dodis.ch/45122
Der Vorsteher des Politischen Departementes,
G. Motta, an den schweizerischen Gesandten in
Rom,
G. Wagnière1
Wir beziehen uns auf Ihr Schreiben vom 10. September dieses Jahres2, mit dem Sie uns die Antwort der italienischen Regierung3 auf unsere Vorstellungen wegen der Grenzverletzung vom 11. August d.J. bei Sta Margherita-Gandria übermitteln. Das Ministerium des Auswärtigen erklärt darin, ohne dem Ergebnis der schwebenden Untersuchung vorgreifen zu wollen, habe es die zuständigen Behörden angewiesen, die Zollbeamten grundsätzlich an die frühem strengen Vorschriften zur Vermeidung irgendwelcher Zwischenfälle zu erinnern; gleichzeitig wird der Erwartung Ausdruck gegeben, die zuständigen schweizerischen Behörden werden ihrerseits für ähnliche Möglichkeiten auch die schweizerischen Grenzwächter «per ogni buon fine» an die entsprechenden Dienstvorschriften erinnern.
Wir beehren uns, Ihnen in Beantwortung dieser Note Folgendes zu zweckentsprechender Verwertung für Ihre neuen Vorstellungen bei der italienischen Regierung zur Kenntnis zu bringen.
Die schweizerischen Zollbehörden haben keine Meldung darüber erhalten, dass sich schweizerische Grenzwächter bisher irgendwelche Verletzungen des italienischen Staatsgebietes hätten zuschulden kommen lassen. Die schweizerischen Grenzorgane kennen den Verlauf der Grenzlinie sehr genau, und es steht kaum zu befürchten, dass sie, sei es aus Unkenntnis, sei es absichtlich, Grenzverletzungen begehen, zumal sie wissen, dass derartige Übertretungen auf Grund der bestehenden Vorschriften strenge geahndet würden. Um auch ihrerseits nichts zu unterlassen, was zur Vermeidung derartiger Zwischenfälle erforderlich ist, haben die schweizerischen Behörden, trotz dem geschilderten Sachverhalte, Befehl gegeben, dass den schweizerischen Wachtposten an der italienisch-schweizerischen Grenze die geltenden Vorschriften in Erinnerung gerufen werden.
Andererseits hat es den Anschein, dass die in der italienischen Note vom 9. September d.J. erwähnten Weisungen der italienischen Behörden nicht alle italienischen Grenzposten erreicht haben oder dass ihnen nicht überall mit dem wünschbaren Ernste nachgelebt werde. Dessen zum Zeugnis schliessen wir diesem Schreiben bei je eine Abschrift eines Berichtes
1) des Wachtpostens Sonvico (nördlich von Lugano) vom 3. dies,
2) des Chefs der Wachtposten des 4. Zollkreises vom 5. dies und
3) der Direktion des 4.Zollkreises vom 6. dies4.
Es erhellt daraus, dass auf der Grenzlinie zwischen dem Luganer See und den Tessiner Tälern Capriasca und Colla, vorzüglich in der Gegend der vom Val Solda herkommenden Bergübergänge Pian di Scagno (AlpeBolla) und des Passo del Pairolo, Grenzverletzungen durch italienische Grenzwächter in den letzten zwei Monaten geradezu an der Tagesordnung sind. Die im vorerwähnten Berichte vom 5. ds. unter den Ziffern 1 bis 5 enthaltenen Einzelheiten geben darüber hinreichend Aufschluss. Dazu kommt die Grenzverletzung westlich des Pairolo [...], über welche Sie in den Beilagen alles Nähere finden wollen.
Wir dürfen Sie ersuchen, das in den Beilagen enthaltene Material der italienischen Regierung zur Kenntnis zu bringen und ernstlich darauf zu dringen, dass die Wachtposten des in Rede stehenden Grenzabschnitts zur peinlichen Respektierung der Landesgrenze verhalten werden. Hierauf muss um so mehr bestanden werden, als sich die schweizerische Grenzbevölkerung nicht zu Unrecht über diese ständigen Grenzübertritte aufhält und als es angezeigt ist, die erforderlichen Vorbeugungsmassnahmen zu ergreifen, bevor die gelegentlichen leichten Reibereien zu ernsteren Zwischenfällen ausarten.
Im übrigen dürfte es, zur Vermeidung von Racheakten durch die italienischen Grenzwächter, angebracht sein, wenn Sie in Ihrer Note die Namen der schweizerischen Zivilzeugen nicht angeben5.