Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 267
volume linkBern 1982
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1533#3614* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(C)1000/1533 147 | |
Dossier title | Verhandlungen u. Erörterungen betr. ein Kreditabkommen zwischen deutschen Schuldnern u. deren Gläubigern, Transfermoratorium I, II (1932–1933) | |
File reference archive | C.42.45.a • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/45809
Seitdem die Vereinigten Staaten die Goldwährung verliessen, hat die Schweizerische Nationalbank in der Zeit vom 19. April. bis zum 6. Mai., d.h. also während etwa 2/2 Wochen für über eine Milliarde französische Franken den schweizerischen Banken und Bankiers, sowie an ausländische Banken abgeben müssen. Es ist dies der Gegenwert von über 200 Millionen Schweizerfranken, der zu etwa 4/5 an schweizerische Grossbanken und Bankiers und zu einem kleineren Teil an ausländische Banken geflossen ist. Wieviel von diesem Betrage für eigene Rechnung, für inländische Rechnung (Private und Industrie), sowie ausländische Rechnung Verwendung fand, entzieht sich unserer Kenntnis. Nur mit Hilfe dieser Intervention war es möglich, die Devise Paris auf dem Goldexportpunkt von Schw. Fr. 20,38 für 100 französische Franken zu halten. Diese starke Entnahme, die einer Verminderung des Goldbestandes von gegen 200 Millionen Schweizerfranken nach sich zog, hat ihren Grund im Umstande, dass Frankreich nunmehr das einzige Land ist, das seine Noten auf Verlangen in effektivem Golde einlöst. Auswärtige Fluchtkapitalien, die in der Schweiz bei Banken, Holding- und Finanzgesellschaften Zuflucht genommen haben, sowie Guthaben von schweizerischen Handels- und Industrieunternehmungen sind vielfach in Gold umgewandelt worden. Da aber die Schweizerische Nationalbank selber Gold nicht abgibt, so musste dies auf dem Wege über die Devise Paris geschehen. Die schweizerischen Banken selbst haben diese Flucht ins Gold, wie der Nationalbank durch verschiedene Beispiele bekannt ist, unterstützt. Nach unserer, freilich unzulänglichen Zusammenstellung, ist im April allein von den schweizerischen Banken für 47,7 Millionen Schweizerfranken Gold nach der Schweiz eingeführt worden für sich und ihre Kunden. Es ergibt sich dadurch für die Banken ein sehr lukratives Geschäft, indem der verängstigte Kapitalist nicht nur die Devise Paris zu einem den Goldexportpunkt von 20,38 ansehnlich überschreitenden Kurse zu zahlen bereit ist, sondern für das Gold selbst einen Überpreis bezahlt und ferner bereit ist, auch die Spesen des Goldtransportes und der Goldeinlagerung willig auf sich zu nehmen. Die Nationalbank hat auch von Belehnungen solcher Goldbezüge durch die Banken zu Gunsten ihrer Kunden Kenntnis erhalten. Ja die Tätigkeit der Banken geht sogar bis zur Einladung ihrer Kunden auf dem Zirkularwege zur Veräusserung schweizerischer Bundes- und anderer Obligationen und Umwandlung des Erlöses in Gold. Die Nationalbank hat diesem Verhalten der Banken gegenüber bis jetzt keine Stellung bezogen, es sei denn, dass bei Gelegenheit von Besuchen und Telephongesprächen der eine oder andere Bankenvertreter auf diese Vorgänge aufmerksam gemacht wurde, mit dem Hinweis auf das der Schweizerwährung abträgliche Ergebnis eines solchen Verhaltens. Ist es weniger der Betrag, um den der Goldbestand der Nationalbank dadurch verkürzt wurde, so fällt dafür umso mehr ins Gewicht, dass diese Abzüge nicht zur Begleichung von Auslandguthaben erfolgen, sondern zu Zwecken der Thesaurierung im Inland. Das Verhalten der Banken läuft im gegenwärtigen Zeitpunkte auf eine Schwächung, ja, soweit es sich um Bevorschussung von Goldbezügen handelt, gar auf eine Spekulation à la baisse des Schweizerfrankens hinaus. Es mag zugegeben werden, dass die Banken im Eifer des Geschäftes sich dieser, dem Schweizerfranken in der Wertung bei ihrem in- und ausländischen Kundenkreis schädigenden Wirkung nicht bewusst werden. Die Leitung der Nationalbank muss sich Vorbehalten, je nach der Entwicklung der Dinge von sich aus bei einzelnen Banken oder bei den Banken im allgemeinen vorstellig zu werden. Sie muss sich auch Vorbehalten, unter Umständen die Bundesbehörden um die Vornahme geeigneter Schritte anzugehen. Die Sachlage wird für die Nationalbank zur Zeit dadurch erschwert, dass leider bis jetzt eine Auskunftpflicht der Banken gegenüber der Nationalbank nur in beschränktem, für heutige Verhältnisse durchaus ungenügendem Masse statuiert ist.
Die gegenwärtige Lage erfährt dadurch noch eine Verschärfung, dass von Deutschland her die Gefahr eines sogenannten Transfer-Moratoriums immer näher rückt. Die Zeitungen berichten von einer Erklärung des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht bei seiner Ankunft in Washington, die dahin geht, Deutschland werde kein Zahlungsmoratorium verlangen, jedoch die Zahlungen weiterhin nur in Reichsmark vornehmen, wenn «nicht bald eine nachhaltige wirtschaftliche Besserung eintrete». Diese selbe Auffassung ist dem Erstunterzeichneten2 bereits vom Ministerialdirektor Reichardt im Reichswirtschaftsministerium in einem persönlichen Schreiben vom 19. April3 kundgegeben worden. In der amtlichen Zusammenstellung der Auslandverschuldung Deutschlands nach dem Stande vom 30. September 1932 wird die Verschuldung nach der Schweiz in der Höhe von ca. 3 Milliarden Reichsmark Kapital und, für die Zeit vom 1. Oktober 1932 bis 30. September 1933, 194 Millionen Zinsen und Kapitaltilgungsbeträge angegeben. Es ist bekannt, dass weitaus der grösste Teil dieser Forderungen auf die schweizerischen Banken fällt und es lässt sich leicht denken, wie stark nicht nur die materiellen Rückwirkungen für die schweizerischen Gläubiger sein werden, wenn Zinsen und Kapitalabzahlungen der deutschen Schuldner nicht mehr nach der Schweiz überführt werden können, sondern wieviel grösser die psychologische Wirkung in der Wertung des Schweizerfrankens, namentlich im Ausland sein wird. Sieht das Ausland den Schweizerfranken vor allem durch die hohen Preise und Löhne und die teuere Lebenshaltung bedroht, so spielt doch dabei der Umstand der übermässig grossen Forderungen unserer Banken an Deutschland eine bedeutsame Rolle. Es ist vor allem Frankreich, dann England und Amerika, die auf diesen wunden Punkt immer wieder den Finger legen. Die Nationalbank möchte deshalb erneut den Bundesrat auf die bereits in dem Memorandum vom 8. Oktober 19323 enthaltenen Anregungen einer Verwertung der Einfuhr der Schweiz aus Deutschland zum Ausgleich von Finanzforderungen der Schweiz an Deutschland aufmerksam machen.
Die Situation für die schweizerische Valuta wird durch die vom Inland ins Ausland und umgekehrt wieder vom Ausland ins Inland getragenen Zweifel immer ernster. Die starken Verkäufe von Obligationen-Paketen aus Auslandbesitz ziehen solche von schweizerischem Besitz nach sich. Die durchschnittliche Rendite der Bundesobligationen hat sich in der Zeit vom 19. April bis 5. Mai von 3,7% auf 4,2% erhöht. Eine beginnende Flucht in die Sachwerte kündigt sich durch das brüske Ansteigen der Aktienkurse unserer ersten schweizerischen Industrieunternehmungen an. Die Leitung der Nationalbank ist der festen Überzeugung, dass dem Schweizerfranken nichts geschehen kann, wenn nicht das schweizerische Publikum selbst das Zutrauen zu seiner Währung verliert und sich des Schweizerfrankens über Hals und Kopf entäussern will. Die schweizerischen Banken aber sollten sich dessen bewusst werden, dass sie mit ihrem Ansturm auf das Gold heute am meisten gegen den Schweizerfranken arbeiten. Statt, dass sie dieses Gold der Notenbank zur Befriedigung des Auslandes, das seinerzeit das Gold nach der Schweiz gebracht hat, überlassen, jagen sie den Schweizer aus seiner Landeswährung und seinen Schweizer-Obligationen und lassen ihn in das Gold flüchten. Wenn hier allgemein in diesem Sinne von den Banken gesprochen wird, so mag beigefügt sein, dass es wohl Kreditinstitute gibt, die diesem Treiben mehr oder weniger fernstehen, dass aber bis jetzt der Notenbank keine bekannt wurden, die es gewagt hätten, in der Bankiervereinigung auf die Gefahren eines solchen Vorgehens aufmerksam zu machen4.
- 1
- Lettre (Copie): E 2001 (C) 3/147. Lettre signée par G. Bachmann et E. Weber.↩
- 2
- G. Bachmann.↩
- 3
- Non retrouvé.↩
- 4
- Pendant les jours qui suivent, la situation du franc suisse ne s’améliore pas et la demande de francs français de la part des financiers suisses continue, ainsi que le montre la lettre de Bachmann à Musy du 13 mai suivant: [...] Bis zum 12. Mai sind in dieser Woche wiederum für mehr als 400 Millionen französische Franken uns entnommen worden, so dass die Goldverluste seit dem 19. April bis heute sich auf 327 Millionen Schweizerfranken belaufen. Zu den Abzügen in der Form des Aufkaufs der Devise Paris tritt nun in stärkerem Masse der Verkauf von Schweizerfranken in Paris. Es sind die Banken, aber auch die Finanz- und Trustgesellschaften, sowie eine Reihe grösserer schweizerischer Industrie-Gesellschaften, die in dieser Weise vorgehen. [...] (E 6100 (A), Archiv-Nr. 454).↩