Language: ns
25.11.1946 (Monday)
Signatur: BAR 7160-07 (-) 1968/28, 404
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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(kopiert)

Vom Rechtsbüro an die Direktion der Schweizerischen Verrechnungsstelle im Hause.

Betrifft die Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Revisionen bei der Schweizerischen Bodenkreiditanstalt in Zürich (SBKA) und beim Rechtsanwalt Dr. W. Frick, Zürich.

"Dem Rechtsbureau sind u.a. folgende Strafanträge zugegangen:
A. Seitens der Abteilung Deuschland-Import gegen:
die SBKA bezw. deren verantwortliche Leiter
B. Seitens der Abteilung Spanien-Import gegen:
1. die SBKA bezw. deren verantwortliche Leiter
2. die A.-G. für Metallverwertung, bezw. deren verantwortlichen Leiter, Herrn Hermann Weidenmann
3. die Schweizerische Bankgesellschaft, Zürich, bezw. deren verantwortlichen Leiter."

Wir gestatten uns "nicht nur von rein iuristischen, sondern teilweise auch von prinzipiellen Gesichtspunkten aus im Sinnne einer vorläufigen Beurteilung Stellung zu nehmen."

3. Tatbestand

Durch die Umwandlung der Markbestände, welche die SBKA in Form von Immobilien und Bankkonten besass, in Sperrmarkt, sei die Position der SBKA empfindlich geschwächt worden, "weshalb letztere alles daran setzte, diese Sperrmarkbestände nach Möglichkeit zu liquidieren." Es gelang Schulthess Sperrmark in vier Hauptransaktionen zu liquidieren:
1933 rund RM 1'800'000.- mit rund Sfr. 1'700'000.- (vor dem dt.-schweizerischen Verrechnungsabk.)
1935/40 rund RM 1'100'000.- mit rund Sfr. 1'200'000.-
1943 rund RM 350'000.- mit rund Sfr. 580'000.-
1944 rund RM 1'200'000.- mit rund Sfr. 2'000'000.- (auch fremde Sperrmark)

Im Zusammenhang mit dem Eisengeschäft wurden Oeding zwischen 1933 und 1944 von der SBKA Kommissionen im Wert von Fr. 602'428.40 ausgezahlt [Zahlungen sind einzeln aufgelistet]. Im Zusammenhang mit dem Y-Geschäft (Lieferung spanischer Erzeugnisse nach Deutschland ohne Transit durch die Schweiz) wuden R.A. Mey Provisionen im Betrag von sFr. 147.336.- ausgezahlt. [Zahlungen sind aufgeführt, auch an wen die Zahlungen gingen: Weidenmann, SBG, A.-G. für Metallverarbeitung; Frick]

"4. Dem Rechtsbüro sind die eingangs erwähnten Strafanträge eingegangen und es stellt sich uns deshalb die Frage, ob die entsprechenden Strafanzeigen erstattet werden sollen oder nicht; ob, mit anderen Worten, in objektiver Hinsicht die ausgerichteten Zahlungen clearingpflichtig waren und entgegen den einschlägigen Bestimmungengeleistet bezw. entgegengenommen oder überwiesen worde sind und ob gegebenenfalls in subjektiver Hinsicht ein Verschulden als vorliegend betrachtet werden kann." Es wird nur auf die nicht verjährten Handlungen, d.h. auf diejenigen nach dem 1.1.1945 bezug genommen, da "Tatbestandsmerkmale, welche das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes als gegeben erscheinen liessen, u.E. nicht nachzuweisen sind".
Die SVSt erachtet nun einen Teil der Auszahlung an Oeding über Frick als in rechtswidriger Weise ausgezahlt. "Hinsichtlich des ausbezahlten Teilbetreffnisses von Fr. 232.000.- ist übrigens interessant festzustellen, dass - wie dies aus den Kontoblättern Oeding's und Dr. W. Schulthess' in der Buchhaltung Dr. Frick's hervorgeht - von diesem Betrag 77.333.- schlussendlich gar nicht Oedings sondern Dr. Schulthess zugekommen sind. Offenbar hat die SBKA bzw. deren Verwaltungsrat von dieser Vergütung an ihren Direktor keine Kenntnis gehabt, denn in den Protokollen der Finanzkommission der SBKA über die Sitzungen, in denen über die an Oeding auszurichtenden Kommissionen verhandelt wurde, ist von einer Beteiligung Dr. Schulthess' nirgends die Rede." Es wird nun davon ausgegangen, dass sichdie Leiter der SBKA darauf berufen werden, sie hätten die Wegleitung falsch interpretiert, da ihnen eine Unkenntnis der Wegleitung kaum nachgewiesen werde nkönne, sei anzunehmen, dass nur eine sehr geringe Bestrafung erzielt werden könn. Im Allgemeinen könne nur ein geringes Verschulden angenommen werden.

Oeding seien, weil er einen so günstigen Kurs vermittelte, rund Fr. 130.640.- mehr ausbezahlt worden, als er zum damaligen Kurs eigentlich hätte beanspruchen können. Auch hier könnte der Richter wieder einen Rechtsirrtum annehmen, womit ein recht geringes Verschulden vorläge.

Beim Y-Geschäft wird hervorgehoben, das es sich um spanische Verkäufer und deutsche Käufer gehandelt habe, dass die SBKA nur Verträge vermittelt habe, und dass die Waren die Schweiz nicht einmal durchquert hätten. Es handle sich bei den Zahlungen an Mey an ausserschweizerische Transitgeschäfte, argumentiert die SBKA.
Auch hier wird nur das Urteil über ein geringes Verschulden angenommen.

"Es fragt sich daher , ob es unter diesem Umständen als geboten erscheint, gegen eine Bank vom Ansehen der SBG Strafanzeige zu erstatten. Sollte die Direktion die Ansicht vertreten, dass eine diesbezügliche Strafanzeige zu erstatten sei, so wäre es u.E. geboten, der SBG entsprechend der bis anhin befolgten Praxis vorerst Gelegenheit zu geben, sich über die ihr zur Last gelegten Handlungen zu äussern."

12 "Hinsichtlich der Verschuldungsfrage ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass die eben erwähnte Meinungsäusserung der Vst u.E. einduetig auf Umstände hinweist, die sowohl der Zivil- als auch der Strafgesetzgeber unter dem Begriffe des Notstandes berücksichtigen (vgl. Z.B. Art 34 STGB). Es besteht somit durchaus die Möglichkeit, dass der urteilende Richter bei Berücksichtigung der bie den einzelnen Punkten angeführten Entlastungsmomente in Verbindung mit der Annahme eines Notstandes oder zumindest notstandähnlicher Umstände, die Schuldfrage verneine und zu einem Freispruch gelangen könnte".


12 "Ganz abgesehen von diesen straf- oder clearingrechtlichen Ueberlegungen möchten wir aber vor allem in prinzipieller Hinsciht bemerken, dass es uns zumindest nicht folgerichtig zu sein scheint, einerseits zuzugeben, die betreffenden Transaktionen seien an sich begrüssenswert gewesen, hätten aber nur unter Umgehung der einschlägigen Clearingbestimmungen durchgeführt werden können, und andererseits eben wegen dieser Verstösse Strafanzeige zu erstatten, in welcher hinsichtlichtlich der Verschuldungsfrage ohnehin auf wesentliche Entlastungsmomente hingewiesen werden müsste." Grundätzlich wird daher jetzt die Frage aufgeworfen, ob überhaupt Strafanzeige zu erstatten sei.
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