Language: German
21.5.1940 (Tuesday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 21.5.1940
Minutes of the Federal Council (PVCF)
L’accord commercial et financier avec la Grande-Bretagne était sur le point d’être conclu lorsque les événements, à partir du 10 mai, sont venus tout remettre en question.

Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
B. AVEC LES ÉTATS EUROPÉENS NON LIMITROPHES
6. Grande-Bretagne
6.2. Affaires économiques
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Printed in

Jean-François Bergier et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 284

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Bern 1991

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Repository

dodis.ch/47041
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 21 mai 19401

875. Wirtschaftsverhandlungen mit Grossbritannien

Das Volkswirtschaftsdepartement berichtet folgendes:

«Am 1. April 1940 hat der Bundesrat der schweizerischen Verhandlungsdelegation seine Instruktionen für die Fortsetzung und den Abschluss der Wirtschaftsverhandlungen mit Grossbritannien erteilt2. Es sollte versucht werden, über den von einer schweizerischen Bankengruppe zu günstigen Bedingungen bereitgestellten Kredit genügende Einfuhrmöglichkeiten für Schweiz. Exportprodukte in Grossbritannien zu erreichen.

1. Britische Konzessionen für die Einfuhr schweizerischer Waren.

In den erneuten Verhandlungen, welche vom 2. April bis zum 10. Mai 1940 in London stattgefunden haben3, ist es gelungen, britische Konzessionen für die Einfuhr der bisher am meisten gefährdeten Schweiz. Ausfuhrgüter in einem Ausmasse zu erreichen, das als annehmbar bezeichnet werden kann. Die britischen Einfuhrgeständnisse betreffen die folgenden Positionen: Stickereien, Seidengewebe, Seidenbänder, Hutstumpen und Strohgeflechte, Schuhe, Spezialmaschinen und Apparate, Uhren, Aluminiumfolien. Eine «offene Summe» von jährlich einer Million Franken gestattet, kleinere Ausfuhrpositionen, deren Nennung im Vertrag selbst zu weit geführt hätte, zu berücksichtigen. Über diese zahlenmässig, in Schweizerfranken festgesetzten Kontingente hinaus, hat sich Grossbritannien zur Aufrechterhaltung des für die Schweiz aktiven Veredlungsverkehrs in glatten Geweben und Stickereien im Vorkriegsumfang verpflichtet.

Als weitere handelspolitisch wertvolle Zugeständnisse sind zu nennen: die Verwaltung der oben genannten Kontingente (mit Ausnahme der bereits eingelebten britischen Praxis für Uhren) durch die Schweiz sowie die Zusicherung des Umwechsels von Fakturabeträgen in englischen Pfunden zum offiziellen Kurs in Schweizerfranken.

2. Die Gewährung eines 100-Millionen Kredits.

Durch seinen Beschluss vom 1. April 1940 hat der Bundesrat der Gewährung eines Kredites von 100 Millionen Franken durch eine schweizerische Bankengruppe an eine Gruppe englischer Banken grundsätzlich zugestimmt, den endgültigen Vertragsabschluss jedoch von der Bedingung abhängig gemacht, dass befriedigende handelspolitische Zugeständnisse erreicht werden können. Diese Bedingung darf heute als erfüllt betrachtet werden.

In den Verhandlungen über den Kredit selbst wurde Einigung über die noch offenen Fragen des Zinssatzes (stets 11/2% über dem offiziellen Diskontsatz, minimal 3%, maximal 4%) sowie der sofortigen Vollbenutzung des Kredits erreicht. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich über den Sinn der bereits im Februar gemachten britischen Zusage der Aufrechterhaltung des clearingfreien Zustandes gegenüber der Schweiz für 18 Monate. Während das Treasury Department in dieser Zusage bloss den Verzicht auf besondere zweiseitige Transfervereinbarungen zwischen Grossbritannien und der Schweiz sah, die Schweiz jedoch künftigen allgemeingültigen britischen Transfermassnahmen mit-unterstellen wollte, vertrat die schweizerische Delegation den Standpunkt, dass ihr die Aufrechterhaltung der heute bestehenden Transferordnung zugesagt sei. Der Vertreter der Treasury, Unterstaatssekretär S.D. Waley, hat schliesslich eine Stellung eingenommen, die grundsätzlich der schweizerischen Auffassung entspricht. Die britische Regierung erklärt, dass sie keine besonderen Transfermassnahmen gegenüber der Schweiz treffen werde und dass sie nicht beabsichtige, solche Massnahmen von allgemeiner Gültigkeit zu treffen. Sollten aber ausserordentliche Verhältnisse sie zum Erlass genereller Transferbestimmungen veranlassen, so sei sie bereit, den von der Schweiz. Bankengruppe gewährten Kredit sofort zurückzubezahlen. Da diese Zusage nicht mehr bloss - wie die «Clearingfreiheit» - für 18 Monate, sondern für die ganze Dauer des Kredits gilt, erscheint sie unseren kreditgebenden Banken vorteilhafter als die bisherigen Abreden.

Die unter Ziff. 1 angeführten handelspolitischen Zugeständnisse Grossbritanniens sind nur in Verbindung mit der Kreditaktion erreichbar gewesen. Das Verlangen der britischen Vertreter, bei einer vorzeitigen Rückzahlung des Kredits die damit im Zusammenhang gewährten Einfuhrkonzessionen ebenfalls dahinfallen zu lassen, muss als eine logische Folge der inneren Verbindung dieser beiden Dinge anerkannt und hingenommen werden.

Damit wären in den Verhandlungen sämtliche Schwierigkeiten überwunden und würde einem für die Schweiz tragbaren und interessanten Vertragsabschluss nichts mehr im Wege stehen. Leider haben die aller jüngsten Kriegsereignisse die erklärte Bereitschaft der schweizerischen Bankengruppe (Schweiz. Bankverein, Schweiz. Kreditanstalt, Schweiz. Bankgesellschaft und Eidg. Bank) zur Krediteröffnung im genannten Umfang getroffen. Die Banken erklärten in einer Sitzung vom 15. Mai 1940, an welcher auch Vertreter des Politischen Departements und des Finanz- und Zolldepartements, der Nationalbank und des Vororts teilgenommen haben4, dass sie zur Zeit nicht in der Lage seien, einen 100 Millionen Kredit unter den vorgesehenen Bedingungen zu gewähren. Als Grund führten sie die wesentlich veränderte internationale Lage und ihre im Zusammenhang damit veränderte Liquidität an. Sie sehen in der von der Nationalbank zugesagten jederzeitigen Bereitschaft zum Rückdiskont der britischen Treasury-Bills keine praktisch nutzbare Hilfe und äusserten auch Bedenken mit Bezug auf die politische Tragbarkeit des Kredits in der Gegenwart.

In der Unsicherheit dieser Tage wird von den interessierten Banken kaum eine positive Stellungnahme zu erwarten sein. Auf ihren Wunsch nach Verschiebung der abschliessenden Verhandlungen um 2-3 Monate kann jedoch mit Rücksicht auf die mit dem Vertrag verbundenen schweizerischen Produktionsund Exportinteressen sowie mit Rücksicht auf den Vertragspartner, der nach langer Verhandlungsdauer zum Abschluss drängt, nicht eingetreten werden. Es scheint uns richtig, einige Tage zuzuwarten, um nach eingetretener Beruhigung die Frage erneut mit den Banken aufzunehmen.

Diese kurze Verzögerung kann sowohl dem britischen Partner wie auch den schweizerischen Exportindustrien gegenüber, die gegenwärtig durch die Generalmobilmachung in ihrer Erzeugungsfähigkeit getroffen sind, verantwortet werden. Sie gibt auch dem Bundesrat die Möglichkeit, die Opportunität einer staatlich genehmigten Kreditgewährung an eine englische Bankengruppe nochmals zu überprüfen. Die schweizerischen Banken wollen aus jeder Verantwortung für eine «Neutralitätsverletzung» entlassen sein. Andererseits wird zu berücksichtigen sein, dass die schweizerische Verhandlungsdelegation seit 4 Monaten nach bundesrätlicher Instruktion die Kreditgewährung ihren Besprechungen und Erklärungen zugrunde legte und ein plötzliches Abweichen von dieser Grundlage auf britischer Seite kaum verstanden würde. Es müsste dies zur Neuaufnahme schwieriger Verhandlungen auf der Basis eines zweiseitigen schweizerisch-britischen Zahlungs- oder Clearingabkommens, dessen Wünschbarkeit bisher mit guten Gründen von uns verneint wurde, führen. Dem schweizerischen Export wäre damit für eine neue Zeit des vertragslosen Zustandes nicht geholfen. Zu erwartenden kritischen Betrachtungen von deutscher Seite könnte mit dem Hinweis begegnet werden, dass die britischen Gegenleistungen sehr beträchtliche sind: Kontingentseröffnungen für schweizerische Luxuswaren, welche auf die dreijährige Kreditdauer berechnet zwei Drittel der Kreditsumme absorbieren, weitere schweizerische Lieferungen (wie Baracken), die sich auf mindestens 10 Millionen Franken belaufen und deren Durchführung ebenfalls von der Kreditgewährung abhängt, sowie die für die schweizerischen Wirtschaftsbeziehungen zum britischen Weltreich bedeutsame Zusage der Aufrechterhaltung der bisherigen freien Transferordnung.

Auf Grund der genannten Darlegungen wird antragsgemäss1. von diesem Bericht wird in zustimmendem Sinne Kenntnis genommen,

2. die Verhandlungsdelegation wird beauftragt, in nächster Zeit die Besprechungen mit der Schweiz. Bankengruppe fortzuführen, um einen Abschluss der Verhandlungen mit Grossbritannien auf der bisherigen Grundlage, d.h. der vorgesehenen Kreditgewährung, zu ermöglichen.

3. Über das Ergebnis der Besprechungen mit der schweizerischen Bankengruppe ist dem Bundesrat vor der Wiederaufnahme der Verhandlungen in London Bericht zu erstatten.

1
E 1004.1 1/397.
2
Cf. No 259.
3
Cf. Nos 261 et 265.
4
Non retrouvé.