Diplomatische Vertretung Polens in Bern und der Schweiz in Warschau. Situation in Polen.
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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 16, doc. 20
volume linkZürich/Locarno/Genève 1997
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2801#1967/77#83* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2801(-)1967/77 3 | |
Titre du dossier | Polen (1945–1945) | |
Référence archives | 05 |
dodis.ch/73 Interne Notiz des Politischen Departements1
Herr Przeswansky hat heute früh telephonisch gebeten, mich sobald als möglich zu sprechen, und ich habe ihn um 10.15 empfangen. Herr Przeswansky ist am 31. Juli über Paris nach Warschau abgereist, da er immer noch keine Weisungen über sein Verhalten gegenüber der frühern polnischen Gesandtschaft erhalten hatte2, und gestern auf dem gleichen Wege zurückgekommen. Er teilt mir folgendes mit:
1. Die provisorische polnische Regierung habe ihn zum Geschäftsträger in Bern ernannt; das an Bundesrat Petitpierre gerichtete Ernennungsschreiben, das allerdings einen Formfehler aufweise, sei ihm mitgegeben worden3.
Ich habe ihm geantwortet, dass ich von dieser Mitteilung, die zur Klärung der Lage wesentlich beitragen werde, mit grosser Befriedigung Kenntnis nehme. Um der Form zu genügen, sei es allerdings nötig, dass die polnische Regierung zuvor um ein Agrément für ihn nachsuche; das Begehren werde am besten über die französische Regierung geleitet, da diese mit der vorläufigen Wahrnehmung der schweizerischen Interessen in Polen beauftragt sei4. Unsererseits würden wir uns bemühen, die Angelegenheit so rasch als möglich zur Erledigung zu bringen.
2. Die polnische Regierung sehe mit grossem Interesse der Ernennung eines schweizerischen Vertreters (Gesandten) in Warschau entgegen. Er selbst habe seiner Regierung bereits einige Auskünfte über die Persönlichkeiten gegeben, die nach seinen Informationen in Frage kommen könnten, insbesondere über Herrn Nationalrat Giovanoli, der doch wohl Kandidat sei. Herr Prz. wünscht zu wissen, ob ich ihm über die im Vordergrund stehenden Anwärter Genaueres sagen könne.
Ich erwidere, das sei mir leider nicht möglich, solange der Bundesrat keinen Beschluss gefasst habe.
Herr Prz. fügt bei, seine Regierung möchte keinerlei Wünsche mit Bezug auf die Auswahl des schweizerischen Vertreters äussern, sondern dem Bundesrat völlig freie Hand lassen. Es sei nicht davon die Rede, dass etwa nur ein Politiker, unter Ausschluss jedes Berufsdiplomaten, in Frage kommen könnte. Dagegen wäre es den Interessen beider Länder förderlich, wenn die Wahl auf eine Persönlichkeit fiele, die für die heute in Polen bestehende besondere Lage Verständnis und offenen Sinn hätte, etwa so wie die Franzosen dies durch die Wahl eines Botschafters getan haben, der jahrelang in Moskau tätig gewesen ist5.
3. Herr Prz. hat bereits gestern mit Herrn Ladoš erneut Fühlung genommen; er ist mit ihm übereingekommen, dass ihm die Gesandtschaft in den nächsten Tagen Stück um Stück übergeben werde. Herr Prz. wünscht zu wissen, wie wir uns dazu stellen und welche Auswirkungen dies für ihn habe.
Ich antworte ihm, wir möchten uns nicht in die Dinge einmischen, die zwischen ihm und Herrn Ladoš direkt vereinbart werden. Nach aussen könnte er aber solange nicht als amtlicher polnischer Vertreter in Erscheinung treten, als er nicht offiziell vom Bundesrat zur Übergabe seines Beglaubigungsschreibens in Audienz empfangen worden sei6. Herr Prz. hat gegen diesen Standpunkt nichts einzuwenden.
4. Herr Prz. führt aus, dass in Polen fieberhaft gearbeitet werde. Warschau sei übrigens nicht gänzlich zerstört; er habe beispielsweise im Hotel Polonia ganz leidliche Unterkunft gefunden. Die Lebensmittelversorgung sei durchaus befriedigend, vielleicht besser als in der Schweiz, aber die Preise fast unerschwinglich hoch. Er sei übrigens zu kurze Zeit in Warschau gewesen, um beurteilen zu können, wie sich die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung gestalten.
Sehr ungünstig beeindruckt war er von der Unordnung, dem Mangel an Organisation und der Apathie von Paris und bei den französischen Bahnen.
- 2
- Anerkennung der provisorischen polnischen Regierung durch den BR am 6. Juli 1945, wodurch die Anerkennung der polnischen Exilregierung in London ein Ende fand. Vgl. BR-Prot. Nr. 1448 vom 3. Juli 1945, E 1004.1 1/459.↩
- 3
- Siehe hierzu E 2001 (E) 1/41.↩
- 4
- Weil die Schweiz bis zum Oktober 1945 keinen eigenen Gesandten in Polen unterhielt, wurden die schweizerischen Interessen vom Juli 1945 bis zum Oktober 1945 durch die französische Gesandtschaft in Warschau wahrgenommen. Siehe E 2001 (D) 3/66, E 2001 (D) 3/402 sowie E 2200 Paris 34/4.↩
- 5
- Zur Nominierung von R. A. Ganz als schweizerischer Gesandter in Polen vgl. BR-Prot. Nr. 2843 vom 10. November 1945, E 1004.1 1/463.↩
- 6
- Zur Anerkennung von R. Przeswansky als Geschäftsträger a. i. durch den BR vgl. BR-Prot. Nr. 2465 vom 1. Oktober 1945, E 1004.1 1/462.Zu dessen Beglaubigungsschreiben vgl. BR-Prot. Nr. 2720 vom 29. Oktober 1945, ebd.↩
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