Language: ns
1941
AfZ; Bestand NL Heinrich Homberger [Privatakten]; 64. Böhler, Eugen (Prof.)
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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(KOPIE) * Böhler, Eugen: Die Schweiz in der Grossraumwirtschaft, in: Ders. (Hg.): Sonderberichte der Konjunkturforschungsstelle (Gesellschaft für Wirtschaftsforschung) ETH, Nr. 51., September 1941. [20.9.1941]
Will sich Bild machen über die zukünftige Gestaltung des europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz darin. Wie hat sie sich darin einzuordnen? Autarkie seit 1. WK. Grossraumwirtschaft sieht er als Zusammenschluss von autarken Volkswirtschaften in Europa (?). Die definitiven Machtverschiebungen des Krieges seien noch absolut nicht voraussehbar. Dies «legt uns daher nahe, in Bezug auf die konkreten Schlussfolgerungen und Anpassungsvorschläge für die schweizerische Wirtschaftsstruktur vorsichtig zu sein.» (S. 3)  Man könne auch nocht nicht auf einzelne Eingliederungsformen und Anpassungsnotwendigkeiten eingehen. Er rechnet hingegen mit Dauer der Kriegswirtschaft um 2 weitere Winter. Aber auch bei Frieden müssten kriegswirtschaftliche Massnahmen noch Jahre beibehalten werden. Bei Nahrungsmittelproduktion müsse die Schweiz noch auf jahre weiter selber versorgen. «Der Zustand des Abgeschnittenseins von Uebersee wird somit als Dauererscheinung zum Ausgangspunkt für unsere Dispositionen genommen werden müssen.» (S. 3f.) Die Selbstversorgung Europas habe deshalb Massnahme für Grossraumwirtschaft zu bilden.
«Innerhalb dieses Grossraumes ist weiter als Gegebenheit vorauszusetzen, dass sich Deutschland, dank der überragenden Position sowohl als Abnehmer wie als Lieferant, auch ohne unmittelbares Diktat einen entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftliche Lage der einzelnen Länder des Grossraumes wird sich zu sichern wissen. Dies bedeutet auf der andern Seite, dass die Schweiz für ihre Bezüge und Liefermöglichkeiten, somit für ihren Beschäftigungsstand und für ihre konjunkturelle Situation in weitgehendem Masse auf Deutschland (einschliesslich der von ihm verwalteten Länder) angewiesen bleiben wird
Achse wird euopäischen Raum auf «lange hinaus» beherrschen.
- "Politik der Schweiz auf kurze Frist": kein Abbau der Rationierungsmassnahmen. Vermehrte staatliche Wirtschaftslenkung. Deutsche verlangten Selbtsversorgung, deshalb müsse auch Schweiz Selbsthilfe und Selbstversorgung machen (S. 5). Deshalb sehe jetzt Deutschland auch Sinn der schweizerischen Mehranbaus. Auch industrieller und rohstoffmässige Nutzung der nationalen Ressourcen. Tausch von heimischer Energie oder Erzen mit Produkten der umgebenden Ländern. «Von der Grossraumwirtschaft, in die wir eingebettet sind, haben wir dabei während der Übergangszeit des Krieges und unmittelbar nachher wenig zu erwarten.» Deshalb sei es jetzt eine Bewährungsprobe der Schweiz um zu zeigen dass sie sich selber wirtschaften könne ohne fremde Hilfe, was wichtig sei um bei Neuordnung des Grossraumes mit kräftigerem Rückendeckung aufzutreten.
- "Grossräumliche Wirtschaftspolitik auf lange Sicht": Auch bei massgebenden deutschen Stellen sei noch keineswegs Klarheit über Neuordnung des Grossraumes. (S. 7) Er erwähnt zwei divergierende Meinungen über Stärke der deutschen Autarkie für Europa: Backe gegen Landfried. Auch E. Neumann: Autarkie nicht möglich. Dies zeige laut Böhler, dass noch keine klaren Vorstellungen über Autarkiepolitik in Europa. Einleuchtend, wenn man bedenke, dass noch weitere Wirtschaftsgebiete in den Grossraum eingegliedert werden könnten.
- Innerstaatliche Wirtschaftsordnung: Im Kernland des Grossraumes Deutschland werde auch nach dem Krieg die Vollbeschäftigung mit allen Mitteln aufrechterhalten werden. Dadurch werde man zu einem europäischen Arbeitsmarkt kommen. «Für uns ergibt sich aus diesen Bemerkungen, dass wir nach Möglichkeit unsern Arbeitskräften im eigenen Lande Beschäftigungsmöglichkeiten werden gewähren müssen, wenn wir uns nicht allenfalls vor das Ansinnen gestellt sehen wollen, die Feiernden an Orte grösseren Bedarfs an Arbeitern abzugeben.» (S. 10) Dies gelte für den Krieg aber auch bei Demobilisierung (wenn keine Arbeitsmöglichkeiten für Soldaten.). Wanderungen der Arbeiter werden gefördert werden durch Abbau von institutionellen Hemnissen. Auch binnenwirtschaftlicher Kapitalmarkt werde sich nicht den Ausstrahlungen der Neuordnung entziehen können. Abbau der Scheidewände zwischen den Volkswirtschaften. Dies vor allem beim Zahlungsverkehr. Böhler zitiert Bandel von Commerzbank: Deutschland müsse Restriktionen abbauen um wieder anlagefähiug zu werden. (S- 11). So etwa Bereinigung der Altschulden (!). Böhler für die Schweiz: «Beim Kapitalexport würde es sich insbesondere darum handeln, durch Gewährung langfristiger Kredite an der wirtschaftlichen Erschliessung der noch einer Produktionsintensivierung zugänglichen Länder des Grossraumes mitzuwirken.» Deutschland gehe dazu über Südosteuropa Kredite zu sprechen.
Ganz allgemein werde in Zukunft die Planung und Wirtschaftslenkung einen weit grössere Bedeutung zukommen als vor dem Krieg. Zitiert Landfried: Vollbeschäftigung vor Kapital. Dazu Böhlen: «Die Verwirklichung dieser fortwährenden Vollbeschäftigung erfordert jedoch das Eingreifen des Staates in den Wirtschaftsablauf, da sich zur Evidenz gezeigt hat, dass die freie Marktwirtschaft zu ihrer dauernden Aufrechterhaltung nicht imstande ist.» (S. 12) Innenpolitisch deshalb dafür planmässig sorgen, dass Vollbeschäftigung.
- "Beziehunhen der Volkswirtschaften innerhalb des Grossraums": Güteraustausch werde grösser sein als vor dem Krieg. «Die handelspolitische Stellung der Schweiz wird dadurch gekennzeichnet sein, dass Grossdeutschland den bei weitem bedeutendsten Abnehmer ihrer Erzeugnisse und Lieferant ihrer Importgüter darstellen wird.» Umgekehrt sei Schweiz für Deutschland nur ein kleiner Handelspartner. grosse Verflechtung der Schweiz mit D. «Daraus ergibt sich - vielleicht gemildert durch unsern Devisenvorrat - eine natürliche Positionsschwäche der Schweiz, durch welche gewisse Anpassungen unsererseits, ob erwünscht oder nicht, sich einfach durchsetzen werden.» (S. 13) Hindernisse die vor dem Krieg aufgebaut wurden müssten auf Begehren des Reiches abgebaut werden. (Zollschranken und Währungsmauern). Es brauche aber nicht gerade zu einer Zollunion zu kommen. Weit wichtigere Schranken seien die Kontingentierungen und die Devisenzuteilungen. Böhler sieht Lösung in langfristigeren bilateralen Wirtscahftsabkommen mit Lieferungs- und Abnahmeverträgen. Clearingkredit an Deutschland müsse abgetragen werden, Zwang zu Einfuhr von teueren Produkten ebenfalls unbefriedigend. Wartefristen bei Auszahlungen unerwünscht. Fix fesgelegte Verrechungskurse bringen einseitige Gewinne. «Die Organisation einer mehrseitigen Abrechnung, des plurilateralen oder multilateralen Clearings drängt sich daher mit umso grösserer Notwendigkeit auf, je mehr sich eine einheitliche Beherrschung des europäischen Wirtschaftsraumes konsolidiert haben wird.» Weiteres Elenment der Grossraumwirtschaft werde Ausrichtung der Währungen auf Reichsmark bringen. «Auch für die Schweiz wird sich die Grundsatzfrage stellen, ob sie in einer künftigen Grossraumwirtschaft die Parität zum Golde, zum Dollar oder zur Reichsmark als wegleitend wählen will.» Man müsse sich entschliessen, welcher man sich anschliessen wolle. Nach Aussagen des Reiches sei es unklar ob fixe Kurse gedacht seien, Das Reich sei durchaus undogmatisch in diesen Dingen. Aenderung des Kurses möglich wenn immer Passivität im Handel mit dem Reich. Gold als Ausgleichsmittel für Zahlungsbilanzen seien die Diskussionen noch nicht weiter fortgeschritten.
Es gebe kaum Anzeichen, dass das Reich die souveränen Kkleinstaaten im Verkehr mit den anderen Grossraumländern zu beeinflussen. «Es scheint auch, dass dies in der Zukunft nicht beabsichtigt ist.» (S. 16) Deutschland habe aber grössten Einfluss in Europa, so dass es begreiflich erscheine, dass seine Wünsche vort allen anderen berücksichtigt werden. Abbau der Devisenbewirtschaftung nicht vorauszusehen. Aufbau eines Präferenzsystems innerhalb des Grossraumes. Die Erzeugung Europas insbesondere in Südosteuropa werde jetzt so entwickelt, dass Deckung des festländischen Bedarfs. Böhler sieht gemeinsame Devisenbewirtschaftung des Kontinents. Innereuropäisches Präferenzsystem könnte sich etwa wie Ottawa-Abkommen von 1932 ausgestalten. Schweit müsse erwarten, dass Deutschland seinen Einfluss geltend machen werde, sie zur Niederlegung der Handelshemnisse gegenüber den anderen Grossraumstaaten zu bewegen. Vortrag Landfried: Zusammenschluss und Zusammenarbeit der europäischen Länder. Schweizer Export habe in der Tat Interesse an Abbau von Handelssschranken. Aber damit sei auch Abbau des Schutzes für Schweizer Binnenwirtschaft verbunden.
- "Die multilaterale Verrechnung im beesonderen": Für die Schweiz dränge sich ein multilaterales System auf wie dies schon gegenüber Deutschland, Belgien, Holand und Norwegen bestehe. Aber beschränkte Zahl vonm Ländern, deshalb nennt es Böhler plurilaterales Clearing. Er sieht in einem Ausbau zu multilateralen Clearing im Grossraum eine Ausweitung des Handelsverkehrs, Verschiebung der Importe auf kostengünstigere Gebiete. Er sieht gar globales Verrechnungssystem. Für die Schweiz bringe Bilateralität schwerste Unzukömmlichkeiten. Insofern sei eine Ausweitung des gegenwärtigen plurlilateralen Clearings auf Rumänien oder Kroatien über Berlin  «als Fortschritt zu werten». Dem stehe jedoch gegenüber, dass die Schweiz sowohl gegenüber Deutschlands als auch den besetzten Ländern Gläubigerin sei und auch vorläufig bleiben werde. Böhler sieht ausserdem in multilateralem Clearing nur das zweitbeste Lösung nach dem Zahlungsausgleichsystem mit Gold wie vor dem Krieg. Da aber diese Systeme der Waren- und Devisenbewirtschaftung ein Mittel politischer Einflussnahme seien, «Darum handelt es sich hierbei letzten Endes nicht um eine wirtschaftliches, sondern um ein politisches Problem.» (S. 20.) [Böhler: Fortsetzung folgt. Geschrieben, 20.9.1940]
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