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BAR; E 2001 (E) 1978/84/463 [Interhandel - Sperre und Rekurs]
Info Commission Indépendante d'Experts Suisse-Seconde Guerre Mondiale (CIE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Sperre und Rekurs

E2001(E)1978/84, Bd. 463


Sperreverfügung SVSt, 30.10.1945


Wichtiges Dossier für zentralen Zeitabschnitt, das Ende Januar 1945 einsetzt mit einem Schreiben an Tefag, die sich um Befreiung von der Schwarzen Liste bemüht mit Begründung, eine schweizerische Gesellschaft zu sein.

25.7.1945, Schwab an Sektion f. Rechtswesen/Kohli. Aufgrund der vorerst mündlich vorliegenden Auskünfte der Revisoren «konnten keinerlei positive Anhaltspunkte gefunden werden, die darauf schliessen lassen, dass heute noch eine Verbindung mit der IG Farben besteht.»

27.7.1945, Telefon Kohli an Schwab. Unterstreicht Bedeutung des Falls und seine Überzeugung, dass deutscher Einfluss immer noch gegeben sei. Rätselhafte Bemerkung btr. Freuler und Notwendigkeit absoluter Diskretion. (Kopie 1)

27.7.1945, Petitpierre an Schwab. Auftrag zur Verhängung der Sperre und genauer Klärung. (Kopie 2)

2.8.1945, Notiz Kohli für Petitpierre. Bezieht sich auf Telefon mit Schwab und dessen Auskunft, lt. Recherchen SVSt sei IGC schweizerisch: «Je suis d'une opinion absolument contraire et j'ai de très bonnes raisons de croire que l'IG Chemie est une affaire servant à camoufler très habilement des intérêts allemands.»

2.8.1945, Notiz für Kohli. Ott ruft an, Schwab wünsche die Unterlagen des PD zu sehen. «Um Ihren Bedenken betreffend Herrn Freuler Rechnung zu tragen, sei dabei so zu verfahren, dass das Dossier Herrn Schwab persönlich zuzustellen sei. Dieser werde es dann nicht an Herrn Freuler, sondern an einen andern zuverlässigen Revisor, der die Angelegenheit ebenfalls von den Prüfungen in Basel her kenne, zur Bearbeitung aushändigen.» Lt. Notiz kommt Rees am 9.8.1945 nach Bern, um die Unterlagen einzusehen. Petitpierre wünscht ausführlichere Infos, weshalb seine Beamten glauben, dass IGC aktuell immer noch unter deutschem Einfluss stehe.

4.9.1945, SVSt sendet Bericht über 1. Revision. 12.9.1945, Brief Schwab an Petitpierre zur Erläuterung. (Kopie 3)

15.9.1945, Notiz de Rham für Kohli. «Il me semble que la lettre de M. Schwab ne change rien à l'affaire. (...) En procédant comme vous l'avez prévu il me semble qu'en manoeuvrant habilement on pourrait même agir dans un sens favorable à en obligeant les Américains à chercher des preuves de sa dépendance de l'Allemagne.» Beschluss: IGC nicht gleich aus der Sperre entlassen, wie Schwab vorsah.

18.9.1945, Notiz Kohli für Petitpierre. Resümee des 1. Revisionsberichts. Kohli schreibt vorweg über den Bericht: «Il confirme l'impression, qui a toujours régné au Département Politique, selon quoi la société IG Chemie est fortement suspecte de cacher des intérêts allemands même si, juridiquement, elle apparait aujoud'hui comme une personne morale suisse. (...) M. Schwab se place sur le terrain du droit où tout semble lui donner raison. Vue sous l'angle politique, cependant, l'affaire s'éclaire d'un jour tout différent. IG Chemie c'est, pour les Américains, l'exemple type, le cas école en matière de camouflage d'intérêts allemands.» Jetzt die Blockierung aufheben, würde nur eine neue und schwere Hypothek im Verhältnis zu den USA schaffen. Kohlis Vorschlag: die Blockierung aufrecht erhalten; die Amerikaner bitten, bis 30. November ihre Beweise für eine anhaltend deutsche Kontrolle vorzulegen, ansonsten man die Blockierung mangels Beweises aufheben müsse. Der beiliegende Kurzbericht spiegelt die anhaltende Skepsis und zitiert aus früheren Berichten. Trotz mangelhaftem Einblick: «Toutefois, de l'ensemble des circonstances, il se dègage une forte présomption que IG Chemie ne soit pas, même après ce qui s'est passé le 29.6.1940, une société suisse au sens économique du terme.» (6) Hübsches Schema für Vorzugsaktien IGC (Kopie 4).

26.9.1945, Notiz. Petitpierre scheint die Befristung auf 30. November zu kurz, ein bereits vorliegender entsprechender Brief an Schwab wird nicht abgeschickt
29.9.1945, Iselin wünscht Audienz bei Petitpierre (findet statt 8.10.1945). Dieser schreibt den fälligen Brief, in dem er anhaltenden Zweifel ausdrückt. (Kopie 5) Wird vorerst nicht abgeschickt.

8.10.1945, Petitpierre an Stampfli. Ersucht um Verhängung der vorläufigen Sperre (ohne Datum zu nennen). Spricht vom Dilemma, einerseits die Amerikaner zu verärgern, anderseits u.U. eine doch schweizerische Gesellschaft zu schädigen.

9.10.1945, Iselin an Petitpierre. Beruft sich auf die mündlich erhaltene Information, kündigt heftigen Protest gegen provisorische Sperre an. Nach nochmaliger Korrektur, die Unsicherheit zeigt, geht 19.10.1945 Antwort Petitpierre an Iselin, im Kern mit obiger Kopie identisch. 22.10.1945 Telegramm-Protest an Gesamtbundesrat; parallel Telegramm an von Steiger mit Ersuchen um Audienz[cf. E 4001(C)1/280].

23.10.1945, Notiz Petitpierre an Hohl, für den Moment keine Sperre zu verhängen. Am 26.10. werde der Gesamtbundesrat sich der Sache widmen. Das EVD erklärt, noch keine bestimmte Meinung zu haben, könnte aber der Sperre zustimmen, bis Klärung vorliegt.

24.10.1945, Schwab an Petitpierre. Teilt mit, dass man den Fall der Rückkaufoption bei der Tefag entdeckt habe, was nun auch gewisse Zweifel im Fall IGC neu nähre. Der beiliegende Revisionsbericht bei Tefag stammt von Revisor Weber, 12.10.1945.

25.10.1945, Ostrow vom US-Konsulat Zürich, ruft bei SVSt an und wünscht dringend Termin wegen IGC; man habe auf amerikanischer Seite das Beweismaterial. (Kopie 6)

Der BR erklärt sich am 26.10.1945 für inkompetent und delegiert Sache an PD und EVD.

30.10.1945, Petitpierre an Schwab. Er werde vom EVD Instruktion erhalten, die IGC vorerst 3 Monate zu sperren; ausserdem würden die Feststellungen bei Tefag zum Anlass einer neuen, intensiven Abklärung gemacht.

2.11.1945, Petitpierre an Iselin. Erklärt Beschluss und weist auf Tefag hin, unter irrtümlicher Behauptung, dass es sich um IGC-Aktien gehandelt habe, auf denen die verschwiegene Option lag. [aus diesem Brief hat Marc P. zitiert]

6.11.1945, Hohl an Bruggmann. Informiert ihn über Beschlüsse; an Reagan erging Information, dass man bis 31.1.1946 nähere Angaben der Amerikaner erwarte.

6.11.1945, Iselin an Petitpierre. Wütender Protest, mit Tefag habe man nichts zu tun, die drei Herren kenne er nicht. «Als rechtswidrig betrachten wir auch die zwei Hausdurchsuchungen, die gestern von der Verrechnungsstelle vorgenommen worden sind.» [Besuch von Rees und Beginn der 2. Revision]

6.11.1945, Schwab an Hotz/EVD. Erinnert nochmals beiläufig daran, dass BR Petitpierre bereits vor dem 30. Oktober Iselin über die kommende prov. Sperre informiert hatte, so dass der Überraschungseffekt dahin war.

28.11.1945, Beschwerde von Dr. E. Wehrli-Bleuler namens IGC gegen SVSt. Geharnischte Reklamation, u.a. auch gegen die angebliche Haussuchung vom 5. Nov., was der herbeigerufene 1. Staatsanwalt von BS bestätigen könne. (37 S.)

29.11.1945, Petitpierre an Iselin. Erklärt des langen und breiten, weshalb man angesichts der Tefag-Angelegenheit Grund zum Misstrauen habe. 4.12.1945, Iselin an Petitpierre. Weist pickelhart und seitenlang alles zurück. Darauf werden wiederum Entwürfe einer Antwort geschmiedet, selbstverständlich habe man niemand im speziellen beschuldigen wollen... 12.12.1945. Neuer Entwurf de Rhams der immer noch nicht geschickten Antwort. Darüber muss erst noch Stampfli informiert werden, worauf der Brief endlich rausgeht, mit Kopie an Stucki.

7.12.1945, Wehrli-Bleuler. Rekurs gegen Unterstellung unter Sperre der deutscher Vermögen in der Schweiz. (39 S.)

8.1.1946, Notiz de Rham. Die prov. Sperre laufe bald ab, wobei eine Aufhebung höchst negatives Echo in USA auslösen werde. Fragt, ob man nicht eine Konferenz mit Mann ansetzen könnte, um zu erfahren, ob die Amerikaner vor dem 31. Januar auf die schweizerische Mitteilung vom 6.11.1945 zu reagieren gedächten.

9.1.1946, Beschwerde von Rechtsanwalt Dr. Josef Henggeler wegen Safekontrolle.

30.1.1946, Stucki an Stampfli. US-Botschaft bitte um Aufschub. Bitte Frist verlängern. «Vous savez toute l'importance que le Gouvernement américain attache à cette affaire et il est à peine besoin de relever ici l'impression très défavorable que causerait en ce moment la levée du blocage provisoire. Pareille mesure serait de nature à hypothéquer gravement les négociations qui vont s'ouvrir entre la Conféderation et les Allies.» Letzteres scheint mir ein wichtiger Gesichtspunkt: die kommenden Verhandlungen in Washington sind zweifellos schnellen Entscheiden nicht förderlich.

1.2.1946, Iselin an Petitpierre. Macht auf Ablauf der Frist aufmerksam; bittet zudem um neue Audienz vor Abreise der schweizerischen Delegation, um «insbesondere auch die richtige Darstellung unseres eigenen Standpunktes sicherzustellen». Dieses Treffen findet am 12. Februar statt, wobei Petitpierre Iselin zur Ausarbeitung eines Memorandums einlädt.

1.3.1946, Notiz über Besprechung Iselin und Germann mit Reinhardt, Hohl, A. Daeniker, H.P. Meister. Hohl hat namens der Delegation, die demnächst nach USA reist, Auftrag, IGC-Vertreter zu empfangen. Iselin: «Anlässlich der Kapitalerhöhung von 20 Mio [sic] Franken auf 290 Mio Franken von 1929 sei er (Iselin) als Vertreter der Basler Banken und Prof. Fleiner als Vertreter der Zürcher Banken in den VR eingetreten. Prof. Fleiner sei nach seinem Tode durch Ständerat G. Keller ersetzt worden. (1) (...) Dr. Daeniker erkundigt sich, von wem 1928 das Kapital der IG Chemie aufgebracht worden sei. Dr. Iselin antwortet, das Kapital sei damals von der IG Farben nahestehenden Personen aufgebracht worden, teilweise auch von in Holland domizilierten Personen. Direktor Germann erläutert, dass vom seinerzeitigen Aktienkapital von 290 Mio Fr. 45 Mio Fr. den Deutschen zugestanden hätten.» (7)

11.4.1946, Schwab an Petitpierre (aus Washington). Lässt Petitpierre  den Rees-Bericht zukommen, dessen Rezeption hier teilweise zum Thema wird. «Wie aus dem Bericht hervorgeht, sind keine positiven Akten und Anhaltspunkte gefunden worden, die auf eine deutsche Beherrschung der Gesellschaft schliessen lassen. Die verschiedenen Indizien, die immer noch auf eine Verbindung zwischen der IG Farben und der IG Chemie Schlüsse zulassen, sind im Revisionsbericht besonders hervorgehoben. Zu diesen Indizien hat nun die revidierte Gesellschaft in ihrem Schreiben vom 27. März Stellung genommen.» (1) Soll man der IGC ein Exemplar des Berichts geben? «Der Vollständigkeit halber sei nur noch festgehalten, dass an den hier stattfindenden Verhandlungen die IG Chemie noch in keiner Weise diskutiert worden ist.» (2) Beiliegend Kopien der Stellungnahme Sturzenegger, 29.3.1946. Schliesst an mündliche Besprechung vom 7. März an, weist alle Kritik zurück; ebenso Iselin und Germann in Schreiben vom 27.3.1946: diese stossen sich insbesondere daran, dass der Bericht «in einer weit zurückliegenden Historie, die rechtlich irrelevant ist, nach Argumenten für die Stützung der unhaltbaren Massnahmen der Behörden sucht». (2) Zur Grundkonstruktion von 1929: «Es ist richtig, dass IG Farben wichtige Auslandsbeteiligungen an unsere Gesellschaft abtrat. Dies war aber keine Tarnung, sondern eine offene Transaktion, deren Hauptzweck in der internationalen Kreditbeschaffung lag. Der Rahmen des Ganzen ist damals zu weit gesteckt worden und hat sich vor allem bei Ausbruch der Weltwirtschaftskrisis als undurchführbar erwiesen. So sind auch die grossen Aktien-Reservepakete in USA und in Basel, die für die Placierung im Publikum bestimmt waren, nie zur Erfüllung ihrer Zweckbestimmung gekommen. Was die von Schweizer Herren betrifft, so ist wohl denkbar, dass bei gewissen Herren von IG Farben hinsichtlich der Rolle des schweizerischen Verwaltungssrates andere Vorstellungen geherrscht haben mögen. Doch haben sich die Schweizer Mitglieder des Verwaltungsrates von Anfang an für eine schweizerische Politik eingesetzt und es ist ihnen auch gelungen, diese mehr und mehr durchzusetzen.» (2 f.) Während der erste Teil dieser Ausführungen durchaus realistisch scheint, folgen dem die üblichen trügerischen Beschwörungen, die in gewisser Weise auch durch den äusseren Druck erzwungen werden: statt bloss Geschäfte, verfolgt man jetzt eben eine «schweizerische Politik»...

8.5.1946, Petitpierre an Schwab. Dankt für Rees-Bericht und Kopien der eben zitierten Korrespondenz. «Ich habe davon mit grossem Interesse Kenntnis genommen. Hingegen bin ich der Ansicht, dass kein Anlass vorliege, der vorerwähnten Gesellschaft ein Exemplar der beiden Verwaltungsberichte zuzustellen, von der Erwägung ausgehend, dass sie auf die darin behandelten Punkte soll antworten können. Wir werden vielleicht Gelegenheit haben, nach Ihrer Rückkehr über diese Angelegenheit uns gemeinsam zu unterhalten... . Es hat mich interessiert, Ihrem Brief zu entnehmen, dass bis zu dessen Absendung an den in Washington gepflogenen Verhandlungen der Fall der IG Chemie überhaupt nicht erwähnt worden sei.»

Hier wird das Dossier dünn, es folgt noch der wichtige Brief Schwab an Petitpierre, 2.8.1946 (Kopie 7), mit angehefteter Notiz, dass am 8. August bei Fontanel eine Besprechung mit Ott stattgefunden habe.

16.9.1946, Fontanel an Schwab. Bezieht sich auf diverse hier nicht dokumentierte Telefonate und Briefe und erklärt, dass man nun vorerst nichts weiter mehr zu tun gedenke in der Sache. (Kopie 8)


Rekursverfahren 1945-1948


Setzt ein mit den Rekursen von Wehrli im Nov. und Dez. 1945

21.8.1946, SVSt an Fontanel, undat. Resumee des Rees-Berichts, «wie es eventuell der amerikanischen Delegation und der IG Chemie an Stelle der verlangten Berichte ausgehändigt werden könnte». «Eine Aushändigung an die Amerikaner käme jedoch nur in Frage, wenn Sie in dieser Richtung insistieren sollten.» (Begleitbrief) Das Resumee umfasst 24 S., es verharmlost ganz erheblich das Ausmass der Einbindung in den IGF-Konzern und die Abhängigkeit von Greutert. (Kopie)

24.9.1947,Exposé der SVSt in Sachen Rekurs der Interhandel (21 S.). Längeres Papier mit brauchbarem Resumee sowohl zu den Beziehungen mit USA als auch zur Sicht auf IGC (Kopie, bei SP).

13.11.1947, SVSt. Bemerkungen zum Memorandum vom 7.10.1947 sowie zum Schreiben vom 31.10.1947 der Commission Mixte i.S. Interhandel (48 S.), mit 58 fotokop. Beilagen. Interessanter Bericht, der einesteils sehr sachlich ausfällt, anderseits gewisse (Selbst-)Täuschungen produziert, die u.U. aus mangelndem Verständnis entspringen, ebenso aber mit der wachsenden Bereitschaft zusammenhängen dürften, gewisse Personenkreise zu schützen. Insbesondere wird das System der «Vertrauensleute» ignoriert zugunsten der Frage einer aktienmässigen Beherrschung bzw. des Optionsvertrags: «Es ergibt sich somit, dass für IG Farben die eigentliche Gestaltung und Verteilung des Aktienbesitzes von untergeordneter Bedeutung war, indem für sie das Instrument der rechtlichen und wirtschaftlichen Beherrschung der Dividendengarantie- und Options-Vertrag war. Sobald einmal der Dividendengarantie- und Options-Vertrag aufgehoben wurde, fiel auch die Vorzugsstellung und Machtbeherrschung über IG Chemie dahin. Nach Auffassung der Verrechnungsstelle ist es daher von nicht grosser Bedeutung, wie nun im einzelnen die Stamm- und Prioritäts-Aktien verteilt und weiterverkauft worden sind und wo sie im einzelnen liegen, denn eines steht fest, IG Farben hat der Verteilung des Aktienbesitzes keine Beachtung geschenkt noch schenken müssen. [dies trifft keineswegs zu, denn wozu sonst die ganz komplexe Konstruktion?] Solange der Optionsvertrag bestand, konnte IG Chemie sich des Einflusses der IG Farben nicht entziehen. Wenn die von der Verrechnungsstelle in ihrem Exposé dargestellte Tendenz der Geschäftspolitik der Firma Greutert & Cie. und der schweizerischen Verwaltungsräte der IG Chemie dahin ging, sich vorerst Schlüsselpositionen in bezug auf den Aktienbesitz zu verschaffen, so brauchten sie nicht mit dem Widerstand von IG Farben zu rechnen. Diese Politik konnte aber nur mit Erfolg abgeschlossen werden, wenn es gelang, den Dividendengarantie- und Options-Vertrag aufzuheben.» (alles S. 14) Punkt für Punkt werden die Fragen und Einwände der Commission Mixte in dieser Weise durchgegangen und jedesmal in einer für Interhandel und Sturzenegger möglichst entlastenden Weise dargeboten.

26.11.1947, Schweiz. Rekursinstanz auf Grund des Abkommens von Wash. an Comm. Mixte. Reicht Unterlage weiter, mitsamt dem Bericht der SVSt, die beantragt, dem Rekurs stattzugeben. Rückmeldungen bitte bis 27.12.1947, unterzeichnet: Leuch.

15.12.1947, Antwort des Präs. der Comm. Mixte. «A majority of the Joint Commission would prefer that the case of IG Chemie be postponed by the Commission de Recours until consideration of the matter by the Joint Commission has been concluded. If, however, this wish cannot be granted, the Joint Commission unanimously states that the appeal presented by the aforementioned firm can, naturally, have no effect on any proceedings, undertaken pursuant to the Washington Accord, on the matter by the Joint Commission.» Eine beiliegende 2. Version dieses Briefes relativiert leicht: «... majority of the Joint Commission states etc.»

31.12.1947, SVSt/Ott an Leuch (u. Kopie an Stucki). Erläutert obigen Brief, der eine Verlegenheitslösung auf Betreiben der Amerikaner sei (Kopie 9).

5.1.1948, Rekursentscheid in Sachen Interhandel (Mitglieder der Komm.: NR Dr. Karl Eder, Sekretär der Thurg. Handelskammer; Victor Gautier, Dir. Genfer Handelskammer; Präs. Bundesgerichtspräs. Dr. G. Leuch).  (Kopie 10) Die Zusammensetzung dieser Kommission könnte einseitiger nicht sein, Leuch ist lt. Balzli, 213 ff. direkt verwickelt in Verdeckungsmanöver im Zusammenhang mit dem Handel mit geraubten Wertpapieren.

19.4.1948, Dr. E. Wehrli an Rekursinstanz. Stellungnahme zum Rekursentscheid vom 5. Januar. Er zitiert den Satz des Entscheides: «Die für die Stimmenmehrheit massgebenden B-shares der GAF wurden zunächst bei einer Reihe dem IG Farbenkreise nahestehender Firmen untergebracht.» Und kommentiert, in mittlerweile gewachsener Dreistigkeit: «Bei ausführlicher Darstellung hätte darauf hingewiesen werden können, dass die 3'000'000 B-shares der GAF von Anfang an von Ed. Greutert & Cie. übernommen und durch diese grösstenteils bei ihr bzw. der IG Chemie nahestehenden Firmen in der Schweiz und Holland untergebracht worden waren. Die beneficial ownership des amerikanischen Rechts stand von Anfang an Basel zu. Diese Lagerung der für die Führung der GAF massgebenden Stimmrechtsaktien bei nahestehenden Stellen wurde vorgenommen, um dieses wichtige Paket der Option unter dem Dividendengarantievertrag zu entziehen. Deshalb erfolgte dann auch die Direktübernahme der B-shares durch IG Chemie erst 1940/41, als die Aufhebung des Dividendengarantievertrages bereits als gesichert gelten konnte bzw. durchgeführt war.» - Die GAF hatte aber seit Jahren unterlassen, der SEC die IGC als Eigentümerin zu nennen, eben wegen der Option.

2.5.1956, SVSt/Dr. Hofstetter an E. von Graffenried/PD. Stellen ihm leihweise den Rees-Bericht zur Verfügung mit folgender aufschlussreicher Bemerkung: «Wir möchten darauf hinweisen, dass der Schweizerischen Rekursinstanz nicht der Revisionsbericht vom 8.3.1946 vorgelegt wurde, sondern an dessen Stelle ein gekürzter Revisionsbericht sowie eine Rekursvernehmlassung und die Bemerkungen der Verrechnungsstelle vom 13.11.1947 zum Memorandum der Commission Mixte vom 7.10.1947.»


«Einvernahme von Präsident Schwab durch amerik. Senatskommission»


Schmales Dossier von 1955/56, als Interhandel sich bemühte, den pens. Schwab vor dem Komitee von Senator Johnston auftreten zu lassen, wofür es eine amtliche Bewilligung brauchte, um die sich Stucki kümmerte, der selbst nicht recht wusste, wer dafür zuständig sei. Von der Gesandtschaft in Washington kommen grundsätzliche Einwände, die Stucki «zur streng vertraulichen Kenntnisnahme» und Bitte um Stellungnahme an Ott weiterleitet. «Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich diese Zeilen an Sie persönlich und nicht an die Interhandel richte.» (6.10.1956) Ott antwortet auf eigenem Briefpapier mit grösster Reverenz: «Ich glaube, gestützt auf alles, was ich in Ihrer Schule gelernt habe, behaupten zu dürfen...» (7.10.1955) Zehnder, der von der Sache erfährt, stellt sich entschieden gegen den Auftritt Schwabs und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen der Souveränität, worin er die Einwände der Gesandtschaft aufgreift und zuspitzt: «Il est notoire que les Américains ont une conception un peu singulière des relations internationales et ont tendance à ne pas respecter la souveraineté de notre Etat. Comme exemple il suffit de mentionner les procès antitrust contre des maisons étrangères, les enquêtes contre des fonctionnaires des organisations internationales et les essais d'interroger des témoins à l'étranger par les consulats américains.» (Notiz Zehnder f. Petitpierre, 11.10.1955) Schlussendlich kommt die Einladung an Schwab dann übrigens gar nicht zustande, so dass sich die Sache erübrigt. Petitpierre hatte gegen den Auftritt nichts einzuwenden, da er den Interessen von Interhandel hätte nützlich sein können.
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