Das Kennedy-Attentat

Am 22. November 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy in Dallas von einem Attentäter ermordet. Der Tod der charismatischen Persönlichkeit, die vielen als Hoffnungsträger galt, löste auf der ganzen Welt Bestürzung und Trauer aus. Als die Nachricht in Bern eintraf, hatte Bundesrat Hans Schaffner für Botschafter W. Michael Blumenthal, Beauftragter für Wirtschaftsverhandlungen im US-Aussenministerium, gerade einen Empfang mit Abendessen ausgerichtet: «Die Unterredung stand ganz im Schatten der schrecklichen Ereignisse, die während des Essens bekannt wurden, dies umso mehr als Blumenthal ein persönlicher Vertrauensmann des dahingeschiedenen Präsidenten Kennedy ist.» (dodis.ch/18885)

Bundesrat will nicht gefühllos erscheinen

Tags darauf traf sich die Landesregierung zu einer ausserordentlichen Sitzung im Bundeshaus. Bundespräsident Willy Spühler betonte einleitend, «welcher Schlag die Ermordung des Präsidenten der USA für die freie Welt bedeute und wie sehr auch unser Volk von diesem furchtbaren Ereignis beeindruckt wurde». Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, ob der Bundesrat erstmals in seiner Geschichte ein amtierendes Mitglied an die Trauerfeierlichkeiten delegieren sollte. Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen bezweifelte, «ob wir unsere Neutralitätspolitik und die Gefahr, ein Präjudiz zu schaffen, soweit treiben sollen, dass wir als gefühllos erscheinen» (dodis.ch/30765). Einhellig beschloss das Gremium deshalb, dass Wahlen als Aussenminister der Eidgenossenschaft am Staatsbegräbnis teilnehmen sollte. In den kommenden Jahren sollte die Zahl der Auslandsreisen der Regierungsmitglieder sprunghaft ansteigen.

Von der Kennedy-Beisetzung zur «Kennedy-Runde»

Am Tag nach der Beisetzung vom 25. November besuchte Wahlen im State Department US-Aussenminister Dean Rusk. Dieser betonte, seine Regierung wisse es zu schätzen, «dass ein amtierender Bundesrat zu diesem traurigen Anlass zum ersten Male nach Washington gekommen sei». Im Zentrum des Gesprächs stand jedoch weniger Kennedy, als die nach ihm benannte sechste Verhandlungsrunde des multilateralen Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), deren Beginn unmittelbar bevorstand. Wahlen empfahl Rusk die Schweiz «mit ihrer traditionell liberalen Politik und ihren niedrigen Zöllen» als «natürlichen Verbündeten» der USA: Washington wollte sich in der «Kennedy-Runde» des GATT für den weltweiten Abbau von Handelsschranken einsetzen (dodis.ch/18903).

Der «Uhrenstreit» mit den USA

Die Betonung liberaler Werte stand im Zusammenhang mit dem langjährigen «Kernproblem der schweizerisch-amerikanischen Handelsbeziehungen», nämlich den hohen Einfuhrzöllen für Schweizer Uhren in die USA (dodis.ch/18884). Auch das Gespräch zwischen Schaffner und Blumenthal hatte sich um den «Uhrenstreit» (dodis.ch/T623) gedreht, bei dem man in Bern gehofft hatte, im November 1963 einen Durchbruch zu erzielen. Präsident Kennedy schien bereit gewesen zu sein, die Uhrenzölle abzubauen. Der entsprechende Erlass sei «praktisch […] schon zur Unterschrift auf seinem Schreibtisch [gelegen], als er ermordet wurde», heisst es in einer Notiz des Politischen Departements, des heutigen EDA (dodis.ch/30950).

Kennedys Tod warf die Bemühungen zu Gunsten der Schweizer Uhrenindustrie erneut zurück. Erst 1967, gegen Ende der «Kennedy-Runde», konnte Volkswirtschaftsminister Schaffner den erhofften Zollabbau verkünden (dodis.ch/33140).