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PD/Behandlung der Sturzenegger-Akten und Interhandel-Prozess in den USA (1957-1963)
E 2001 (E) 1978/84, Bd. 452 u. 453
Information Unabhängige Experkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Bd. 1


14.2.1957, Bemerkungen zum Exposé von NR Oprecht (Beilage zum Brief vom 28.1.1957, an Petitpierre). Verf. ist Fritz Hofstetter (zu Hd. Kohli), der Oprechts aus dem Arsenal von FuW gespeiste Argumente zerpflückt. Von Interesse, insofern die von der SVSt an sich nicht mehr untersuchten Nachkriegsentwicklungen mit ins Blickfeld genommen werden. (Kopie 1) Die andere Aktennotiz von Hofstetter vom 7.2.1957, auf die er mehrfach verweist, befindet sich in: PD/Handakten Stucki (1947-1960).

28.6.1957, Interhandel (Germann u. Ott) an Petitpierre. Reaktion auf Schreiben der IG Farben in Liqu. - «reine Propagandaschrift». (1) Auch hier treibt die Paranoia im Hintergrund ihr Spiel: «Wir wissen nicht, ob Herr Dr. Schmidt bezweckt, auf die Interhandel einen Druck auszuüben, um im Schatten der Opposition und der amerikanischen Beschlagnahme schweizerischen Eigentums einen deutschen Fischzug zu tun, oder ob er nur geschoben ist mit dem Ziel, im entscheidenden Augenblick die feste Haltung der Schweiz Amerika gegenüber zu schwächen oder zu verhindern.» (2)

Im Zusammenhang mit dem geplanten Klage vor dem Int. Gerichtshof schlägt Petitpierre am 7.11.1957 vor, diesem auch die Sturzenegger-Akten zugänglich zu machen; Bundesanwaltschaft und BR Feldmann stimmen zu. Aber was wäre, wenn sich Sturzenegger weigern würde? Für Zwang würden wohl die Rechtsgrundlagen fehlen. Dies ist alles ein merkwürdiges Schattenboxen, wie auch das erneute Gesuch der US-Botschaft vom 21.6.1960, Bücher der Bank durch US-Fachleute mikroverfilmen zu lassen. Wie wenn die Bank nicht alle Zeit der Welt gehabt hätte, allfällig vorhandene verdächtige Dokumente verschwinden zu lassen. Gegen eine solche offizielle Untersuchung durch US-Beamte wehrt sich in der Tat Sturzenegger.

26.7.1960, Besprechung eines Vertreters der Bundesanwaltschaft bei Bank Sturzenegger. Dieser lehnt entschieden ab. «Der wirtschaftliche Nachrichtendienst sei insofern naheliegend, als die IG Farben-Gesellschaft in Liq. z. Zt. darauf ausgehe, das Material für einen Prozess gegen Interhandel und allenfalls Sturzenegger zu sammeln. Die engen Beziehungen zwischen IG Farben in Liq. und den amerikanischen Behörden seien bekannt. (...) Nur nebenbei erwähnt Herr Dr. Sturzenegger die damit verbundene Schädigung seines Ansehens als Bankier. Er befinde sich in dieser Beziehung in der einigermassen pikanten (2) Lage, von den Chefs der Grossbanken, Reinhardt (Kreditanstalt) und Schaefer (Bankgesellschaft) sowie De Loes (Präsident der Bankiervereinigung), die alle im Verwaltungsrat der Interhandel sitzen und die in dieser Stellung die Aktensichtung lebhaft unterstützen, darauf hingewiesen worden zu sein, unter keinen Umständen einen Einbruch in das Bankgeheimnis zuzulassen und so ein für die schweizerische Bankwelt ungünstiges Präjudiz zu schaffen.» (3)

So steht im Herbst 1960 wieder einmal die Abweisung der Interhandel-Klage in den USA aus formellen Gründen nahe bevor, alles wie gehabt.


Bd. II


Forts. dieses Papierwusts um die Sturzenegger-Akten 1.1.-30.6.1961, man reist hin und her über den Atlantik, eine Zeugenaussage von Ott wird erwogen.

10.2.1961. BRB-Beschluss zur Bewilligung der Einsichtnahme in Sturzenegger-Akten, unter nunmehr doch noch bewilligten restriktiven Bedingungen. Der Beschluss hält ausdrücklich fest, dass eine Weitergabe von Akten, namentlich an IG Farben in Liqu., nicht gestattet sei.


Bd. III


Material 1.7.-31.12.1961, unglaubliche Produktion an Juristenstroh.

15.5.1961. Rapport betr. Interhandel, von A. Schaefer. Dieser war kürzlich in USA, stellte fest, dass die neue Regierung noch zu wenig lang im Amt sei, «als dass eine klare Stellungnahme zu unserem Falle erwartet werden könnte». Ausserdem sei man durch «die jüngsten politischen Ereignisse» derart in Anspruch genommen, dass auch ein geplante Besprechung nicht zustande kam. (gemeint ist zweifellos das Schweinebucht-Debakel im April 1961). Im folgenden weist Schaefer auf die amerikanische Sicht zu verschiedenen kritischen Punkten hin, so auch zum seinerzeitigen Ankauf der Aktienmehrheit.
«Diese schweizerische Aktienmehrheit muss mit schweizerischem Geld gekauft sein. Das darüber von Herrn Dr. Ott verfasste Memorandum leiste sehr gute Dienste. Für die Amerikaner sehr schwierig zu verstehen sei der Umstand, dass im gleichen Zeitpunkt $ 10 Mio durch die Ammoniakwerke Merseburg an das Bankhaus Greutert geflossen seien, derselbe Betrag der National City gutgeschrieben wurde, welche wiederum die Summe an die Deutsche Länderbank vergütet habe.» (2)
Die Einigung betr. der deutschen Entschädigungen sei wohl kurz vor dem Abschluss, der Präsident habe die Order gegeben: «Get the Germans of my back.» (2) Direkt wirke sich das nicht aus, da Interhandel auf einer andern Ebene. «Sowieso sei die Schweiz wegen der Botschaftersache beim Präsidenten ziemlich unbeliebt.» (2)
Bezüglich der GAF weist Schaefer darauf hin, dass diverse Kennedy-Leute nun in Spitzenpositionen Einzug gehalten hätten, William P. Myron sei der Rechtsberate von Joseph Kennedy. «Alle diese Leute wollen sicher eine Zeitlang profitieren.» (3)
Bob Schmitz könne man «ausschalten», seine Bezahlung auf Ende Juni 1961 aufheben. «Er kann mit seinen weitschweifigen und fanatischen Briefen kaum irgendetwas nützen.» (3) Der folgende Tagesplan zeigt, dass Schaefer unglaublich viele Leute traf, so auch «Besuch bei Allan Dulles, sehr liebenswürdig, versprach Unterstützung, GAF aber kaum sein Ressort. Bob Kennedy arbeite den ganzen Tag bei ihm, lehne jeden Besuch ab.» (5) Am 11.5.1961 traf er auch Orrick und Myron: «Sehr freundlicher Ton der Aussprache. ... Sind bereit, jeden vernünftigen Vorschlag zu prüfen. Nahmen von meiner Erklärung Kenntnis, dass 50 : 50 völlig ausgeschlossen sei. Versprechen rasche Prüfung und nachherigen Empfang durch R. Kennedy ... .» (7)
Abschliessend bemerkt Schaefer hinsichtlich des «Gesamteindrucks»: «Jedermann erklärt, dass der 16jährige Prozess schon aus Vernunftsgründen endlich erledigt werden sollte und jedermann scheut vor weitern langen Jahren des Streites. Anderseits aber ist die GAF von der demokratischen Partei wiederum als politische Pfründe mitgebracht worden und die Leute des neuen Regimes wollen ihrerseits davon profitieren.
Vom Treasury Department habe wir keine wirksame Unterstützung zu erwarten. Niemand will es unnötig mit der Familie Kennedy verderben und Herr Robert Kennedy scheint ein mehr als gefürchteter Herr zu sein.» (8)

Was die Leitung der GAF betrifft, eine Meldung der NZ, 315, 11.7.1961, vom 16-köpfigen VR seien nach den Wahlen nicht weniger als 13 ausgewechselt worden.

1.8.1961, Botschafter A. Lindt in Washington an Kohli. R. Kennedy befasse sich jetzt mit der Sache.

Auch der BR befasst sich wieder damit, wobei es immer noch darum geht, wie vorbehaltlos allenfalls die Amerikaner die Sturzenegger-Bücher sollen anschauen dürfen.

2.11.1961. Schaefer an F. T. Wahlen / EDV. Berichtet, dass er vor wenigen Tagen mit R. Kennedy und Orrick in zwei Treffen begegnet sei. Kennedy lehnte den Vorschlag, die GAF zurückzuerstatten, wofür die Schweizer den Ertrag zur Krediterteilung an unterentwickelte Länder verwenden würden, ab. «Es sei für ihn und seine Mitarbeiter, angesichts ihrer delikaten Situation, schon sehr schwierig, einem Vergleich auf Basis 50 : 50 zuzustimmen.»


E 2001 (E) 1978/84, Bd. 453

Bd. IV (1962-1963)


5.1.1962. Besprechung bei der Bank Sturzenegger. Der Besuch der drei US-Beamten steht an und in einer satirereifen Sitzung wird der Ablauf vorbesprochen. Man ist sich einig, «dass den USBeamten nur ein kleiner Teil der Bücher geöffnet wird - kaum die Hälfte». (1) Abgedeckt bzw. vorenthalten bleiben alle Angaben, welche über die 124 Firmen und Personen hinausgehen, die von den Amerikanern für relevant erklärt wurden. Die SVSt hatte seinerzeit mitgeteilt, sie habe 110 Bücher eingesehen. «Es muss dafür gesorgt werden, dass man für die Bücheröffnung wieder auf diese 110 Bücher kommt. Nach Herrn Dr. Sturzenegger ergibt sich dafür die folgende Formel: 99+ 7 + 4 = 110.» (2)

25.1.1962. Notiz über Besuch Brupbacher bei BR Wahlen. Brupbacher beklagt sich über Kompromissabsichten von Schaefer, 50: 50 hält er für ganz unangemessen, unter 75% würde er nicht gehen.

Im übrigen werden nun die Mikrofilmaufnahmen angefertigt, gemäss dem ursprünglichen Verlangen des US-Gerichts von 1949, wobei ein Teil der angefertigten Abzüge unleserlich herauskommt, was wiederum ein absurde Abfolge von Korrespondenzen nach sich zieht. Dazwischen voluminöse stenograph Aufzeichnungen des Prozesses in USA, Interhandel vs. Robert Kennedy, Attorney General, und Eric Kaufman et al., Intervenors. So geht alles seinen mühsamen Gang; im Januar 1963 verlangen die Amerikaner die Vorlage der Bücher der Technik & Finanz AG, Basel (Tefiag).
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