Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.12 FRANCE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 55
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#705* | |
Dossier title | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 19 (1866–1866) |
dodis.ch/41588
Ich hatte mir vorgenommen, Ihnen den ersten politisch. Rapport nach meiner Rükkehr auf meinen Posten zu erstatten, nachdem ich die erste Audienz beim neuernannten Minister des Auswärtigen werde erhalten haben. Nun hat aber Hr. Moustier lezten Donnerstag das diplomatische Korps nicht empfangen, weil er in Compiègne war, u. von da ist er für einige Tage nach seiner Heimath gereist (im Départ, du Doubs), so dass es noch unsicher ist, ob er nächsten Donnerstag die ordentlichen Audienzen ertheilen wird.
Heute besuchte ich den neu ernannten Ambassador für die Schweiz, Marquis de Banneville, der diesen Abend abreisen u. morgen Nachmittags 2 Uhr in Bern eintreffen wird. Da ich vorausseze, es dürfte Ihnen erwünscht seyn, vor seiner Creditivüberreichung zu erfahren, wie er sich aussprechen werde betreffend die Beziehungen Frankreichs zur Schweiz, so will ich nicht säumen, Ihnen noch mit heutiger Post zu melden, wie er sich diessfalls gegen mich geäussert hat.
Wie natürlich hatte er vor seiner Abreise noch eine Audienz beim Kaiser in Compiègne. Banneville sagte mir, der Kaiser habe sich dahin ausgesprochen, er wünsche, dass die guten Beziehungen, wie solche gegenwärtig zwischen den Regierungen beider Staaten bestehen, fortgesezt u. bestens unterhalten werden, wie diess auch unter seinem Amtsvorgänger geschehen sey. Sodann habe der Kaiser noch beigefügt, es sei ein Punkt, «il y a un point», wo Dinge vorgehen, die sehr zu bedauern sind, u. diess sei Genf, ohne Zweifel in Anspielung auf die Skandale, die wiederholt bei Anlass von Wahlen zu Tage getreten sind, vielleicht auch auf die Propagation skandalöser Pamphlete. Endlich habe er auch bemerkt: man habe in der Schweiz Anstoss genommen an einer Stelle, welche sich in seinem bekannten Schreiben an Lavalette enthalten finde, u. die auf die Lage der kleinen Staaten gegenüber den grossen, ihre Verschmelzung mit leztern etc. Bezug habe. Er ermächtige ihn, bei gegebenem Anlasse zu erklären, dass diese Stelle in keiner Weise auf die Schweiz Bezug habe; deren Unabhängigkeit u. Selbständigkeit er von allen Staaten geachtet zu sehen wünsche.
De Banneville versicherte mich dann, er werde sein Möglichstes thun, stets freundschaftliche Beziehungen mit der Schweiz zu pflegen. Ich benuzte dann den gegebenen Anlass, ihm einen Wink zu geben, den ich – ihn schon längere Zeit kennend – mir in ganz freundschaftlichem Tone wohl erlauben durfte, u. den ich mit Rüksicht auf seine künftige Stellung zum Bundesrath am Plaze fand. Ich sagte ihm nämlich: die Stellung eines diplomatischen Vertreters bei unsern republikanischen Institutionen sey nicht ganz die gleiche wie anderwärts. Es würde ihm dieselbe z.T. sehr erschwert werden, wenn sofort jede Reklamation zum Gegenstand einer offiziellen Note gemacht werden wollte, anstatt vor Allem in offiziöser Weise u. mündlich nähern renseignements über den wirklichen Sachverhalt einzuziehen, wo dann sehr oft der Grund zu offizieller Beschwerdeführung wegfalle. So habe seiner Zeit Fénelon2 durch ein «trop de zèle», womit er jede ihm zukommende Klage zum Gegenstand eines Notenwechsels machte, sich sehr unbeliebt gemacht, u. dabei gleichzeitig oft weniger ausgerichtet, als es bei einem offenen u. freundschaftlichen Verkehr mit den schweizerisch. Behörden der Fall gewesen wäre. Man habe es sehr gerne gesehen, dass Turgot3 weniger zèle in solcher Richtung bethätigt habe.
Es kam mir nämlich vor, eine solche wohlgemeinte u. namentlich auch in unserm Intresse liegende Mahnung könnte ihm natürlich von Ihrer Seite nicht wohl ertheilt werden, od. wenigstens er könnte es eher übel aufnehmen, während es in meiner Stellung eher möglich war, ihn wohlmeinend als guter Bekannter auf solche Dinge aufmerksam zu machen, die ihm seine künftige Stellung erleichtern, statt solche zu erschweren. Banneville hat es auch sehr gut aufgenommen, u. erklärte sich mit den von mir geäusserten Ansichten ganz einverstanden. Er gedenkt für einmal nur ein Paar Wochen in Bern zu bleiben, u. dann für einige Zeit wieder nach Paris zurükzukehren. Es dürfte übrigens nach meinen unmassgeblichen Ansichten doch sehr am Plaze seyn, wenn das bei Accreditirung eines Botschafters übliche Empfangs-Diner bei seinem jezigen Aufenthalte u. nicht erst wenn er gegen das Frühjahr wieder nach Bern kommt, zu seinen Ehren gegeben würde. Die Herrn Ambassadoren sind über solche Aufmerksamkeit in Berüksichtigung ihres höhern Ranges als solche nicht ganz indifferent u. für den eidgenöss. Fiskus kommt es auf das Gleiche heraus, ein Paar Monate früher od. später die üblichen Representationskosten zu bestreiten.
Wie ich von Banneville vernahm, war er es selbst, der dem Herrn Moustier sagte, man möchte vorher beim Bundesrathe anfragen, ob seine Person eine persona grata sey.
Über die politische Situation im Allgemeinen für heute nur noch Folgendes:
Allüberall traf ich nur Eine Stimme darüber an, dass für nächstes Jahr der Weltfrieden als gesichert anzusehen sey. Wie es aber im Jahr 1868 stehen werde, darüber will niemand mit gleicher Zuversicht sich äussern. Vielfach hört man vielmehr die Ansicht äussern, dann dürfte vielleicht die Zeit gekommen seyn, wo der Kaiser revanche nehmen wolle für die politische Niederlage, welche als Folge des Krieges in Deutschland für Frankreich sich herausstelle. Doch werweiss, ob dann nicht eben so gewichtige Gründe ihn vom Kriege zurükhalten als im Laufe dieses Jahres. Wer vermag zu ahnen, wie bis 1868 sich die Allianz-Beziehungen unter den Grossmächten gestalten können?! Nur Conjekturalpolitiker können sich auf so weit hinaus erkühnen, schon ein Urtheil zu haben!
Ein Missbehagen über den Gang der Politik im Jahre 1866 giebt sich vielfach kund, wie kann es anders seyn? Die Folgen des Krieges zwisch. Preussen & Ostreich, der jämmerliche Ausgang der Mexikanisch. Expedition, die Unsicherheit welche bezüglich Roms die Vollziehung der September Convention mit sich bringt, sind alles Faktoren, welche für den Schluss des Jahres 1866 eine ungünstige Bilanz für Frankreich zum unabweisbaren Resultate haben, u. die man nicht leicht weg-demonstriren kann.
Was die Gesundheit des Kaisers betrifft, so höre ich von verschiedenen Seiten dass solche völlig her gestellt sey. Dagegen drüken die oben erwähnten politischen Dinge nicht selten seine Stimmung. Über die wirkliche Abreise v. Maximilian von Vera Cruz hatte man heute Nachmittag im ministère des affair, étrang. noch keinen positiven Bericht, aber alle Welt betrachtet seine Abreise u. abdication als etwas Unvermeidliches & ganz Nahes.
- 1
- E 2300 Paris 19.↩
- 2
- J.R. de Salignac-Fénelon, Envoyé extraordinaire et Ministre plénipotentiaire de France à Berne, de 1852 à 1858.↩
- 3
- Ambassadeur de France à Berne, de 1858 à 1866, prédécesseur du Marquis de Banneville.↩
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