Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.12 FRANCE
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 2, doc. 280
volume linkBern 1985
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2#1000/44#514* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2(-)1000/44 94 | |
Titolo dossier | Hilfeleistung und Aufnahme von Flüchtlingen aus der kriegsgeschädigten Stadt Strassburg. Gründung und Abordnung eines schweizerischen Komitees nach Strassburg, u.a. BR Schenk und StR Köchlin, Basel. Dankadressen, u.a. der Stadt Pontarlier (1870–1871) | |
Riferimento archivio | B.266 |
dodis.ch/41813
Das furchtbare Elend der der Schweiz altbefreundeten Stadt Strassburg erregt in der schweizer. Bevölkerung allgemeine Theilnahme und es scheint namentlich in Basel der Wunsch, für die Einwohnerschaft der Rheinischen Schwesterstadt etwas zu thun, rege geworden zu sein. Nach einer vertraulichen Mittheilung von da walten aber Bedenken ob, es möchte diese Theilnahme von deutscher Seite neue Reklamationen gegen Basel hervorrufen und es wird gewünscht, dass die Schweiz in ihrer Gesammtheit den Gedanken einer solchen Hilfe verwirkliche.
Das politische Departement theilt die Ansicht, dass in diesem ganz ausserordentlichen Falle ein solcher Akt humaner Hilfeleistung gerechtfertigt erscheine. Allseitige Berichte lassen keinen Zweifel darüber, dass durch die Beschiessung ein grosser Theil dieser Stadt von ca. 60 000 Einwohner zerstört ist. Ein grosser Theil ihrer Einwohnerschaft wird daher zu einer momentanen Auswanderung genöthigt sein und da sie sich bei jeziger Sachlage nicht wol ins Innere von Frankreich begeben kann und nach deutschen Staten sich wol nicht begeben will, so bleibt ihr fast nur die Möglichkeit offen, sich in der Schweiz Asyl zu suchen, bis bessere Tage kommen. Insbesondere wird eine Unterkunft während des nächsten Winters am dringendsten sein.
Bei dieser Sachlage dürfte es ein Gebot der Humanität für die Schweiz sein, den Unglüklichen ein Asyl anzubieten. Wenn die Schweiz seiner Zeit den Polen und in den lezten Tagen auch den aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen Unterstüzungen gewährte, so kann sie bei dem hier vorliegenden, viel dringenderen Bedürfnisse unmöglich gleichgültig bleiben und es dürfte sich daher rechtfertigen, in ganz analoger Weise wie in jenen beiden Fällen vorzugehen.
Man könnte freilich einwenden, es können die politischen Behörden der Schweiz dieses Hülfswerk füglich der Privatmildthätigkeit der schweizerischen Bevölkerung und spezieller Vereine, die sich zu diesem Zweke bilden werden, überlassen. Indess zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass wenn auch der Privatthätigkeit Manches anheimgegeben werden kann, dennoch die besondern Verhältnisse des Falles auch eine Reihe statlicher Massregeln erfordern, wie wir des Nähern darlegen werden.
1. In erster Linie muss, um jeder Missdeutung vorzubeugen, die französische Regierung von dem Vorhaben der Schweiz benachrichtigt und ersucht werden, das Anerbieten derselben, soweit möglich selbst zur Kenntnis der Einwohnerschaft von Strassburg zu bringen.
2. Auch den Belagerern muss von diesem Vorhaben Kenntnis gegeben werden. Bekanntlich hat der Bischof von Strassburg bereits erfolglos das Ansuchen an leztere gestellt, der Einwohnerschaft freien Abzug zu gestatten. Es liegt nicht in der Stellung der Schweiz, sich in diese Frage einzumischen; es dürfte diess selbst den Hauptzwek gefährden. Unser Verlangen kann nur dahin gehen, den Wegzug derjenigen Personen Strassburgs, welche die Stadt verlassen haben und sich in die Schweiz zu begeben wünschen, kein Hinderniss in den Weg zu legen und etwaiger Abholung derselben mittelst Eisenbahn eher förderlich zu sein.
3. Um zu verhindern, dass nicht Unberechtigte, vielleicht sogar gefährliches Gesindel, sich mit in die Schweiz eindränge und neue Heimatlosengefahr entstehe, muss an der Eingangsstation Basel ein eidgenössisches Kommissariat errichtet werden, welches die Eintretenden mit einem Ausweispapier versieht und die Vertheilung der Eintretenden auf die Kantone vornimmt.
4. Auf der Eingangsstation sind zugleich einzelne grosse Lokale einzurichten, in welchen die Ankommenden bis zu ihrer Weiterbeförderung Unterkunft und die erste nothwendige Unterstüzung finden. Es wird diess mit der Regierung von Basel zu ordnen sein.
5. Für die Fahrhabe, welche die Eintretenden mitbringen, sollte Zollfreiheit bewilligt werden.
6. Der Transport dieser Masse von Personen wird gewisse Schwierigkeiten bieten, da die Eisenbahn von Basel nach Strassburg nur noch theilweise im Gange ist. Am passendsten wäre es wohl, wenn die schweizer. Zentralbahn sich mit der französ. Ostbahn ins Benehmen sezen würde, um mit gemeinsamem Material diese Transporte in möglichster Nähe von Strassburg in Empfang zu nehmen. Der Transport sollte wo möglich für Personen & Habe gratis bewerkstelligt werden, sowohl von Strassburg bis Basel, als im Innern der Schweiz. Hiefür wären die schweizer. Eisenbahnen anzusuchen und es wäre auch die eidgen. Postverwaltung, soweit sie etwa in Betracht kommen kann, hiefür anzuweisen.
7. Die sämmtlichen Kantonsregierungen wären zu ersuchen, diesen Unglüklichen Asyl und Unterkunft zu gewähren und die Bevölkerungen zu ermuntern, dieselben mildthätig mit dem Nöthigsten zu versehen. Der Bund hätte aber dabei nach zwei Richtungen miteinzutreten, erstlich durch einstweilige Übernahme der Verantwortlichkeit der Heimatlosengefahr, welche durch die momentane Schriftenlosigkeit entstehen könnte, und zweitens durch Abgabe eines täglichen Unterstüzungsbeitrages für die Bedürftigen. Der Bundesrath hätte dann wohl etwa im nächsten Frühjahr den Zeitpunkt zu fixiren, in welchem diese Unterstüzungen zu sistiren wären. Ordentliche Ausweisschriften wären während des Winters wohl an alle ohne Schwierigkeit zu beschaffen.
Das politische Departement glaubt, dass bei einem solchen Zusammenwirken der Stats- und Privatthätigkeit dieses humane Werk sich ohne übermässige Statsbelastung ausführen lassen werde. Es beehrt sich desshalb folgende Anträge zu stellen:
1. Es sei Hr. Minister Kern beauftragt, der franz. Regierung un verweilt mitzutheilen, der Bundesrath anerbiete der Einwohnerschaft von Strassburg bis zum nächsten Frühjahr die Gastfreundschaft der Schweiz & werde es sich zur Pflicht machen, die Bedürftigen bis dahin auf eigene Kosten zu unterhalten. Der Bundesrath wünsche, dass die französ. Regierung der Einwohnerschaft von Strassburg dieses Anerbieten zur Kenntnis bringen möchte.
2. Es sei der Gesandte des Norddeutschen Bundes in Bern, sowie auch der Gesandte des Grossherzogthums Baden unter Kenntnisgabe dieses Vorhabens zu ersuchen, bei ihren resp. Regierungen dahin zu wirken, dass dem Wegzuge derjenigen Einwohner Strassburgs, welche die Stadt verlassen haben & sich in die Schweiz zu begeben wünschen, kein Hindernis in den Weg gelegt werde. Der Bundesrath bemerke dabei, dass er die Entscheidung der Frage, ob und welche Einwohner von Strassburg die Stadt verlassen dürfen und in welchem Zeitpunkt solches geschehen könne, ganz dem Ermessen der Krieg führenden Theile überlasse und sich in keiner Weise in diese Fragen einzumischen gedenke, wogegen er den Wunsch ausspreche, es möchte der Abzug nach der Schweiz möglichst begünstigt werden.
3. Es sei das Justiz- und Polizeidepartement eingeladen, sich mit der Regierung von Basel über Bestellung eines Kommissariates und Anweisung von Lokalitäten für die erste Unterkunft zu verständigen & dem Kommissariate die nöthigen Instruktionen im Sinne obigen Berichts zu ertheilen. Ferner sei dasselbe eingeladen, sich mit den schweizer. Eisenbahngesellschaften und durch das Mittel der Centralbahn mit der französ. Ostbahn in Rapport zu sezen, um die Transportverhältnisse mit denselben zu regeln und wo möglich Gratistransport zu erwirken.
4. Es sei das Handels- & Zolldepartement eingeladen, die Effekten dieser Flüchtigen zollfrei in die Schweiz eintreten zu lassen.
5. Es sei das Postdepartement eingeladen, auch seinerseits Gratistransport für jene Personen und deren Effekten zu gewähren, soweit Posttransport in Frage komme.
6. Es sei den sämmtlichen Kantonen durch Kreisschreiben von diesen Beschlüssen und ihren Motiven Kenntnis zu geben mit dem Ersuchen, diesen Unglüklichen einstweiliges Asyl und Gastfreundschaft zu gewähren mit der Erklärung, dass der Bund sie von der Verantwortlichkeit entlaste, welche wegen einstweiligen Mangels gehöriger Ausweisschriften dieser Personen erwachsen könnte & dass er für die Bedürftigen einen täglichen Zuschuss aus der Bundeskasse verabfolgen werde und zwar 1 Fr. für jede erwachsene Person und 1/2 Fr. für jedes Kind unter 14 Jahren2.
- 1
- E 2/514.↩
- 2
- Le Conseil fédéral arrêta dans sa séance du 3 septembre1870, la décision suivante: «Das Bundespräsidium sei ermächtigt, dem Hrn. Dr. Bischoff in Basel zu eröffnen, der Bundesrath sehe sich nicht im Falle, hierin die Initiative zu ergreifen; er gewärtige, dass dieses von Aussen geschehe. Dagegen sei er bereit, diessfällige Bestrebungen moralisch und materiell zu unterstüzen, auch die nöthig werdende Vermittlung eintreten zu lassen. Sollte sich nach dieser Richtung hin ein Komite bilden, so möge sich dasselbe mit seinen Anträgen und behufs weiterer Verhandlung an das eidg. Departement des Innern wenden.» E 1004 1/82, 3759.↩
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