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1920-1957
Archiv SNV; Dok.4 und Dok.5; Schweizerische National-Versicherungsgesellschaft Arisierungsfall Basch-Verohrad [Titel durch UEK]
Information Independent Commission of Experts Switzerland-Second World War (ICE) (UEK)
Info UEK/CIE/ICE ( deutsch français italiano english):
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Am 18./25.5.1920 gründete die National-Versicherung durch ihren Repräsentanten George Basch-Verohrad eine Niederlassung in Prag. Schnell baute dieser das Geschäft in der Tschechoslowakei auf. Ab 1930 erhielt er mit Gustav Preuss einen ausgewiesenen Fachmann zum Mitarbeiter. Dieser trat sechs Jahre später eine andere Stelle an, konnte aber von Herrn Basch wieder überzeugt werden, in den Dienst der National zurückzukehren.

Die Situation veränderte sich dramatisch als nach dem deutschen Einmarsch in der Tschechoslowakei (15.3.1939) das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren gebildet wurde. Die Lage war für die National besonders heikel, weil ihr Repräsentant Basch als Jude galt. Die Entscheidung war indes schnell getroffen; Ohne Wissen von Basch, teilte die Basler Direktion dem frisch erkorenen Nachfolger Preuss mit:"Für uns steht vor allem betreffend der Weiterführung unserer dortigen Generalrepräsentanz fest, dass wir, durch die neuen Gesetze in Ihrem Lande gezwungen, leider nicht mehr in der Lage sein werden, Herrn Direktor Basch als unseren Generalrepräsentanten zu behalten. Wir bedauern dies sehr, können aber an diesem Zustande nichts ändern."[Direktion an Preuss, 28.4.1939].

Gleichzeitig prüfte man verschiedene Formen der Zusammenarbeit mit andern Versicherern. Neben der österreichischen Allianz war auch die Helvetia als mögliche Partnerin vorgesehen. Diese Schweizer Versicherungs-Gesellschaft war ebenfalls mit einem jüdischen Geschäftsleiter in Prag vertreten. Bei einem allfälligen Zusammenschluss war vorgesehen, die Geschäftsführung Gustav Preuss anzuvertrauen, "[...]sofern Sie [G. Preuss] uns bestätigen können, dass sich bei Ihnen die Frage bezüglich reinarischer Abstammung nicht stellt bezw. nicht stellen kann." [Direktion an Preuss, 28.4.1939]. Preuss, Opportunist genug, gelobte Verschwiegenheit und bekräftigte "[...] dass ich rein arischer Abstammung bin und dies auch nachweisen kann." [Preuss an Direktion, 30.4.1939].

Bedächtiger und abgeklärter ging die Helvetia in dieser Sache vor. Um sich ein besseres Bild der Verhältnisse machen zu können, entsandte sie einen Prokuristen in das Protektorat: "Nach Rückkehr unseres Prokuristen haben wir beschlossen, vor entscheidenden Aenderungen in der Repräsentanz einmal die erwarteten Judengesetze abzuwarten" [Helvetia an National, 9.8.1939] Die National hingegen orientierte ihren altgedienten jüdischen Mitarbeiter: "Mit dem 31. Dezember liefe unser Vertragsverhältnis ab und nach diesem Stichtag habe er, Basch, keine rechtlichen Ansprüche mehr an unsere Gesellschaft zu stellen" [Aktennote, 30.5.1939] . Drei Wochen später erst, wurde der Erlass des Reichsprotektors über die "Entjudung der Wirtschaft" publiziert.

Liess sich die Entlassung noch mit einer vorausschauenden, den Umständen Rechnung tragenden Planung rechtfertigen, so zeugte die nachfolgende Korrespondenz von Hartherzigkeit, ja, von unredlicher Ausnutzung einer Notlage: Die Büromöbel waren Baschs persönlicher Besitz, wurden jedoch von der Geschäftsstelle weiter benutzt. Anstatt ihm mit einem grosszügigen Übernahmeangebot den erzwungenen Austritt etwas zu erleichtern, verlegte man sich aufs kleinliche Feilschen. In wochenlangem Briefverkehr folgten Gegenangebote auf Offerten, Gegenexpertisen auf Schätzungen. Beim Preis von 15'000 Kronen angelangt, riet Preuss schliesslich der Direktion: "Mit Rücksicht darauf, dass wir bei Neuanschaffung aller dieser Gegenstände natürlich viel mehr bezahlen müssten und ausserdem bei der grossen Nachfrage nach Büromöbeln eine Bestellung erst nach Wochen effektuiert werden könnte, glaube ich, Ihnen die Uebernahme auf obiger Basis empfehlen zu können." [Preuss an Direktion, 24.8.1939]. Worauf aus Basel das Einverständnis folgte.

Basch, der wie alle Juden im Reichsgebiet auch finanziell bedrängt wurde (sogar die Möbeltransaktion musste den Protektoratsbehörden gemeldet werden), forderte noch Provisionen für die von ihm vermittelten Geschäfte. Auch äusserte er die Hoffnung, dass sein früherer Arbeitgeber ihn nicht gänzlich fallen lassen werde "[...] um mir über die ungemein schwere Situation in irgendeiner Form hinwegzuhelfen [...]" [Basch an Direktion, 13.6.1939]. Doch die Direktion liess den Brief unbeantwortet und erteilte der Zweigstelle klare Instruktionen: "Auf das Begehren des Herrn Direktor Basch, ihm für die von ihm direkt acquirierten Geschäfte eine Vermittlerprovision zu bezahlen, bedauern wir nicht eintreten zu können, denn nachdem sein Generalrepräsentanzvertrag mit uns abgelaufen ist, hat Herr Basch von uns irgendeine Vergütung nicht mehr zu erhalten."[Direktion an Preuss, 31.7.1939]. Basch insistierte bei der Niederlassung:"[...] er erklärte, dass er doch nicht schlechter gestellt werden könne als alle anderen, die uns Geschäfte zugeführt haben." [Preuss an Direktion, 17.8.1939]. Die National-Direktion wollte ihm nun allenfalls eine Untervertreterprovision zugestehen, nicht ohne Hintergedanken allerdings, denn man wusste um seine Kontakte zu wichtigen Kunden: "[...] dass Herr Bach [...] seine Unteragenturprovision nur solange beziehen kann, als seine Beziehungen mit den oben genannten Firmen uns nützlich sind, bzw. solange Sie [Preuss] es für gut finden." [Direktion an Preuss, 21.8.1939]. Nur das Geschäft zählte, und aus diesem, menschliche Elemente ausser Acht lassenden Blickwinkel, war die Trennung von Basch gar ein Lichtblick in der jüngsten Entwicklung. Die Geschäftsergebnisse zeigten ein unbefriedigendes Resultat "[...] trotzdem es gelungen ist, durch Kündigung des Vertrages mit Herrn Basch-Verohrad und Uebertragung der Generalagentur auf seinen langjährigen Prokuristen, Herrn Dr. Preuss, wesentliche Einsparungen zu erzielen."[VR-Protokoll, 29.11.1939].

Was blieb Basch anderes übrig als einen letzten, verzweifelten Versuch zu wagen? Er erinnerte die National an früher gemachte Versprechen, verwies auf seine zwanzigjährige Tätigkeit in der Firma und stellte einen Vergleich zu anderen Versicherungsgesellschaften mit ähnlicher Ausgangslage an, "[...] die übrigens in vorbildlicher Weise für ihre Mitarbeiter sorgen, die unverschuldet Opfer der Ereignisse der letzten Jahre geworden sind." [Basch an Direktion, 21.5.1941]. Die Direktion gestand darauf ein, Basch die Zusicherung gegeben zu haben, ihn bei einer Transaktion der Gesellschaft " [...] nicht leer ausgehen zu lassen", fügte aber hinzu "[...] die neuerliche Umstellung unserer Generalrepräsentanz verzögert die Ausführung unserer Pläne, sodass es wohl möglich ist, dass wir damit bis zum Ende des Krieges warten müssen. [...] Ueber das Ausmass ihrer Beteiligung am Verkaufserlös können wir uns heute ebenfalls nicht äussern, weder absolut, noch prozentmässig [...]". [Direktion an Basch, 27.8.1941] Basch, um dessen Hals sich die nationalsozialistische Schlinge immer enger zog, wurde also auf unbestimmte Zeit vertröstet.

Mittlerweile hatten die Behörden damit begonnen von einigen Unternehmen den "Nachweis des arischen Charakters" zu verlangen. So auch von der National. Konkret wurde von allen Mitgliedern des Verwaltungsrates eine detaillierte schriftliche Erklärung über ihre Rassenzugehörigkeit erwartet. Direktor Theler fragte sich, ob solches von einer Schweizer Gesellschaft zu fordern rechtens sei und hielt diesen Nachweis generell für eine "mit dem Ansehen und der Würde einer Schweizer Gesellschaft nicht vereinbaren Zumutung" [Direktion an General-Repräsentanz, 28.11.1939]. Den einzelnen Verwaltungsrats-mitgliedern wollte er einen Eid nicht abnehmen, trotzdem konnte er sich zur Erklärung durchringen, dass "[...] er [Theler] im Sinne der Verordnung des Herrn Reichsprotekors in Böhmen und Mähren [...] arischer Abstammung ist und dass [...] alle Mitglieder des Verwaltungsrates [...] arischer Abstammung sind und dass seines Wissens kein Jude Aktien der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft in Basel besitzt."[Erklärung Dr. Theler, 28.11.39]. Der Protektor gab sich mit dieser Deklaration zufrieden.

Obwohl man somit weiter in Prag präsent sein konnte, traten bald neue Probleme auf. Gustav Preuss kündete nach kurzer Amtszeit als Generalrepräsentant sein Anstellungsverhältnis bei der National auf den 30.7.1941. Nach seinem plötzlichen Abgang hatte auch er noch Ansprüche an die Gesellschaft. Seine Forderungen auf Abfindung und nicht bezogenen Urlaub machten die stattliche Summe von 50'000 Kronen aus. Der Fall Preuss lag jedoch etwas anders als der Fall Basch, den bei Ersterem stellte sich heraus, dass er bei einer anderen Versicherungsgesellschaft einen einflussreichen Posten erhalten hatte und "[...] über gewisse Beziehungen zu den deutschen Amtsstellen verfügt."[Reinhart an Direktion, 30.12.1941]. Angesichts dieser Umstände meldete Direktor Theler dem Vertreter der Wiener Allianz, der mittlerweile die Prager Geschäfte für die National führte: "Ich bin mit jedem Betrag einverstanden, den Sie Herrn Dr. Preuss vergüten und bin mit Ihnen der Ansicht, dass es sich schon mit Rücksicht auf die jetzige Stellung des Genannten empfiehlt, einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen." [Direktion an Reinhart, 27.8.1941].

Über das weitere Schicksal von George Basch gibt uns erst ein Briefwechsel aus dem Jahre 1957 Aufschluss, viele Jahre nachdem das Geschäft in Prag zuerst der Wiener Allianz anvertraut und nach dem Krieg verstaatlicht worden war. In den ersten Februartagen 1957 traf am Hauptsitz der National ein Brief aus Budapest ein. Darin erkundigte sich ein Herr Viktor Hoffmann nach dem Verbleib seines alten Freundes George Basch. Auf seine Nachfrage erhielt er traurigen Bescheid: " [...] Bis 1941 hatten wir noch einen losen Kontakt mit ihm, und dann hörten wir indirekt, dass er in einem Konzentrationslager gestorben sein soll. " [Direktion an Hoffmann, 23.1.1957]
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