Language: German
16.9.1938 (Friday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 16.9.1938
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Mesures à prendre pour assurer l’approvisionnement de la Suisse en temps de guerre. Ce qui a été fait pendant la Première Guerre mondiale. Décision de charger le DPF d’obtenir de la France, de l’Italie, de l’Allemagne et de la Belgique des déclarations de principe sur l’approvisionnement suisse, de négocier des accords y relatifs, de régler avec l’Angleterre et les Etats-Unis les problèmes de tonnage maritime.

Classement thématique série 1848–1945:
XI. APPROVISIONNEMENT DE LA SUISSE EN TEMPS DE GUERRE
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Printed in

Oscar Gauye (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 390

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Bern 1994

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dodis.ch/46650
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 16 septembre 19381

1549. Massnahmen zur Sicherstellung der Güterzufuhr aus dem Ausland während eines Krieges

Über die Sicherstellung der Güterzufuhr aus dem Auslande während eines Krieges berichtet das Volkswirtschaftsdepartement folgendes:«I.

Die Schweiz ist bekanntlich in der Beschaffung von lebenswichtigen Gütern (insbesondere von Rohstoffen und Lebensmitteln) in hohem Masse vom Ausland abhängig. Diese Güter werden teils aus europäischen, teils aus überseeischen Ländern bezogen. Im Falle eines Krieges hängt unsere Landesversorgung in hohem Masse davon ab, dass es gelingt, diese Güterzufuhr aufrechtzuerhalten, wobei der Beschaffung von Gütern aus überseeischen Ländern besondere Bedeutung zukommt. Gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern hat der Bundesrat schon im Frieden die notwendigen Vorbereitungen für die Sicherstellung der Transporte im Falle der wirtschaftlichen Abschnürung oder des Krieges zu treffen.

Unser Land befindet sich insofern in einer ungünstigen Lage, als es keine direkte Landverbindung mit dem Meer und auch keine Meerhäfen besitzt. Wir sind im Kriegsfall vom Meer vollständig abgeschlossen und darauf angewiesen, dass uns die ans Meer angrenzenden Länder und insbesondere unsere Nachbarstaaten die Möglichkeit geben, in ihren Häfen Güter umzuschlagen, und sich verpflichten, diese nach der Schweiz zu befördern. Während des Weltkrieges trafen rund drei Viertel der überseeischen Güter für die Schweiz über die französischen Häfen Bordeaux, Cette und Marseille ein und rund ein Viertel kam über Genua. Kleinere Mengen wurden über Nice, Monaco, Rouen, Nantes u. St-Louis-du Rhone geleitet. Die Ordnung der Transportverhältnisse machte unzählige und mühsame Verhandlungen mit den zuständigen Behörden, insbesondere von Frankreich nötig.

Mit Italien wurde Ende 1914, also bevor dieses Land in den Krieg getreten war, eine besondere Vereinbarung über die Ausführung der Transporte über Genua und die Wagenstellung getroffen, die mehrmals den veränderten Verhältnissen angepasst und Ende Mai 1915, nachdem sich Italien auf die Seite der Alliierten geschlagen hatte, vollständig umgestellt werden musste.

Mit der Ausdehnung der Kriegsdauer machten sich in den kriegführenden Ländern infolge Überfüllung der Häfen, Stockungen auf gewissen Linien, Mangel an Traktionsmitteln und dergleichen, ständig zunehmende Transportschwierigkeiten geltend. Der Schweiz erwuchs infolgedessen durch Liegegelder (verspäteter Auslad von Schiffen), die bis 18 000 Fr. per Tag und Schiff stiegen, Lagergelder, vermehrte Manipulation mit den Gütern, Verderbnis von Gütern, ungeheurer Schaden.

Nach den allgemein geltenden Grundsätzen ist es Sache der Bahnverwaltungen, auf deren Netz Güter aufgeliefert werden, die Güterwagen zu stellen. Im Oktober 1915, in einem Zeitpunkt, als grosse Mengen Güter für die Schweiz in Cette und Marseille des Abtransportes harrten, erklärte Frankreich, nicht mehr in der Lage zu sein, Wagen für Schweizerfrachten stellen zu können. Die Entschliessung Frankreichs, von der es, allen Bemühungen zum Trotz, nicht mehr abgebracht werden konnte, war für unser Land ausserordentlich folgenschwer, weil zu jener Zeit auch nach Italien, Deutschland und Österreich schweizerische Wagen für Schweizerfrachten gesandt werden mussten. Es ist zu beachten, dass die Schweiz - vom Standpunkt des Transportes aus gesehen - ein ausgesprochenes Import- und Durchgangsland ist und daher stets eine grosse Anzahl fremde Güterwagen für den mengenmässig nicht sehr bedeutenden Ausfuhrverkehr zur Verfügung hat. Aus diesem Grunde haben die schweizer. Normalbahnen nur einen verhältnismässig kleinen Bestand an Güterwagen. Er reicht nicht hin, um neben der Befriedigung der Bedürfnisse für den Schweiz. Binnenund Ausfuhrverkehr noch sämtliche lebenswichtigen Güter im Ausland mit eigenen Wagen abzuholen.

Um möglichst viel Wagen für Transporte aus dem Ausland frei zu bekommen, wurde im Weltkrieg der Wagenumlauf durch organisatorische Massnahmen auf das äusserste beschleunigt und die Stellung der Wagen für die Ausfuhr und für den schweizer. Verkehr zurückgestellt. Die Bundesbahnen sind im weitern durch den Bundesrat veranlasst worden, ihren Wagenpark erheblich zu vermehren. Sie haben in den Jahren 1915-1920 die grosse Summe von 41 000000 Fr. für neue Güterwagen und von 1 200000 Fr. für den Umbau von älteren Personen-, Gepäck- und Dienstwagen in Güterwagen ausgegeben. Die Folge dieser bedeutenden Neuanschaffungen war, dass, als die ausländischen Bahnen nach Beendigung des Kriegs ihren Verpflichtungen zur WagenStellung wieder nachkamen, in der Schweiz längere Zeit Überfluss an Güterwagen herrschte.

Um gewisse Zugeständnisse zu erhalten, mussten die Bundesbahnen den französischen und deutschen Bahnverwaltungen mit Lokomotiven und Personal aushelfen als Ausgleich für die von diesen im Interesse der Schweiz übernommenen Fahrleistungen.III.

Es ist bei der heutigen politischen Konstellation unmöglich vorauszusehen, welche Wege für den schweizerischen überseeischen Verkehr bei einem Krieg in Frage kommen. Dies hängt in der Hauptsache davon ab, wie sich die kriegführenden Parteien zusammensetzen und welche derselben die Suprematie über das Weltmeer hat. Es erscheint beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass die Mittelmeerhäfen für die Schweiz ausser Betracht fallen. Damit wäre fast mit Sicherheit dann zu rechnen, wenn Italien gegen Frankreich in den Krieg träte. In diesem Falle könnte auch nicht mit der Leitung der Güter über Genf gerechnet werden, welcher Route während des Weltkrieges eine grosse Rolle zukam. In Frage könnten dann kommen die Häfen von Bordeaux, Rouen, Le Havre und Antwerpen. Die Güter wären über die schweizerisch-französischen Übergangspunkte Vallorbe, Les Verrières und Delle zu leiten. Ab Rouen wäre die Beförderung auf dem Landweg und auf einem Kanal, auf letzterem bis in die Nähe von Delle, möglich. Nach Angabe von Fachleuten wären genügend Kanalschiffe vorhanden. Ein Nachteil bei dieser Transportweise ist der, dass die Beförderung von Rouen bis Delle drei bis vier Wochen dauern würde. Ab Antwerpen müsste die Leitung mit der Eisenbahn über Bruxelles - Metz - Nancy - Vesoul - Beifort - Delle - Pruntrut erfolgen, ab welcher Station die Güter über Delsberg - Basel oder Delsberg - Moutier - Biel nach der ganzen Schweiz weitergeleistet werden könnten. An die Beförderung der Güter ab Antwerpen bis Basel wäre nicht zu denken, weil die Eisenbahnlinie von Strassburg bis Basel unmittelbar neben der deutschen Grenze verläuft.

Nimmt man den Fall an, dass Belgien neutral bleibt und Deutschland das Weltmeer beherrscht, so käme die Leitung der Güter über Antwerpen und möglicherweise auch Rotterdam in Frage. Die Weiterbeförderung könnte dann, gegebenenfalls mit Schiffen der schweizer. Schleppschiffahrtsgenossenschaft oder von ändern Reedereien, bis Mainz oder Mannheim erfolgen. Hier müssten die Güter in Eisenbahnwagen umgeladen werden. Sie könnten je nach ihrer Bestimmung auf deutschen Linien nach beliebigen deutschschweizerischen Übergangspunkten, ausgenommen nach Basel, weiterbefördert werden. Ausser diesen Kombinationen sind noch viele andere denkbar.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ausführung der überseeischen Transporte sich bei einem neuen Krieg noch schwieriger gestaltet als während des Weltkrieges, indem nicht mit Sicherheit damit gerechnet werden kann, dass die am nächsten der Schweizergrenze gelegenen Häfen von Genua, Marseille und Cette für die Schweiz benützbar sind. Die nach Bordeaux gesandten Wagen brauchten mindestens die doppelte Umlaufzeit wie die Wagen von Cette und Marseille, die nach etwa sechs Tagen zurückkehrten.

Wir haben auch untersucht, ob der Abtransport von Gütern ab den Seehäfen mit Flugzeugen in Frage kommen könnte. Die Prüfung ergab, dass es sich nur um besondere Warengattungen wie Medikamente, Chemikalien und dgl. und nur um kleine Mengen handeln könnte. Für die eigentliche Landesversorgung kommt dem Flugzeug eine grosse Bedeutung nicht zu.IV.

Im Frühjahr 1914 hat Frankreich gestützt auf mündliche Verhandlungen, die zwischen dem schweizer. Generalstabschef und dem franz. Militârattaché in Bern gepflogen wurden, zugesichert, dass es im Fall eines Krieges die Durchfuhr von Getreide für die schweizer. Regierung an einigen französischen Häfen zulassen werde. Ebenso hatte Deutschland auf Grund von diplomatischen Verhandlungen die Zusicherung abgegeben, dass es nach Durchführung der Mobilisation den Abtransport des in den Rheinhäfen befindlichen Getreides gestatten werde.

Die während des Weltkrieges gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass man sich heute nicht begnügen darf mit allgemeinen Zusicherungen betreffend die Durchfuhr bloss von Getreide oder gar nur mit der Zusage, dass das von schweizerischen Firmen angekaufte Getreide, das sich im Zeitpunkt eines Kriegsausbruches im Ausland befindet, noch durchgelassen werde. Es sind vielmehr vorsorgliche verbindliche Vereinbarungen hinsichtlich des Durchlasses aller lebenswichtigen Güter während der Dauer eines Krieges, ferner über die Regelung sämtlicher die Transportangelegenheiten betreffenden Fragen unerlässlich. Da, wie unter Abschnitt III dargelegt wurde, sich über die Entwicklung der Dinge in einem Kriegsfälle nichts Bestimmtes Voraussagen lässt, müssen alle Möglichkeiten ins Auge gefasst werden, woraus sich ergibt, dass mit allen in Betracht fallenden Ländern wird Fühlung genommen werden müssen. Diesen Verhandlungen wird die Annahme zugrunde zu legen sein, dass unser Land die Neutralität bewahren kann, da es nach unserem Dafürhalten aus politischen Gründen nicht angienge, schon im Frieden mit ändern Staaten Vereinbarungen abzuschliessen für den Fall, dass wir in einen Krieg hineingezogen werden. Es wäre dies auch nicht notwendig, indem damit gerechnet werden kann, dass die für den Neutralitätsfall getroffenen Vereinbarungen - soweit sie mit solchen Staaten abgeschlossen worden sind, welche in einem Kriegsfall auf unserer Seite stehen - erst recht Geltung haben werden, wenn unser Land an einem Kriege aktiv beteiligt ist.

Bei den vorgesehenen Verhandlungen dürfte nötigenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Schweiz in die Lage kommen kann, den kriegführenden Ländern grosse Dienste auf charitativem Gebiet zu leisten. Sie hat im Weltkrieg unter anderem folgende Leistungen übernommen: Die Heimschaffung von Sanitätsmannschaften, internierten Zivilpersonen und Evakuierten, den Transport von Schwerverwundeten und Kranken, den Austausch von Kriegsgefangenen, die Hilfsaktion zugunsten erholungsbedürftiger Kinder aus kriegsführenden Staaten, die Beförderung von Liebesgaben und Lebensmitteln und die Vermittlung von Kriegsgefangenenpaketen. Die Bundesbahnen haben die Transporte zu ermässigten Taxen teils unentgeltlich ausgeführt, wodurch ihnen ein Taxausfall von rund 21 Millionen Fr. erwachsen ist. Auch die Postverwaltung hat grosse Opfer gebracht.

Über den Umfang des überseeischen Verkehrs geben folgende Zahlen Anhaltspunkte: Es wurden im Weltkrieg in gewissen Zeiträumen gleichzeitig im Maximum abbefördert:

[...]2

Nach Mannheim-Rheinbau, Karlsruhe, Kehl usw. sind von 1914-1920 21 321 gedeckte und nach der Ruhr im gleichen Zeitraum einschliesslich der Saar, solange diese noch zu Deutschland gehörte, 217 737 offene Schweizerwagen zur Abholung von Gütern gesandt worden.V.

Die baldige Abklärung der aufgeworfenen Fragen drängt sich auf, damit die zur Sicherung der Güterzufuhr aus dem Ausland in einem Kriegsfall erforderlichen Massnahmen in sachgemässer Weise vorbereitet werden können.»

Gestützt auf diese Darlegungen stellt das Volkswirtschaftsdepartement den Antrag und der Rat beschliesst:

Das Politische Departement wird beauftragt:

1. unverzüglich mit den Regierungen von Frankreich, Italien, Deutschland und Belgien durch Vermittlung unserer Gesandtschaften in Verhandlungen einzutreten zur Erwirkung grundsätzlicher Erklärungen, wonach die Besonderheit unserer Versorgung im Falle eines Krieges anerkannt und die Bereitwilligkeit festgestellt wird, die Versorgung der Schweiz mit lebensnotwendigen Gütern aufrecht zu erhalten;

2. mit den genannten Staaten, soweit dies möglich ist, Vereinbarungen abzuschliessen, durch welche:

a) der Schweiz zugesichert wird, dass die für uns bestimmten Güter, die sich bei Ausbruch eines Krieges im betreffenden Lande befinden oder dorthin unterwegs sind, ungehindert in die Schweiz durchgelassen werden;

b) der Schweiz während der Dauer eines Krieges für den Umschlag überseeischer Güter bestimmte Häfen zur Verfügung gestellt werden;

c) der betreffende Staat die Verpflichtung übernimmt, für die Beförderung dieser Güter bis an die Schweizergrenze, wenn möglich allein, eventuell unter Mithilfe der Schweiz, zu sorgen.

Es wäre wünschbar, in den verschiedenen Staaten eine bestimmte Amtsstelle zu bezeichnen, mit welcher die Schweiz alle zur Durchführung dieser Massnahmen und zur Erzielung einer geordneten Ausführung der Transporte erforderlichen Punkte besprechen und regeln kann.

3. bei den Regierungen Englands und der Vereinigten Staaten über die Möglichkeit der Beschaffung von Schiffsraum während eines Krieges Erkundigungen einzuziehen, in der Meinung, dass gegebenenfalls über die zur Verfügungsstellung von Schiffsraum eine Vereinbarung abzuschliessen wäre.

Es handelt sich zunächst darum, die grundsätzlichen Fragen zu diskutieren und von den in Betracht kommenden Regierungen eine Zusage gemäss Ziffer 1 zu erhalten. Nach Eingang dieser Zusagen stehen für die Behandlung aller technischen Fragen die Kommission für Kriegswirtschaft, insbesondere der Chef des Kriegstransportamtes, Herr alt Oberbetriebschef Matter, zur Verfügung3.

1
E 1004.1 1/377.
2
Für die Tabelle vgl. dodis.ch/46650. Pour le tableau, cf. dodis.ch/46650. For the table, cf. dodis.ch/46650. Per la tabella, cf. dodis.ch/46650.
3
Pour la suite du processus, cf. No 439.