Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
24. Spanien
24.1. Handelsvertragsverhandlungen
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 9, doc. 453
volume linkBern 1980
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12410* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 01.01.-04.01.1929 (1929–1929) |
dodis.ch/45470 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 4. Januar 19291
23. Handelsvertragsverhandlungen mit Spanien
Am 16. November v. Js. nahm der Bundesrat davon Vormerkung, dass Spanien die Handelsübereinkunft mit der Schweiz vom 15. Mai. 1922 auf 31. Dezember 1928 gekündigt hatte2.
Der Grund dieser Kündigung war bekanntlich die durch die spanische Regierung in den letzten Jahren wiederholt bekanntgegebene Absicht, alle noch bestehenden vertraglichen Vereinbarungen, durch die spanische Zölle ermässigt oder gebunden wurden, zu beseitigen und fortan keine vertraglichen Zollzugeständnisse mehr zu gewähren. In gleicher oder ähnlicher Weise wie gegenüber der Schweiz wurde denn auch gegenüber allen ändern Ländern vorgegangen, die noch Tarifverträge mit Spanien besassen.
Trotz der Kündigung wurden die Verhandlungen über die Neuregelung der schweizerisch-spanischen Handelsbeziehungen fortgesetzt. Sie wurden in letzter Zeit dadurch erleichtert, dass entgegen den vorher immer wieder erlassenen Erklärungen die spanische Regierung Ende November beschloss, den in Vorbereitung befindlichen neuen Zolltarif nicht schon auf 1. Januar, sondern erst auf 1. Oktober 1929 in Kraft zu setzen. Für die Zwischenzeit von 9 Monaten sollte ein sogenannter Übergangstarif gelten, der im allgemeinen der zweiten Tarifkolonne (= Minimaltarif ohne bisherige vertragliche Zollermässigungen) entsprechen würde. Immerhin liess die Regierung durchblicken, dass in bezug auf bisherige Vertragspositionen eine gewisse Milderung der neuen autonomen Zölle nicht ausgeschlossen wäre.
Gestützt auf diese Ankündigung machte das Volkswirtschaftsdepartement den Versuch, Sicherungen hinsichtlich der vollständigen Einverleibung aller bisherigen vertraglichen Tarifzugeständnisse an die Schweiz in den Übergangstarif zu erlangen3. Seine Bemühungen mussten aber leider erfolglos bleiben, weil, wie schon in frühem Anträgen erwähnt, die Hauptabnehmer spanischer Erzeugnisse in Europa - Grossbritannien, Frankreich und Deutschland - schon vor anderthalb bis zwei Jahren dem spanischen Begehren um Verzicht auf alle ihnen vertraglich zustehenden Bindungen und Ermässigungen spanischer Zölle entsprochen hatten und alle noch verbleibenden Vertragsstaaten ausser der Schweiz sich anschickten, sich mit Spanien auf einer ähnlichen Grundlage zu verständigen.
Erst am 28. Dezember erhielt das Volkswirtschaftsdepartement endlich einen spanischen Gegenvorschlag4, der zum grössern Teil als annehmbar erschien. Zu Bedenken gab aber vor allem die Absicht der spanischen Regierung Anlass, den Zoll auf Käse von Goldpes. 0.70 auf Goldpes. 1.50 per kg zu erhöhen, d.h. vom bisherigen Vertragsansatz auf den Ansatz des autonomen Minimaltarifs (sogen. 2. Tarif). Wenn auch spanischerseits geltend gemacht wurde, dass es sich hier um ein innenpolitisch absolut notwendiges Zugeständnis an die einheimische Landwirtschaft handle und man an das wohlwollende Verständnis des Bundesrats appellierte, so versuchte das Volkswirtschaftsdepartement trotz der Knappheit der noch zur Verfügung stehenden Zeit, eine Reduktion zu erwirken. Vergeblich. Es wurde unserer Gesandtschaft erwidert, dass, abgesehen von den bereits erwähnten Gründen innenpolitischer Natur, die Berücksichtigung unseres Gesuches auch deshalb nicht in Frage kommen könne, weil eine Änderung des bereits genehmigten Übergangstarifs vor dem 1. Januar nicht mehr möglich wäre.
Da einerseits keine Zeit mehr zu verlieren war, wenn man einen vertragslosen Zustand vermeiden wollte und anderseits die an der Käseausfuhr nach Spanien interessierten Kreise einen Zoll von Goldpes. 1.50 per kg der Anwendung des spanischen Maximaltarifs (für Käse Goldpes. 4.50 per kg) oder gar einem eigentlichen Zollkrieg vorzogen, hat das Volkswirtschaftsdept. unsern Gesandten in Madrid ermächtigt, ein Abkommen unter folgenden Bedingungen provisorisch zu unterzeichnen:
1. Die Beilagen A (schweizerische Zölle), B (spanische Zölle) und C (spanische Tarifnummern, für die die Schweiz die Meistbegünstigung geniesst) der Handelsübereinkunft von 1922 fallen dahin5.
2. An Stelle der einseitig zu Lasten der Schweiz beschränkten Meistbegünstigung tritt die gegenseitige uneingeschränkte Meistbegünstigung.
3. In einem Zusatzprotokoll zur Übereinkunft von 1922 wird schweizerischerseits die Erklärung abgegeben, dass während der Dauer des Zusatzabkommens6 die bisherigen Vertragszölle für die im Protokoll aufgeführten Tarifnummern autonom aufrecht erhalten werden (es sind dies alle bisherigen Ansätze der Beilage A zur Übereinkunft von 1922, mit Ausnahme der Positionen 38 (Mandeln), ex 39 a (Nüsse) und 1044 (Kupfervitriol) und mit der Einschränkung der Vertragspos. 39 b in dem Sinne, dass deren Vertragszoll nur noch für Bananen beansprucht wird).
4. Im gleichen Zusatzprotokoll wird spanischerseits erklärt, dass bis zum 1. Oktober 1929, Datum des Inkrafttretens des neuen spanischen Zolltarifs, die bisherigen Vertragszölle und Vertragsanmerkungen für die im Protokoll aufgeführten Tarifnummern autonom mit transitorischem Charakter beibehalten werden (es sind dies ein Teil der bisherigen Ansätze sowie alle Anmerkungen der Beilage B zur Übereinkunft von 1922).
5. Alle nicht durch das Zusatzabkommen abgeänderten Bestimmungen der Handelsübereinkunft von 1922 bleiben in Kraft.
6. Sowohl das Hauptabkommen als auch das Zusatzabkommen kann jederzeit auf einen Monat gekündigt werden.
Was diejenigen spanischen Tarifnummern der Beilage B zur Übereinkunft von 1922 anbelangt, deren bisherige Vertragszölle nicht aufrecht erhalten bleiben, so sind für beinahe alle im spanischen Übergangstarif neue Ansätze festgesetzt worden, die zwischen den bisherigen Vertragszöllen und den Ansätzen des spanischen autonomen zweiten Tarifs liegen. Für die meisten dieser Positionen ist die Erhöhung gegenüber den Vertragszöllen mässig und durchaus tragbar, was auch von den schweizerischen Interessenten ohne weiteres zugegeben wird. Am stärksten betroffen wird der Käse, doch ziehen, wie bereits erwähnt, die massgebenden Verbände den neuen Zoll von Goldpes. 1.50 begreiflicherweise dem im Falle eines vertragslosen Zustandes automatisch zur Anwendung gelangenden Maximalansatzes von Goldpes. 4.50 per kg vor und sie haben auch keine Lust, es im gegenwärtigen Augenblick auf einen Zollkrieg mit Spanien ankommen zu lassen.
Unter diesen Umständen war die schweizerische Stellungnahme gegeben: Abschluss eines Abkommens auf der hiervor skizzierten Grundlage, mit Gültigkeit ab 1. Januar 1929, um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden.
Kurz zusammengefasst, sind demnach auf 1. Januar 1929 in den Handelsbeziehungen mit Spanien folgende Änderungen eingetreten:
a) Spanien verliert praktisch nichts, denn der Verzicht auf einige bisherige Bindungen schweizer. Zölle wird sich praktisch nicht auswirken, weil die Positionen 38, ex 39 b und 1044 noch gegenüber ändern Ländern (Pos. 1044 sogar auf stärker ermässigtem Niveau) gebunden sind und bei Pos. 39 b der weitaus grösste Teil der Einfuhr auf die weiterhin gebunden bleibenden Bananen fällt, sodass sich eine Zollerhöhung für den Rest kaum lohnen würde.
b) Die Schweiz gewinnt an Stelle der bisher beschränkten Meistbegünstigung die volle Anwendung dieser Klausel, was allerdings mehr ein moralischer Erfolg ist, da die bisherige beschränkte Meistbegünstigung praktisch genügte.
c) Die Schweiz muss dagegen einige Zollerhöhungen in Kauf nehmen. Diese sind aber im allgemeinen sehr viel bescheidender, als man bis in die letzten Tage des vergangenen Monats befürchten musste. Es ist dies umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Grossstaaten und Grossabnehmer spanischer Produkte wie Frankreich, Deutschland und Grossbritannien seinerzeit auf alle vertraglich erworbenen spanischen Zollermässigungen verzichteten und sich mit der Anwendung des zweiten Tarifs zufrieden gaben, soweit sie nicht aus den Verträgen Spaniens mit der Schweiz und ändern Drittstaaten kraft der Meistbegünstigung noch gewisse Vorteile zogen.
d) Die Kündigungsfrist wurde von drei Monaten auf einen Monat herabgesetzt. Nur eine derart verkürzte Kündigungsfrist wird uns im Falle, dass der für den 1. Oktober 1929 angekündigte neue spanische Tarif unannehmbar sein sollte, erlauben, mit der nötigen Raschheit zu handeln.
Dass im Übergangstarif auch eine Reihe von Vertragszöllen, die Spanien ändern Ländern, wie z. B. Italien, Schweden und Österreich zugestanden hatte, auf gleicher Höhe oder nur leicht erhöhtem Niveau festgesetzt wurden, kommt im Wege über die Meistbegünstigung unserer Ausfuhr nach Spanien ebenfalls zugute.
Es wäre daher auf Seiten des schweizer, industriellen und landwirtschaftlichen Exports kaum verstanden und noch weniger begrüsst worden, wenn wir eine Neuregelung der Handelsbeziehungen zu Spanien weiter hinausgeschoben und es auf eine Kraftprobe hätten ankommen lassen wollen. Die Tatsache, dass im Jahre 1927 einer schweizer. Ausfuhr nach Spanien von 63 Millionen Franken eine Einfuhr aus Spanien von nur 42,2 Millionen gegenüberstand und dass im Jahre 1928 der Export nach Spanien eine weitere beträchtliche Erhöhung erfahren hat, liess es ebenfalls als opportun erscheinen, Spanien die Hand zu einer Verständigung zu reichen.
Das Volkswirtschaftsdept. liess das Zusatzabkommen durch unsern Gesandten in Madrid nicht unterzeichnen, ohne einen Protest gegen die starke Zollerhöhung für Käse einzulegen. Dies bewog den spanischen Regierungschef zu einem Alternativvorschlag, der dahinging, Spanien würde den Käsezoll auf Fr. 1.25 festsetzen, wenn die Schweiz auf die Nota bene verzichtet, welche im jetzigen Vertrag einzelne industrielle Zölle des spanischen Tarifs auslegen. Unser Gesandter erklärte, dass er, mangels an Instruktionen, auf diesen Vorschlag nicht eintreten könne und Unterzeichnete die Vereinbarung laut Entwurf. Nun sollte sich der Bundesrat über den spanischen Vorschlag aussprechen. Das Volkswirtschaftsdepartement wünscht, bevor es einen Antrag stellt, die interessierten Kreise anzuhören. Obwohl die nötige Frist von 10 Tagen von der spanischen Regierung nicht zu erlangen war, wird die Frage vom Departement weiter verfolgt. Mittlerweile steht seit 1. Januar die neue Vereinbarung so in Kraft, wie sie von Herrn Minister de Stoutz und Primo de Rivera am 31. Dezember provisorisch unterzeichnet wurde und wie sie hiervor dargelegt wurde.
Es handelt sich nun darum, unserm Gesandten in Madrid die bundesrätliche Ermächtigung zur formellen Unterzeichnung des am 31. Dezember vereinbarten Zusatzabkommens zu erteilen, das mit seiner Kündigungsfrist von nur einem Monat ganz den Charakter eines Provisoriums trägt.
Es wird daher beschlossen:
1. Der Bundesrat nimmt von den vorstehenden Ausführungen des Volkswirtschaftsdepartements über die Neuregelung der schweizerisch-spanischen Handelsbeziehungen ab 1. Januar 1929 in zustimmendem Sinne Vormerkung.
2. Herr Minister de Stoutz wird beauftragt, der spanischen Regierung zu erklären, der Bundesrat sei bereit, den in letzter Stunde gemachten Vorschlag (Herabsetzung des spanischen Käsezolls gegen Unterdrückung der Interpretationen zu einigen Positionen wie sie von der Schweiz verlangt wurden) zu prüfen, sei aber erst in einigen Tagen in der Lage, dazu Stellung zu nehmen7.
3. Die Bundeskanzlei wird beauftragt, Herrn Minister de Stoutz in Madrid eine Vollmacht zur Unterzeichnung des am 31. Dezember 1928 vereinbarten Zusatzabkommens zur Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Spanien vom 15. Mai. 1922 zuzustellen.
Ein Schreiben des Ministers Marquis de la Torrehermosa wird wie folgt beantwortet:
«Monsieur le Ministre,
Très sensible à l’aimable message qu’à l’occasion de la signature de l’accord commercial entre la Suisse et l’Espagne, vous avez bien voulu m’adresser au nom de Son Excellence le Lieutenant Général Marquis de Estella, j’ai l’honneur de vous en exprimer mes plus vifs remerciements.
Je serais très reconnaissant à Votre Excellence d’assurer au Président du Conseil des Ministres d’Espagne que c’est avec une grande satisfaction que j’ai appris la conclusion de l’accord dont il s’agit. Je me permets d’exprimer l’espoir qu’à l’expiration du régime provisoire, un traité pourra être conclu dans des conditions satisfaisantes pour les deux parties. [...] »
- 2
- Vgl. BR-Protokoll vom 16.11.1928 (E 1004 1/313).↩
- 3
- Das Volkswirtschaftsdepartement hatte der schweizerischen Gesandtschaft in Madrid am 3.12.1928 einen diesbezüglichen Vorschlag zu einem Modus vivendi übermittelt (E 7110 1/115), den diese am 5.12.1928 an die spanischen Behörden weiterleitete.↩
- 4
- Die schweizerische Gesandtschaft übermittelte den spanischen Gegenvorschlag dem Politischen Departement zuhanden der Handelsabteilung mit Telegramm vom 27.12.1928 (E7110 1/115).↩
- 5
- Beilagen A, B und C in: BBl 1922, II, S. 15 Iff.↩
- 6
- Text des Zusatzabkommens (Modus vivendi zur Revision der Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Spanien vom 15. Mai 1922) vom 31.12.1928 und der gleichzeitig vereinbarten Erklärung in: AS 1929, NF 45, S. 15ff.↩
- 7
- Das Volkswirtschaftsdepartement und der Gesamtbundesrat gelangten zum Schluss, dass die Schweiz nicht auf den spanischen Vorschlag eingehen könne, wie aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 8.1.1929 hervorgeht (E 1004 1/314, Nr. 54). Am gleichen Tag teilte die Handelsabteilung der schweizerischen Gesandtschaft in Madrid telegraphisch mit: Conseil fédéral a examiné aujourd’hui attentivement dernière proposition alternative espagnole. Comme réduction offerte sur le fromage est absolument insuffisante et que droit de 1.25 qui frapperait le fromage est toujours considéré comme beaucoup trop élevé, il est impossible de renoncer en échéance aux importantes notes et à ad. C’est pourquoi nous repoussons proposition alternative et insistons pour que l’accord soit maintenu tel qu’il a été convenu et signé (E 7110 1/115). Der Bundesrat genehmigte den definitiven Text des Modus vivendi in seiner Sitzung vom 22.1.1929. Im Protokoll wird ausgeführt: [...] Obwohl das Abkommen als Modus vivendi zur Abänderung der Handelsübereinkunft von 1922 bezeichnet wird, ist es doch nicht als Zusatzabkommen, sondern als ein neuer Vertrag zu betrachten; denn die Handelsübereinkunft von 1922 wurde durch Spanien auf 31. Dezember 1928 gekündigt und diese Kündigung wurde nie formell zurückgezogen. Die Übereinkunft von 1922 lebte einfach durch den Modus vivendi vom 31. Dezember 1928 zum Teil neu auf. Dieser Modus vivendi soll beim Inkrafttreten des neuen spanischen Zolltarifs, der auf 1. Oktober 1929 angekündigt wird, ohne weiteres ausser Kraft treten. Er kann aber auch schon vorher jederzeit auf einen Monat gekündigt werden. Nach ständiger Praxis ist der Bundesrat ermächtigt, solche vorläufige Abkommen von sich aus abzuschliessen und zu genehmigen. Im vorliegenden Falle liegt um so weniger Grund vor, von dieser Praxis abzugehen, als, wie bereits gesagt, der Modus vivendi mit Spanien sehr kurz befristet ist und zudem schon jetzt die Möglichkeit der jederzeitigen Kündigung auf einen Monat besteht (E 1004 1/314, Nr. 158). – Die auf 1.10.1929 angekündigte Inkraftsetzung des neuen spanischen Zolltarifs unterblieb und der bisherige Tarif wurde auf unbestimmte Zeit verlängert (GBer 1929, S. 520).↩
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