Washington, August 12th 1870
Unterzeichneter bekennt den Empfang Ihrer geehrten Depesche N. 662, enthaltend ein Circularschreiben an das hiesige Staatsdepartement, betreffs Aufrechthaltung der schweizerischen durch Vertrag garantirten Neutralität. Es wurde dasselbe sogleich dem fungirenden Staatssekretär Herrn I.C. Bancroft Davis überreicht und der Anlass benuzt, demselben zu sagen, dass die Bestrebungen der Schweiz, ihre Neutralität gewissenhaft zu wahren, jedenfalls die moralische Stütze der Ver. Staaten verdienen. Herr Davis erwiederte die bereits im hiesigen Staatsdepartement sprüchwörtlich gewordenen Ansichten: «Wir lassen uns nie in die politischen Beziehungen Europäischer Mächte ein». Unterzeichneter erwiederte: «Die Regierung wohl nicht, aber das Volk würde kaum ruhig zusehen wollen, wenn dem republikanischen Prinzip der Schweiz von Monarchien Gewalt angethan würde». Herr Davis wollte aber sich hierüber nicht äussern und es unterblieb in dieser Richtung alle fernere Unterredung. Ich fühle mich gedrungen, nochmals darauf aufmerksam zu machen, dass telegraphisch keine Berichte von der Schweiz eingehen, dass faktisch eine solche Armuth in Bericht und Correspondenz betreffs der Haltung der Schweiz, dass wochenlang in den einflussreichen Zeitungen die Schweiz gar nicht genannt wird. Durch flüchtig gemachte Übersetzungen von Schweizer Zeitungen sucht der Unterzeichnete dieses etwas zu ersetzen, es bleibt ihm aber bei seinem verminderten Personal wenig oder keine Zeit dazu, und dennoch sollte dem Amerikaner in einem derartigen Moment die Schweiz nie ausser Auge gelassen werden. Die Einnahme von Weissenburg und überhaupt das Eindringen der Preussen über die Grenze Frankreichs, wird von Seite der Americaner als der Todesspruch der Napoleonischen Dynastie beachtet. Man behauptet, dass die französische Armee nicht mit gewohntem Eifer fechte etc. Im Allgemeinen hat der Krieg hier die Waarenpreise wenig affektirt. Mehl ist etwas höher. Sonstige Lebensmittel jedoch haben keine Preiserhöhung erlitten. Der Präsident befindet sich soeben auf einer Erhohlungsreise nach dem Westen, während die Chefs des Militair-, Finanz-, Staatsdepartements und der Postverwaltung ebenfalls von Washington abwesend sind, so dass hierorts im Bundesregierungskreise alles ungewöhnlich ruhig ist. Der Gesandte des Norddeutschen Bundes und so auch der französische Minister sind beide hier, hingegen scheinen die übrigen Diplomaten sich ebenfalls nach allen Richtungen zerstreut zu haben.