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E 4001 (C) 1 / 309 Dossier 1800 (1946-1951)
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Diskussion um die weitere Verwendung der erblosen Vermögen (besonders jüdischer) Flüchtlinge in der Schweiz.

I. Sonderfall Polen


Notiz vom 4.8.1949 zum Briefwechsel zwischen der Schweiz und Polen, der am 25.6.1949 stattgefunden hat.
"Dieser Briefwechsel befasst sich mit Guthaben und Depots polnischer Staatsangehöriger, die am 1. IX. 1939 ihren Wohnsitz in Polen hatten und von denen seit dem 9. V. 1945 kein Lebenszeichen mehr eingetroffen ist, bei schweizerischen Banken, [...]"
Die Guthaben werden nach 5 Jahren, wenn sich keine Erben gemeldet haben, bei der Schweizerischen Nationalbank zugunsten der Polnischen Nationalbank eingezahlt. Im Gegenzug verpflichtet sich die polnische Regierung, die Haftung für allfällige, nachträglich angemeldete Ansprüche zu übernehmen.
Der Gesamtbetrag beläuft sich auf ca. 2 Mio. Franken. Möglicherweise werden mit anderen Oststaaten ähnliche Regelungen getroffen.
Interessant ist die Reaktion der Solothurner Zeitung vom 3.3.1950: Der Artikel, sehr spärlich mit Tatsachen versehen, ist geprägt von Ausdrücken wie "Schande, ausgeliefert sein, unser Recht, Opfer,..." in Bezug auf die Schweiz und die Schweizer Bevölkerung. 2 exemplarische Beispiele:
"Wenn im Politischen Departement, und namentlich bei den höchsten Beamten, die die Wirtschafts- und Finanzverhandlungen mit den Oststaaten führen, eine kommunistische Verseuchung [Hervorhebung nicht i.O.] Platz gegriffen haben sollte, so muss das Volk das Veto einlegen.
[...]
Man gebe die erblosen Vermögen daher einer internationalen Hilfsorganisation, die die nichtkommunistischen Fluchtgelder für die Opfer des Kommunismus [Hervorhebungen nicht i.O.] verwendet!"

II. Überlegungen im Vorfeld


Bereits Ende des Jahres 1946 macht sich das Politische Departement Gedanken darüber, was mit den erblosen Vermögen geschehen soll. Da die private Flüchtlingshilfe nicht dauerhaft für die Flüchtlinge in der Schweiz aufkommen kann, und man befürchtet, dass die Kosten später vom Staat übernommen werden müssen, wird schon hier über die Verwendung der Vermögen für Flüchtlinge in der Schweiz diskutiert. Eines der Hauptargumente ist die Tatsache, "dass diese Gelder den gleichen Menschengruppen gehört haben, denen sie nun allenfalls zugute kommen sollten."

III. Verhandlungen mit jüdischen Organisationen


Im Juni 1946 wenden sich einige jüdische Organisationen an den Justiz- und Polizeiminister, Herrn Bundesrat Eduard von Steiger, mit der Bitte, am 8.7.1946 bei ihm in Bern vorsprechen zu dürfen, um die Frage der erblosen Vermögen zu regeln.

Das Protokoll dieser Besprechung ist in DDS - 18 No. 5 veröffentlicht.

Es wird betont, dass diese Besprechung erst ein Anhörung ist, und dass der "Fall" dann an das politische Departement weitergegeben wird.
Herr Dr. Alexander erstattet Bericht über die schon gemachten juristischen Abklärungen.
Zu erwähnen sind noch zwei wichtige Punkte, die Herr Dr. Bienenfeld anspricht. Erstens die Frage des Anspruches fremder Regierungen auf dieses erblose Vermögen:
"Es wäre doch gegen alle Prinzipien des öffentlichen Rechts, wenn jene Staaten (z.B. Ungarn, Rumänien, Polen), die sich unter dem Einfluss der Nazi an der Ausrottung von Juden beteiligten, deren Vermögen in der Schweiz lag, nun den Vorteil aus diesen erblos gewordenen Vermögen ziehen sollten." (Protokoll S. 4. Vgl. auch I. Sonderfall Polen)
Zweitens die Frage der Todeserklärungen. Um das mühsame Vorgehen, Todeserklärungen von den verschiedenen Staaten zu erhalten, zu umgehen, wird vorgeschlagen einen Fonds einzurichten, in den die Vermögen eingezahlt werden. Falls der wirkliche Inhaber des Vermögens oder Verwandte auftauchen, können diesen das Vermögen immer noch aus dem Fonds bezahlt werden. Wenn nicht, muss das Geld wirklich zum Zweck der Rehabilitation und des Wiederaufbaus verwendet werden.
Als schwieriges Problem von Seiten der Schweiz stellt sich das Bankgeheimnis der einfachen Abwicklung solcher Projekte in den Weg.
Bis zum letzten Brief dieses Dossiers (8.3.1950) zeichnet sich noch keine konkrete Lösung ab.
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