Language: German
2006
Lucas Chocomeli Jakobiner und Jakobinismus in der Schweiz. Wirken und Ideologie einer radikalrevolutionären Minderheit, 1789-1803, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien. 2006. Series: Freiburger Studien zur Frühen Neuzeit Vol. 11, 397 S., ISBN 3-03910-850-6
Bibliographical reference (Bib)
"Am Vorabend der Helvetischen Revolution entwickelten einige frankophile Patrioten in der Eidgenossenschaft und den zugewandten Orten Umsturzpläne zur Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung. Diese sollte auf Volkssouveränität, sozialer Gerechtigkeit, Tugend, Moral und Religiosität beruhen. Ähnlich wie Robespierre und Saint-Just in Frankreich strebten sie diesem Ziel konsequent und kompromisslos entgegen. Die wenigen Schweizer Jakobiner wurden bislang als Vertreter einer eigenständigen ideologischen Richtung nicht wahrgenommen. Diese Arbeit geht den Fragen nach, ob es in der Schweiz echte Revolutionäre gab, ob man von Jakobinern sprechen kann. Neben dem ereignisreichen Wirken der Revolutionsanhänger wird sowohl ihre Vision einer idealen Gesellschaftsordnung als auch ihre Gewalt legitimierende Revolutionstheorie erstmalig präsentiert."
Aus dem Inhalt: Jakobinismus-Begriff - «Patrioten» und «Jakobiner»: Eine Abgrenzung - Schweizer Radikalrevolutionäre - Jacques Grenus: Revolutionär erster Stunde - Jean-Nicolas-André Castella: Revolution aus dem Exil - Joseph-Antoine Rengguer: Präsident einer «Jakobinerrepublik» - Aloys Jost: Promotor der bündnerischen Revolution - Chrétien Desloges: Agent im Dienste Frankreichs - Joseph Ronca: Geächteter Revolutionsenthusiast - Louis Reymond: Clubist und Aufstandsführer - Zielvorstellung einer idealen Gesellschaftsordnung - Der Weg der Revolution." ( Peter Lang Verlag)


Compte rendu dans la NZZ:
Robespierre en Suisse?
upj. Auch wenn in der Zürcher Kronenhalle ein (durchaus blutiges) Gericht namens «Robespierre» serviert wird: Einen sozialrevolutionären Radikalismus, wie ihn die Herren Marat, Danton, Saint-Just und Robespierre in Frankreich vorlebten, hat es wohl in der Schweiz nicht gegeben. Zumindest die Forschung ging bisher davon aus, dass es im Land der timiden Bergler und Hirten zu Ende des 18. Jahrhunderts weder «echte» Revolutionäre noch veritable «Jakobiner» gegeben habe. Denn die Schweizer sind ein anständiges Volk und gegenüber allen «fremden» Ideen brav verschlossen. Eine äusserst verdienstvolle Freiburger Dissertation schaut nun etwas genauer hin. Der Historiker Lucas Chocomeli - u. a. Mitarbeiter der Bergier-Kommission - weiss, wo die blinden Flecken der neueren Geschichtsforschung liegen: Die (dominierende sozialistische) Revolutions-Historiographie in Frankreich sei lange durch einen apologetischen Ansatz gekennzeichnet gewesen, der nach grossen Namen - eben Danton oder Robespierre - gesucht, andere historische Akteure aber vernachlässigt habe. Doch es gab sie, die Schweizer Radikalrevolutionäre. Lucas Chocomeli kann mit erstaunlich präzisen Namen und Ereignissen aufwarten. Anhand von sieben führenden Schweizer Jakobinern - Jacques Grenus, Jean-Noclas-André Castella, Joseph-Antoine Rengguer, Chrétien Desloges, Aloys Jost, Louis Reymond und Joseph Ronca - entsteht vor unseren Augen ein Bild der Schweiz des ausgehenden 18. Jahrhunderts, von dem wir bisher fast gar nichts wussten. Ausführlich und geradezu herzerwärmend kommt hier (wieder einmal) zur Diskussion, was es heissen kann, «radikal» zu denken. Ein bisschen blutiges Fleisch auf dem Teller reicht da doch nicht ganz.

Lucas Chocomeli: Jakobiner und Jakobinismus in der Schweiz. Wirken und Ideologie einer radikalrevolutionären Minderheit 1789-1803. Peter-Lang-Verlag, Bern 2006. 397 S., Fr. 69.-.
Neue Zürcher Zeitung, 9.9.2006, Ressort Feuilleton
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