Language: ns
9.6.1944 (Friday)
BAR E 1301(-) -/I, 360
Sitzung Nationalrat, Freitag, 9.6.1944,
[Nicht im Stenografischen Bulletin]
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Sitzung Nationalrat, Freitag, 9.6.1944,
[Nicht im Stenografischen Bulletin]



Traktandum: Geschäftsbericht des Bundesrates 1943, S. 231ff.



Finanzdepartement; Eidgenössische Finanzverwaltung


Duttweiler (LdU): Kritisiert den staatlichen Kapitalexport des Finanz- und Zolldepartements. Duttweiler kritisiert ,dass im Abkommen von 1941 mit Deutschland nicht politische sondern geschäftspolitische Art den Ausschlag gaben. Duttweiler: «Man ist viel weiter gegangen als der Vertrags überhaupt verlangte. Gewisse Exporte wurden einbedungen, welche vom Vertragspartner gar nicht verlangt wurden. Man wollte doch Waren exportieren, an denen wir ein Interesse hatten. Wer ist das wir? Das sind Interessentenkreise, die Waren exportieren und Geschäfte machen wollten. Das ist zu kritisieren. Das hat jenen vorgesehenen Clearingsaldo auf 800 Millionen Franken hinaufgeschraubt. Dieser Betrag wurde publiziert. Ich verrate damit also kein Geheimnis.»
Woran sich Duttweiler stört, ist, dass die Exporteure ein gutes Geschäft mit staatlicher Garantie machen konnten, ohne dass deren Geschäfte der staatlichen Preiskontrolle unterstanden waren. «Dem Importeur mutet man aber zu, dass er die letzten geheimsten Angaben dem Staate mache, um seine Kalkulationen zu überprüfen. Dem Exporteur aber gestattet man irgend einen Zuschlag und der Staat honoriert ihn nachher und transferiert diese Gewinne franko Haus und übernimmt dagegen ausserordentlich zweifelhafte Guthaben, wenigstens soweit es die Exporte nach den Achsenländern betrifft.
Man vergleiche das Verhalten des Staates gegenüber den Importeuren einerseits und gegenüber den Exporteuren anderseits. Dem Exporteur hat der Staat, wie ich es ausgeführt habe, die Gewinne transferiert; dem Importeur hat man, wenn er billig einkaufte und diese Waren billig abgeben wollte, erklärt: Nein, Du darfst diese Waren nicht billig verkaufen; das bedeutet eine Propaganda zum Nachteil der Konkurrenten, der teuer eingekauft hat. Du musst die Gewinne nach Bern schicken. Das steht in einem deutlichen Gegensatz zum Verhalten des Exporteur.»

Bundesrat Nobs wies dann den Vorwurf zurück, dass die Verwaltung und der Bundesrat mit den Clearingabkommen das Parlament nicht genügend informiert habe: «Wenn hier die Frage des Kapitalexportes mit dem Clearing berührt worden ist, so möchte ich nur darauf hinweisen, dass die beiden Vollmachtenkommissionen und die beiden Finanzkommissionen darüber ganz genaue Aufschlüsse bekommen haben. Es ist da vor Ihren Instanzen nichts zu verbergen. Die Kommissionen haben auch in zustimmendem Sinne von diesen Aufschlüssen des Bundesrates Kenntnis genommen.»

Volkswirtschaftsdepartement, Handelsabteilung


Stampfli antwortet auf Duttweilers Vorwürfe, dass der Bundesrat im Abkommen von 1941 mit Deutschland zu weit entgegengekommen sei und die Exporteure einseitig begünstigt würden:
«Nun hat Herr Nationalrat Duttweiler auch noch Kritik geübt an unseren Clearingabkommen. Er hat vor allem beanstandet, dass wir die Transferierung der Gewinne der schweizerischen Exporteure im Zahlungsverkehr mit Deutschland zugelassen hätten. Herr Nationalrat Duttweiler könnte wissen, dass wir jedenfalls wiederholt versuchten, zu erreichen, dass ein Teil der Guthaben der schweizerischen Exporteure gegenüber Deutschland von den Exporteuren in Selbstbehalt genommen wird. Wir haben einmal von einem Viertel gesprochen, der nicht transferiert werden sollte; wir stiessen aber auf den allerentschiedensten Widerstand der Gegenseite, aus leichtbegreiflichen Gründen. Das haben sich die Deutschen auch gesagt, dass wenn der Exporteur einen Viertel des Verkaufserlöses nicht transferiert erhält und dafür das Risiko tragen müsse, werde er seine Lieferungen sofort einstellen. Das hat sich den auch bestätigt während des vertragslosen Zustandes. Das haben die Deutschen mit mathematischer Sicherheit voraussehen können. Deshalb widersetzten sie sich diesem Versuch. Wir müssten aber mit ihnen zu einer Verständigung kommen, wenn wir Kohlen, Eisen, Saatgut und Düngemittel, die wir von der andern Seite nicht bekommen konnten, uns sichern wollten.»

Stampfli
beschreibt dann Duttweilers Behauptund in der "TAT" als «glatte Unwahrheit», wonach die schweiz. Unterhändler Deutschland mehr angeboten hätten, als die Deutschen verlangt hätten.Stampfli behautptete, die Zolltarif- und Vollmachtenkommissionen seien ständig während der 8 Monate auf dem laufenden Gehalten worden. Stampfli beschuldigt Duttweiler, nicht die Interessen des Landes sondern diejenigen des Gegners zu vertreten.
Nationalrat Gut (FDP) wünschte sich mehr Information durch die Handelsabteilung über die Vertragsverhandlungen.

Nationalrat Sappeur (LdU): verteidigt Duttweiler und stellt fest, dass die Parlamentarier wohl noch Kritik an der behördlichen Politik üben dürften ohne gleich verunglimpft zu werden.

Stampfli erwiederte Gut, dass bei Verhandlungen jeweils vereinbart werde, nichts über den Inhalt verlauten zu lassen. Die Schweiz hätte sich immer daran gehalten. Stampfli verteidigt nochmals sich, die Handelsabteilung und den Bundesrat und hält fest, dass man ohne Not Deutschland nicht einen Kredit von 800 Mio. Fr. versropchen hätte.

Duttweiler bedauerte, dass Wirtschaftsfragen immer gleich so persönlich aufgefasst würden. Duttweiler weist nochmals darauf hin, dass der LdU in der Vollmachtenkommssion 1941 ein «energischer Vorstoss» gemacht worden sei, und dass «in der Folge der Clearingsaldo wesentlich zurückgegangen» sei. Duttweiler weist schliesslich darauf hin, dass die Kritik des Parlaments dazu beitrage, den Verhandlungsleitern den Rücken (innenpolitisch) zu stärken. Deshalb seien Kritiker der Clearingvorschüsse eigentlich nützlich.
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