Schwierige Brotgetreideversorgung der Schweiz. Bedarf nach sofortigen kanadischen Getreidelieferungen.
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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 16, doc. 104
volume linkZürich/Locarno/Genève 1997
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2200.30-02#1000/455#61* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2200.30-02(-)1000/455 4 | |
Titolo dossier | Administration fédérale des blés (1946–1951) | |
Riferimento archivio | M.6 |
dodis.ch/133 Der Direktor der Getreideverwaltung des Volkswirtschaftsdepartements, W. Laesser, an den schweizerischen Minister in Ottawa, V. Nef.1 IMPORT VON WEIZEN AUS KANADA
Wir haben die Ehre, hiermit den Empfang Ihrer beiden Berichte vom 19. und 22. November 19462 zu bestätigen. Ihre laufende, eingehende Orientierung über die Exportaussichten, Ernteverhältnisse usw. beim Getreide ist für uns ausserordentlich wertvoll. Wir möchten Ihnen deshalb dafür, wie auch für Ihre verständnisvolle Unterstützung, die Sie uns bei der Erfüllung unserer gewiss nicht leichten Aufgabe stets gewähren, den verbindlichsten Dank aussprechen.
Über unsere dringenden Einfuhrbedürfnisse für 19473 ist Ihre Gesandtschaft von uns durch Vermittlung der Handelsabteilung, Zentralstelle für die Überwachung der Ein- und Ausfuhr, einlässlich unterrichtet und dokumentiert worden. Wir gestatten uns, namentlich auf unsere Darlegungen vom 19. November 19464 an die genannte Zentralstelle betreffend Brotgetreidequote 1947 zu verweisen, von welchem Schreiben Sie in der Zwischenzeit einen Durchschlag erhalten haben dürften.
Unsere Versorgungslage mit Brotgetreide wird von Woche zu Woche beunruhigender. Trotzdem wir im Brotgetreideverbrauch sparen wie kaum ein zweites Land auf der Welt, besonders durch eine seit Jahren straff gehandhabte Bewirtschaftung (Ausmahlung des Getreides auf 88–90%; Brotration 225 g pro Tag, usw.), droht unserer Brotversorgung auf kommendes Frühjahr hin eine Katastrophe, falls es nicht in kurzer Frist gelingt, erhebliche Weizenbezüge aus den überseeischen Exportländern auf den Weg zu bringen. Von USA erhielten wir für das ganze 4. Quartal 1946 bloss eine Zuteilung von 31’000 Tonnen, wobei uns unverständlicherweise auch 5000 t Hafer, aus denen man bekanntlich kein Brot herstellt, angerechnet wurden. Argentinien lieferte uns aus der alten Ernte nichts; ob und eventuell wieviel wir aus der neuen, ab Januar/Februar zur Verschiffung gelangenden Plata-Ernte erhältlich machen können, steht heute noch nicht fest. Kanada bewilligte uns im 4. Quartal 1946 erst je 17’000 t Weizen pro Oktober und November. Die Dezemberzuteilung steht immer noch aus.
Wir gestatten uns, daran zu erinnern, dass die Schweiz einen jährlichen Importbedarf von über 500’000 Tonnen Weizen nachgewiesen hat. Für 1945 wurden uns durch das Currie-Abkommen5 bloss 300’000 t Brotgetreide bewilligt, wovon zur Stunde noch 30’000 t mangels Offerten und Exportlizenzen nicht gekauft werden konnten. Für 1946 erhielten wir an Zuteilungen aus allen Exportländern zusammen, also einschliesslich der vorstehend erwähnten Zuteilung von 31’000 t aus USA und 34’000 t aus Kanada, bloss 109’000 Tonnen Brotgetreide. Dass unter solchen Umständen unsere Vorräte im Lande auf einen bedenklichen Stand zurückgefallen sind, ist wohl leicht verständlich, besonders wenn man berücksichtigt, dass unsere eigene diesjährige Inlandgetreideernte defizitär war; sie wird an Ablieferungen für die allgemeine Brotversorgung, d. h. für die nicht Landwirtschaft treibende Bevölkerung, bloss etwa 80’000 Tonnen Brotgetreide erbringen, gegenüber 110’000 t im Vorjahr und je 170’000 t in den Rekorderntejahren 1943 und 1944.
Die Verzögerungen der Verschiffungen von Getreide infolge des Seeleute-Streiks in Amerika hat uns erneut vor Augen geführt, wie ausserordentlich empfindlich unsere Brotversorgung für längere Zufuhrstörungen ist. Der Weg aus dem Innern der überseeischen Produktionsgebiete bis zum Exporthafen, die Seereise und der Landtransport vom europäischen Bestimmungshafen in unser abgelegenes Binnenland hinein ist so lang, kompliziert und zeitraubend, dass wir unsere Brotversorgung praktisch nur dann als gesichert betrachten dürfen, wenn wir innerhalb unserer Landesgrenzen über Vorräte verfügen, welche genügen, um jeweils den Anschluss an die nächste inländische Getreideernte zu finden. Heute verfügen wir noch über Vorräte, die auf Grund unserer gegenwärtigen hohen Ausmahlung und der knappen Ration etwa bis in den Monat März hinein ausreichen. Von diesem Zeitpunkt hinweg muss unser laufender Brotgetreidebedarf durch neue Zufuhren sichergestellt werden und zwar im Ausmasse von mindestens 35’000 t Brotgetreide im Monat. Um diesen regelmässigen Zufluss zu erwirken und eine Lücke in unserer Brotversorgung im kommenden Frühjahr zu verhüten, müssen schon jetzt und ohne weiteren Verzug Verschiffungsmöglichkeiten vorbereitet werden, mit dem Ziele, spätestens ab Mitte Dezember regelmässige Brotgetreidetransporte im angegebenen Ausmasse durchzuführen.
Die ganz ungenügende Berücksichtigung unserer dringenden Einfuhrbedürfnisse bei den diesjährigen Weizenzuteilungen durch die USA und Kanada ist für die Schweiz eine grosse Enttäuschung. Eine solche Behandlung hatte man hier wirklich nicht erwartet, als unsere Regierung an der Hungerkonferenz in London von anfangs April 1946 sich freiwillig bereit erklärte, die Bezugswünsche für 1946 auf die Zeit nach dem 1. August hinauszuschieben um den ausgesprochenen Hungerländern den «Vortritt zu der Futterkrippe» zu lassen. Wir glaubten darauf zählen zu dürfen, dass man uns nach diesem vorläufigen freiwilligen Verzicht und nach allem wenigstens so viel Brotgetreide zuteilen würde, um unsere Brotversorgung doch mindestens im bisherigen bescheidenen Umfange weiterhin zu gewährleisten. Die Kritik über die unverständliche Haltung der internationalen Verteilungsorgane der Schweiz gegenüber, die bereits in die Öffentlichkeit gedrungen ist und in der Tagespresse ihren Widerhall gefunden hat, entbehrt nicht der Begründung und ist deshalb zweifellos berechtigt und verständlich.
Bis zum Empfange Ihres Berichtes vom 22. November 1946 vertrauten wir weitgehend auf das Verständnis und Wohlwollen der kanadischen Regierung. Wir hofften um so mehr auf erhebliche weitere Weizenzuteilungen für Dezember und die folgenden Monate als uns die Schweiz. Gesandtschaft Washington am 20. September 19466 die Zuteilung von je 17’000 t Weizen pro Oktober und November aus Kanada eröffnete, mit dem Beifügen, die Diskussion über die Zuteilung für den Monat Dezember «sei noch verfrüht». Diese Bemerkung berechtigte uns immerhin, auf diese Zuteilung in einem späteren Zeitpunkt zählen zu dürfen. Ihr Bericht vom 22. November bedeutete deshalb für uns eine grosse Enttäuschung. Wir nehmen deshalb sehr gerne von Ihrer Bereitwilligkeit Kenntnis, persönlich beim Canadian Wheat Board in Winnipeg vorzusprechen, um dort auf dem Verhandlungswege die Weizenzuteilungen zu erwirken, welche für unser Land eine Lebensnotwendigkeit bedeuten. Über unsere mengenmässigen Ansprüche gibt Ihnen unser oben erwähnter Bericht an die Zentralstelle für die Überwachung der Ein- und Ausfuhr vom 19. November 1946 Aufschluss. Für den Fall, dass Sie die für Sie bestimmte Kopie jenes Berichtes noch nicht erhalten haben sollten, gestatten wir uns, hier ein weiteres Exemplar beizufügen. Nach dem heutigen Stand der Dinge beurteilt, sollten wir von Kanada vorläufig für die Monate Dezember, Januar, Februar und März je mindestens 35’000 Tonnen Weizen haben. Dabei könnte notfalls ein bescheidener Prozentsatz Roggen (Rye) anstelle von Weizen übernommen werden.
Mehlbezüge statt Weizen oder Roggen sind für die Schweiz nicht erwünscht. Sofern das Mehl auf der Weizenquote angerechnet wird, verlieren wir schon dadurch an Substanz, dass uns das Mehl auf Grundlage einer Ausbeute von 70–80% an der Weizenquote gekürzt wird, während wir bei uns aus dem Weizen effektiv 88–90% Backmehl herausmahlen. Überdies verlieren wir beim Mehlbezug die sog. Müllereiabfälle (Kleie und Futtermehl), welche wir dringend benötigen, um unsere Viehhaltung nach und nach wieder auf die vorkriegszeitliche Höhe zu bringen und um Milch, Fleisch und Fett zu erzeugen. Schliesslich sollten wir aber auch unsere leistungsfähige Müllerei beschäftigen. Die Schweiz hat vor dem Kriege nie Backmehl importiert. Das Bundesgesetz über die Getreideversorgung des Landes vom 7. Juli 1932 enthält eine Bestimmung, gemäss welcher der Bund das alleinige Recht zur Einfuhr von Backmehl besitzt7. Dieses Mehleinfuhrmonopol hat keinen andern Zweck, als den, die Backmehleinfuhr, wenigstens in normalen Zeiten, zu verhindern und der schweizerischen Müllereiindustrie einen möglichst guten Beschäftigungsgrad zu sichern.
Wenn wir uns grundsätzlich auch unter den heutigen schwierigen Versorgungsverhältnissen dagegen zur Wehr setzen, dass man uns, wie es beispielsweise die USA tun, einen Teil der an und für sich schon ungenügenden Weizenzuteilungen zwangsweise als fertiges Mehl liefert, so soll damit natürlich nicht gesagt sein, dass wir überhaupt kein Backmehl einführen wollen. Die Mehleinfuhr kommt für uns aber nur ausnahmsweise, als äusserster Notbehelf in Frage, wenn auf anderem Wege unsere Brotversorgung nicht mehr sichergestellt werden kann. Allem voran müssen also die Bestrebungen gestellt werden, Weizen für unser Land erhältlich zu machen und zwar für möglichst frühe Bezugstermine und in tunlichst grossen Mengen. Können daneben und zusätzlich zu den Weizenquoten Backmehlbezüge zu annehmbaren Preisen wiederum auf frühe Verschiffungstermine sichergestellt werden, so sind wir selbstverständlich bereit, auch einen bescheidenen Teil unseres Brotgetreidebedarfes selbst bei Kanada in Mehl einzudecken, obschon dieses Land uns gegenüber bis jetzt eine solche Forderung noch nie gestellt hat.
Wir möchten nicht unterlassen, Sie nachdrücklich auf die überragende Bedeutung der von Ihnen angeregten persönlichen Intervention in Winnipeg im Hinblick auf unsere katastrophale Brotgetreideversorgung hinzuweisen. Wenn es Ihnen gelingt, in Winnipeg die Brotgetreidebezüge sicherzustellen, welche unser Land unbedingt benötigt, um Brotmangel und Hungersnot vom kommenden Frühjahr hinweg zu verhüten, so werden Sie sich dadurch ein unschätzbares Verdienst um unser Land erwerben, für welches Ihnen das ganze Volk die Dankbarkeit nicht versagen dürfte. Ihr allgemein bekanntes Geschick bei der Führung wichtiger Verhandlungen berechtigt uns zu der bestimmten Erwartung, dass es Ihnen gelingen werde, durch Ihre persönliche Intervention in Winnipeg uns aus der gegenwärtigen bedenklichen Notlage herauszuhelfen.
- 1
- Schreiben: E 2200 Ottawa 1/4.↩
- 2
- Nicht abgedruckt.↩
- 3
- Bezüglich der Weiterentwicklung der Lage vgl. den Brief W. Stämpflis an das kanadische Landwirtschaftsministerium vom 19. September 1947, dodis.ch/135.↩
- 4
- Der beigelegte Brief ist nicht abgedruckt.↩
- 5
- Vgl. DDS, Bd. 15, Dok. 391, dodis.ch/47995. Für die im Bd. 15 nicht abgedruckte Warenliste, die unter anderen die Weizenzuteilung enthält, vgl. E 2001 (E) 2/555.↩
- 6
- Nicht ermittelt.↩
- 7
- Für das Bundesgesetz über die Getreideversorgung des Landes, insbesondere den Art. 22 Abs. 1, vgl. AS, 1933, 49, S. 445.↩
Collegamenti ad altri documenti
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