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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 12, doc. 272
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E27#1000/721#23318* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 27(-)1000/721 5124 | |
Titre du dossier | Beziehungen zu Liechtenstein, Bd 1 - 18 (1920–1949) | |
Référence archives | 12.A.3 |
dodis.ch/46532
La Police cantonale de St-Gall au Département fédéral de Justice et Police12
Wiederholte Beobachtungen veranlassen mich zu folgenden Mitteilungen:
1. Der Umbruch, d. h. der 12. März 1938 hat im Fürstentum Liechtenstein offensichtlich eine starke nationalsozialistische Bewegung ausgelöst. Zwar soll nicht gesagt sein, dass die Mehrzahl der Bevölkerung nationalsozialistisch tätig oder gesinnt sei. Aber es sind doch viele Elemente in Aktion, die zweifellos unter unmittelbarem Einfluss des benachbarten Auslandes zu Werke gehen. Die Tätigkeit der Nationalsozialisten erstreckt sich:
a) Auf das Aufmalen von Hakenkreuzen in grossen Ausmassen in roter Farbe, auf Gebäude, Mauern, Brückengeländer und ganz besonders auf Asphaltstrassen. Diese Malerei ereignet sich besonders zur Nachtzeit.
b) Auf das Beifügen von Aufschriften zu solchen Flakenkreuzen in grossen und riesigen Lettern: «Deutschland oder Tod», «Anschluss oder Kurzschluss», «Liechtenstein war Deutsch und wird Deutsch», «Tod den Verrätern» und dergleichen.
c) Am 19. April 1938 ist die nationalsozialistische Gesinnung zur Nachtzeit durch Anzünden von Höfenfeuern in Hakenkreuzform in der Gegend von Triesenberg und Abfeuern von Böllerschüssen drastisch zum Ausdruck gebracht worden.
2. Wie stellt sich der Grossteil der Bevölkerung des Landes Liechtenstein zu diesen nationalsozialistischen Kundgebungen?
Die Bevölkerung des Landes, soweit sie nicht aktiv beteiligt ist, zeigt sich passiv und schaut den Umtrieben zu. Zwar hat sich am 19. April a.c. eine Anzahl Bürger zur Abwehr gegen die Abbrennung der Höhenfeuer organisiert. Sie ist aber zu spät gerüstet worden und konnte nicht in Aktion treten.
3. Das Üble an der Sache ist, dass auch die liechtensteinische Regierung diesen nationalsozialistischen Umtrieben passiv gegenüber steht, nichts unternimmt, keine Abwehrmassnahmen trifft. Wiederholte Erkundigungen und mehrfache Informationen bei den Polizeibehörden und bei Privaten, was behördlicherseits gegen diese nicht ungefährliche Tätigkeit unternommen werde, ob gegen die Täter gefahndet und vorgegangen werde, haben übereinstimmend ergeben, dass die Täter zwar mit grosser Wahrscheinlichkeit bekannt seien, dass man sich aber in Regierungskreisen noch nicht darüber einig sei, ob gegen die Friedensstörer eingeschritten werden sollte oder ob man alle die Vorgänge unbeachtet lassen wolle, mit ändern Worten: Dass man sich noch nicht schlüssig darüber sei, was besser sei, gegen die Täter vorzugehen oder einfach abzuwarten, bis die Nationalsozialisten selbst ihrer eigenen Tätigkeit überdrüssig werden.
Das passive Verhalten der Regierungskreise entspringt offenbar einer bestimmten Angst-Psychose für den Fall einer eventuellen Einverleibung des Fürstentums ins Reichsgebiet! Die jüngste Zeit zeigt ihnen ja, was mit massgebenden Männern an verantwortungsvollen Posten geschieht, die nicht seit Jahr und Tag für den Nationalsozialismus Sturm gelaufen sind.
4. Vom jungen Fürsten wird verschiedentlich gesagt, dass er mindestens nicht gegen den Nationalsozialismus eingestellt sei. Auch hier knüpft die Öffentlichkeit die Vermutung an, der Fürst habe ja seine Besitzungen nicht in Liechtenstein selbst, sondern im heutigen Reichsgebiet.
5. Die hiesige Schweizerbevölkerung ist gegenüber den Umtrieben im Nachbarland Liechtenstein und ganz besonders gegenüber dem offensichtlich passiven Verhalten der Regierung ängstlich und kritisch eingestellt. Es wird nicht verstanden, dass behördlicherseits eine solch zuwartende Stellung eingenommen wird. Die Propaganda, die z. Zt. im Liechtensteinischen von einer Minderheit getrieben wird, wird als gefährlich empfunden und beurteilt.
Diese Stellungnahme ist, wenn wir die Interessen der Schweiz, die für sie im Fürstentum Liechtenstein liegen, die stark politischer und ebenso stark finanzieller Natur sind, in Betracht ziehen, durchaus verständlich.
Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen von meinen Beobachtungen und Feststellungen Kenntnis zu geben, Sie aber zu bitten, meine Mitteilungen diskret zu behandeln. - Ich habe die Informationen - nebst selbst gemachten Wahrnehmungen - wesentlich von behördlichen und polizeilichen Organen, mit denen ich ständig Zusammenarbeiten muss und auf deren Mithilfe ich besonders heute wesentlich in Grenzdienst-Angelegenheiten angewiesen bin.
- 1
- Ce rapport, en provenance du poste de Buchs, est signé: F. Gabathuler, Wachtm.↩
- 2
- (Copie): E 27, Archiv-Nr. 23318/Bd. 18. Betr. Nationalsozialistische Umtriebe in Liechtenstein.↩
Tags
Anschluss de l’Autriche (1938)