
Eine Regierung, welche sich auf gesetzliche Wahlen der sehr weit überwiegenden Zahl von Departements hätte berufen können, hätte nach Innen und Aussen eine ganz andere Stellung gehabt, als ein Gouvernement, das nur die Vertreter der Hauptstadt in sich schloss, und kein legaler Ausdruck des Nationalwillens war.
Der Umstand, dass einige Departements bereits mit fremden Truppen überzogen waren, schien mir niemals ein hinreichender Grund zu sein, die Ausübung des Suffrage universel für eine Nationalversammlung, die allein über Existenzfragen zu entscheiden hat, für die gesammte Nation Monate lang zu sistiren. Wie Sie sich erinnern werden, habe ich mich schon in einer früheren Depesche sehr entschieden in diesem Sinne ausgesprochen, wie das gleiche auch von zwei Mitgliedern der provisorischen Regierung mir gegenüber geschehen ist.
Bezüglich der Situation der schweizerischen Colonie in Paris, die noch immer in sehr grosser Zahl sich hier aufhält, und des Nothzustandes, den der Krieg auch für sie mit sich brachte, beziehe ich mich auf die Darstellung, welche Sie in dem an die Regierungen von Waadt, Genf und Neuenburg gerichteten Dankschreiben für erhaltene Unterstützungen finden.
Die traurigen Folgen, welche ein Belagerungszustand, der schon mehr als 4 Monate andauert, auch für unsere Mitbürger hatte, werden noch längere Zeit ihren bedenklichen Einfluss ausüben, und daher auch fortgesetzte Unterstützungen nothwendig machen.
Möge das Ende dieses furchtbaren Krieges und die von ganz Europa so sehnlich gewünschte Wiederherstellung des Friedens nicht mehr lange auf sich warten lassen!