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1939
BAR; J.I.215(-)1990/279/, 2; Dossier 1939 (Nachlass Kohli)
Info Commission Indépendante d'Experts Suisse-Seconde Guerre Mondiale (CIE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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* Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland. Interne Sitzung der schweizerischen Delegation vom 5.9.1939 im Zimmer von Dir. Hotz. Anwesend: Hotz, Keller, Homberger, Gygax (Sachbearbeiter Deutschland):
Hotz: Obrecht habe gegenüber Hemmen erklärt, "Eine SSS für die Wareneinfuhr, wie im ersten Weltkrieg, werde es nicht mehr geben". Die Schweiz werde selber Kontrollfunktionen übernehmen. Als Delegationsmitglieder werden Keller, Gygax, Homberger, Kohli nominiert. Soll auch Laur beigezogen werden? Obrecht grundsätzlich einverstanden.

* I. Sitzung der beiden Regierungsdelegationen 5.9.1939:

Anwesend: Hotz, Keller, Homberger, Gygax, Kohli / Deutsche Delegation: Hemmen, Seyboth
Hemmen: Neutralität der Schweiz soll auch auf wirtschaftlichem Gebiet von Deutschland ermöglicht werden. Frage der freieren Warenwahl seitens Deutschland. "Aber in der Praxis wird sich das nicht allzu extrem auswirken wegen der Notwendigkeit der sparsamen Verwendung der Devisen." Fordert Diskussion über Anpassung der schweizerischen Produktion an deutschen Bedarf. Grund der Verhandlungen: "Unser Motiv ist natürlich, die Versorgung, die Befriedigung unserer sehr grossen Bedürfnisse." ... "Sie haben sicher bisher die Politik verfolgt, den Warenverkehr vor allem nach Ländern mit freiem Zahlungsverkehr zu leiten. Sie werden sich wohl jetzt fragen, ob nicht geprüft werden muss, welche Ausfallsporten sie haben werden und welche davon wir für Deutschland verwenden können." Stellt bestehenden Zahlungsverkehr (Clearing) in Frage.
Hotz: "Auch unsererseits ist die Überlegung die, dass wir alle diese Fragen völlig ausserhalb der politischen Erwägungen zu besprechen haben." Schweizer Seite müsse sich überlegen, was Einfuhren sein werden. "Wir müssen vor allem daran denken, unser Volk in dieser schweren Zeit zu beschäftigen. Wie wird sich die Einfuhr in die Schweiz auf der Seite der einen Gruppe gestalten, wie auf der Seite der andern Gruppe". Ausfuhrmöglichkeiten der Schweiz werden sich nach Einfuhren richten.
Hemmen: "Ich möchte auch gleich betonen, dass ich nicht beabsichtige, die Mittel im Transferfonds für andere Zwecke zu reservieren." ... "Sie werden sich zu überlegen haben, ob es besser ist, alles für die Wirtschaft einzusetzen und für einmal den Kapitaltransfer zu suspendieren. Wir würden in einem solchen Falle nicht ablehnend sein." Aber man lasse den Transferfonds von deutscher Seite intakt. [sehr freundlicher Ton Hemmens, zuvorkommend]
Die Frage sei zu prüfen, wieweit die deutsche Ausfuhr aufrechterhalten werden könne; "denn davon hängt die Bezahlung der schweizerischen Ausfuhr nach Deutschland ab."
Hemmen schlägt Anpassung an deutsche Begehren vor: Spitzen-Indistrie solle etwa auf Litzen (?) umsteigen, auch Uhrenindustrie, Feinmechanik und Chemie sollten Produkte umstellen.
Keller: man werde nicht nur auf dem Zahlungsgebiet sondern auch bei den Waren zu einem Kompensationsverkehr übergehen müssen zur Versorgung der Schweiz für lebenswichtige Produkte.
Hotz: Die Zahlungsfrage sei für den Exporteur eminent wichtig, bei der Abwägung ob Risiko eingehen oder nicht.
Hemmen: sieht Übereinstimmung. "Ohne Kohle würden Sie Ihre Industrie nicht laufen lassen können, ohne Kohle können wir nicht zahlen." Man müsse aber konkreten Schweizer Bedarf wissen. Lebenseichtige Dinge gegen lebenswichtige Dinge tauschen.
Keller: "Wir werden wohl organisatorisch den Schritt machen müssen, den Sie schon lange getan haben. Die lebenswichtigen Industrien werden in Syndikate zusammengefasst werden. Damit soll aber die Privatinititative nicht unterbunden werden. Wir müssen bei uns mit andern Mitteln rechnen als mit dem blossen Mittel des Befehlens."
Hemmen: "Wir wollen Dinge abgeben, die wir abgeben können, weil wir dafür andere Dinge erhalten, die für uns noch lebenswichtiger sind und die wir nicht anderswo erhalten." ... "Wir denken nicht daran, Warengruppen zu koppeln, dass wir sagen: Kohle gegen so und so. So war es im letzten Krieg. Wir haben damals negative Erfahrungen damit gemacht." Man brauche nicht sofort auf Kompensation zu gehen.
Keller: Hemmen habe noch nicht vom Protektorat gesprochen. "Für uns wird es auch eine Frage sein, wieweit dsa Protektorat in unsere neue Absprache eingegliedert wird."
Hemmen: "Die Berichte aus Prag sind recht positiv, im Sinne ihrer Wünsche." Er wisse aber nicht wie eine künftige Gestaltung aussehen wird.
Homberger: "Wir sind nicht ein rohstofferzeugendes Land, sondern ein Veredelungsland." Brauchen Rohstoffe. Neutralität zentral.
Hotz: weiteres Vorgehen: Verständigung mit Schweizer Kriegswirtschaftsämtern.

* Konferenz mit den Chefs der Kriegswirtschaftsämtern 5.9.1939

Homberger: Es müsse vermieden werden, "dass Deutschland die Waren, die es von uns beziehen will, frei auswählen kann."
Renggli: Transportfrage auch wichtig. "Die Industrie braucht Benzin, Kautschuk und Kohle. Für die Lieferung aus Deutschland kommt nur Kohle in Betracht."
Sulzer: "Wir müssen vor allem die Lieferung von Eisen verlangen. Wir werden aber wohl kaum soviel aus Deutschland beziehen können wie im ersten Weltkrieg. Zum Teil muss unsere eigene Ausbeute gefördert werden, zum Teil müssen wir aus den USA, England und Frankreich Eisen zu erhalten suchen." Eisenindustrie brauch gewisse Spezialprodukte, die nur schwer anderswo als in Deutschland zu bekommen seien. Es handelt sich um "grosse Schmiedestücke, gewisse Röhren, Spezialstähle." Bedarf könne nicht sofort bestimmt werden.
Matter soll direkt mit Hemmen Kontakt aufnehmen wegen Transportproblemen.
Koechlin: Spezialbenzin für Armee wurde bisher aus Deutschland bezogen.
Käppeli: Für die Landwirtschaft sei Thomasmehl viel wichtiger als Kali. Beides habe man aber aus Frankreich und Belgien bezogen.
Homberger: "Sieht man in der Industrie Bedenken gegen die Aufrechterhaltung der bisherigen Proportionen in unserem Warenverkehr mit Deutschland?"
Koechlin: "Wichtig ist, die deutschen Schulden nicht anwachsen zu lassen. Die Transportfrage ist zu regeln. Im übrigen für die nächste Zeit möglichst Lieferungen und Gegenlieferungen nur Zug um Zug."
Sulzer: enge Fühlungnahme mit der Industrie unerlässlich. Dies müsse über kriegswirtschaftliche Syndikate geschehen.

[die oberen drei Sitzungen liegen ausserdem noch als Maschinen-Abschriften vor]

* II: Sitzung der beiden Regierungsdelegationen. Vom 6.9.1939:

(Hotz, Homberger, Laur, Gygax, Matter, Ballinari, Kohli (nicht von Beginn weg) / Hemmen, Seyboth, Janke)
Frage der durch Deutschland "angehaltenen" Güter.
Hemmen: Vorläufig normale Ausfuhr in die Schweiz, aber vielleicht kommen kriegsbedingte Ausverbote dazu. "In Deutschland war man über das generelle Ausfuhrverbot der Schweiz konsterniert."
Hotz: Ausfuhrverbot auf alle Seiten. Im Rahmen der Zahlungswertgrenzen sei man bereit, Ausfuhrgesuche unter Berücksichtigung der Landesversorgung zu bewilligen.
Ausfuhrverbote hätten absoluten Charakter bei Benzin, Petrol, Getreide, Kohle, Futtermittel, Malz.
[Protokoll bricht ab]
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