Classement thématique série 1848–1945:
XI. APPROVISIONNEMENT DE LA SUISSE EN TEMPS DE GUERRE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 136
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E6100A-16#1000/1916#115* | |
Old classification | CH-BAR E 6100(A)-16/1000/1916 11 | |
Dossier title | Umwandlung eines Teils des Goldbestandes der Nationalbank in Waren (Dossier Nr. 1044) (1937–1937) | |
File reference archive | F.28-10 |
dodis.ch/46396
An einer Besprechung zwischen Vertretern des eidgenössischen Finanzdepartements, des eidgenössischen Militärdepartements, des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und der Schweizerischen Nationalbank vom 18. August 1937 unterbreitete Herr Präsident, Professor Bachmann, den Vorschlag der Nationalbank, dem Bund zur Anlegung von Kriegsreserven an lebenswichtigen Gütern einen Reskriptionskredit von ca. 100 Millionen Franken zu eröffnen. Aus der Diskussion über diesen Vorschlag ergab sich die einhellige Überzeugung, dass die Schaffung von Reserven an Lebensmitteln und Rohstoffen eine zwingende Notwendigkeit sei. Die Vertreter des eidgenössischen Militärdepartements und des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements erhielten den Auftrag, mit möglichster Beschleunigung Berichte zuhanden des Finanzdepartements auszuarbeiten, aus denen sich die zu beschaffenden Vorräte und der dafür notwendige Finanzbedarf ergeben.
Das Oberkriegskommissariat hat auf Grund seiner Kenntnisse des Heeresbedarfs und der vorhandenen Heeresreserven seinen Bericht2 dem eidgenössischen Militärdepartement bereits vor einiger Zeit erstattet. Es verlangt darin für seine Zwecke 33 Millionen Franken. Der Bericht der kriegstechnischen Abteilung liegt zur Zeit noch nicht vor, doch nennt das Oberkriegskommissariat als voraussichtlichen Finanzbedarf der kriegstechnischen Abteilung 20 bis 30 Millionen Franken.
Der Unterzeichnete stand bei der Ausarbeitung eines entsprechenden Planes der für die schweizerische Wirtschaft (exklusive Heeresbedarf im engern Sinne) notwendigen Vorratshaltung vor Schwierigkeiten, die bis heute nicht zu überwinden waren. Sie liegen in erster Linie in der fehlenden Orientierung über die im Lande vorhandenen Vorräte an Gütern, welche im Kriegsfall für die Versorgung von Heer und Volk unentbehrlich sind. Die volle Orientierung über die einschlägigen Tatbestände wird erst zu erreichen sein, wenn einmal das gesetzliche Recht der Bundesstellen zu Bestandeserhebungen und periodischen Bestandesmeldungen und die entsprechende gesetzliche Auskunftspflicht der Träger der Wirtschaft bestehen. Die inzwischen vom Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in der interdepartementalen Konferenz vom 23. August 1937 angeordneten Bestandeserhebungen über 15 der für die Landesversorgung im Kriegsfall wichtigen Positionen sind noch nicht abgeschlossen. Die Bereitstellung der Resultate wird noch einige Zeit beanspruchen. Erst mit ihrer Kenntnis wird es möglich sein, sich einigermassen ein Bild der für die gesamte Volkswirtschaft erforderlichen vorsorglichen Vorratshaltung zu machen.
Eine Reihe von Überlegungen verbietet es jedoch, mit der weiteren Behandlung der durch die Nationalbank aufgeworfenen Frage zuzuwarten. Ich gestatte mir deshalb, Ihnen, Herr Bundesrat, heute einenzu unterbreiten, der eine grundsätzliche Stellungnahme enthält und geeignet sein soll, die Weiterbehandlung des Vorschlages der Schweizerischen Nationalbank sofort zu ermöglichen.I
Die folgenden Überlegungen mögen die Dringlichkeit der Beschlussfassung erhärten:
1. Die Entwicklung der politisch-militärischen Lage zwingt gegenwärtig alle Staaten zur vorsorglichen Lagerhaltung an jenen lebenswichtigen Gütern, die sie nicht selbst in genügendem Masse herzustellen in der Lage sind. Neue Berichte, insbesondere aus Schweden und England, belegen die grosszügige und weitsichtige Vorratspolitik des Auslandes.
2. Wir stehen in einem Umbruch der Preisentwicklung für wichtige Güter auf dem Weltmarkt, insbesondere für Rohstoffe und Nahrungsmittel. Der Zeitpunkt für grössere Anschaffungen scheint heute günstiger zu sein als noch vor wenigen Monaten, da heute für das selbe Geld höhere Warenbestände zu erwerben sind.
3. Das Fallen der Weltmarktpreise für wichtige Güter wird nach den Erfahrungen der Krisenjahre zur Folge haben, dass die in der Zeit der ansteigenden Preise nach der Abwertung eingetretene höhere Lagerhaltung in der Schweiz unter der gegenteiligen Markttendenz wieder abgebaut werden wird. Damit müsste sich unsere Vorratshaltung rasch verschlechtern. Es ist die Pflicht der verantwortlichen Stellen, dieser Entwicklung mit allen Mitteln entgegenzuwirken, und dazu bietet sich in der Verfolgung des Vorschlages der Nationalbank ein gangbarer Weg.
4. Meine Anstrengungen zur Abklärung der gegenwärtigen Lagerhaltung in der Schweiz haben mich in der Überzeugung bestärkt, dass wir in mancher Beziehung (Treibstoffe, Kolonialwaren) infolge von Bedarfsverschiebungen und von Strukturwandlungen des Handels für eine geringere Zeitspanne gedeckt sind als dies 1914 der Fall war. Insbesondere hält der Handel unter dem Druck einer spitzen Kalkulation, der Krisenentwicklung und der Kontingentierungspolitik gegenwärtig weit geringere Vorräte an Zucker, Kaffee, Mais, Reis, Ölen und Fetten, als dies früher der Fall war. Zusammen mit der weiteren, kriegswirtschaftlich bedenklichen Tatsache, dass wesentliche Teile der als «schweizerische Vorräte» gemeldeten Güter (Getreide, Futtermittel, Brennund Treibstoffe) an der Grenze lagern, ergeben diese Feststellungen eine im Hinblick auf die Landesversorgung im Kriegsfall ungenügende Vorratshaltung. Ihre Ergänzung, sei es durch Ankauf des Staates selbst, sei es durch die Förderung der Lagerhaltung in der privaten Hand, sowie die Verlegung der Grenzlager in das sicherere Landesinnere, verursachen hohe Kosten. Ihre Bestreitung verlangt die Bereitstellung neuer finanzieller Mittel für die wehrwirtschaftliche Vorsorge.
5. Das Angebot der Nationalbank zeigt, im Anschluss an ein ähnliches Vorgehen in Schweden, eine sehr interessante Finanzbeschaffungsmöglichkeit. Es scheint mir jedoch notwendig und berechtigt zu sein, die Bedingungen des Angebotes der Nationalbank - in erster Linie der Verzinsung - abzuändern. Die Nationalbank sucht heute die «Umwandlung von Gold in Waren», um ihre übergrossen Goldbestände zu verringern und damit ihr Risiko im Falle einer Goldentwertung zu vermindern. Die Abstossung von ca. 100 Millionen Franken in Gold liegt somit in ihrem ureigenen Interesse. Nach ihrem Vorschlag erhielte sie für das Gold Staatsschuldscheine (Reskriptionen). Dafür verlangt sie in ihrem Vorschlag L/2% Zins. Diese Forderung scheint mir aus mehrfacher Überlegung unberechtigt zu sein:
a) Solange die 100 Millionen Franken in Gold bei der Nationalbank liegen, tragen sie keinen Zins; wohl aber liegt in ihnen das Goldentwertungsrisiko. Durch die Umwandlung in Reskriptionen entfällt dieses Entwertungsrisiko, was die Nationalbank positiv wertet und deshalb sucht. b) Nicht die Nationalbank nimmt die Umwandlung von Gold in Waren vor, sondern der Staat, und dieser trägt nachher das hohe Preisrisiko der angeschafften Waren. c) Die Nationalbank stellt meines Wissens ihre Goldvorräte zur untern gesetzlichen Abwertungsgrenze in Rechnung. Die Entwertung des Schweizerfrankens steht aber heute zwischen dem gesetzlich fixierten Abwertungsminimum und -maximum. Somit könnte der Nationalbank bei Goldabgabe nach dem Ausland zum Zwecke von Warenankäufen für Rechnung des Bundes ein buchmässiger Gewinn entstehen, der die zinslose Darlehensgewährung für die kriegswirtschaftliche Vorratsvermehrung - ganz abgesehen von der Besonderheit dieser Zwecksetzung - rechtfertigen muss.II
Für die weitere Behandlung der Frage «Umwandlung von Gold in Waren» mache ich folgende Anregungen.
1. Es ergibt sich aus dem Bericht des Oberkriegskommissariats, den vorläufigen Überlegungen der kriegstechnischen Abteilung und des Unterzeichneten, dass die von der Nationalbank angebotenen 100 Millionen Franken nicht genügen werden, um alles vorzukehren, was im Interesse einer gesicherten Landesversorgung läge. Es sind deshalb die Unterhandlungen fortzusetzen, um sich mindestens diese willkommene Hilfe zu sichern.
2. Es soll in den Verhandlungen mit der Nationalbankleitung die zinslose Bereitstellung der angebotenen 100 Millionen Franken zu erreichen versucht werden.
3. Der bereitgestellte Kredit von 100 Millionen Franken soll ausschliesslich für kriegswirtschaftliche Zwecke dem für die Landesversorgung im Kriegsfall verantwortlichen Vorsteher des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zur Verfügung gestellt werden. Ein aus Vertretern des eidgenössischen Militärdepartements und des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements zu bestellendes Organ hätte auf Grund der eingereichten Pläne nach Massgabe der Dringlichkeit und der technischen und kommerziellen Bereitschaft von Fall zu Fall über die Verwendung des Kredites Antrag zu stellen. Durch die Verfügungsbefugnis des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ist auch die Verbindung zur eidgenössischen Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung hergestellt, deren Mittel für den Bau der notwendigen Lagervorrichtungen mitherangezogen werden sollen. Für die Verwendung des Geldes zur Steigerung der Lagerhaltung wird das im Entwarfs vorliegende «Bundesgesetz über die Sicherstellung der Landesversorgung an lebenswichtigen Gütern», welches u. a. die Lagerhaltung ordnet, die Rechtsgrundlage bilden.
4. Der Unterzeichnete wird auf Grund der zu erwartenden Ergebnisse der vom Oberkriegskommissariat und der Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements durchgeführten Bestandeserhebungen sobald als möglich einen detaillierten Plan für die kriegswirtschaftlich als notwendig zu betrachtende Vorratshaltung aufstellen. Die bisher bestehende technische Unmöglichkeit seiner Aufstellung darf die Weiterbehandlung der «Umwandlung von Gold in Waren» nach den skizzierten Überlegungen nicht verzögern. Das eidgenössische Finanzdepartement sollte deshalb eingeladen werden, die begonnenen Besprechungen fortzusetzen.
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