Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
II.24. UNION SOVIÉTIQUE
II.24.3. UNION SOVIÉTIQUE - INTERNÉS SOVIÉTIQUES
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 15, Dok. 354
volume linkBern 1992
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Signatur | Vgl. Edition |
Dossiertitel |
dodis.ch/47958 Le Chef du Département de Justice et Police, Ed. von Steiger, au Chef du Département politique, M. Petitpierre1
Mit Schreiben, das am 22. November 19442 bei uns eingegangen ist, haben Sie uns den Durchschlag eines Schreibens übermittelt, das Sie an das Eidg. Militärdepartement gerichtet haben; darin haben Sie Kenntnis gegeben von
einem Bericht der Schweizerischen Gesandtschaft in Stockholm, wonach sich
ein Mitglied der russischen Vertretung in Schweden geäussert hat, die Haltung
der russischen Regierung gegenüber der Schweiz sei u.a. damit zu erklären,
dass schweizerischerseits russische Kriegsgefangene und Internierte an die
deutschen Behörden ausgeliefert worden seien.
Wir beehren uns, Ihnen hierzu folgendes mitzuteilen: Im September 1941
gingen uns erstmals Meldungen zu, dass sich russische Kriegsgefangene in grösserer Zahl in Süddeutschland befänden, sodass mit der Möglichkeit gerechnet
werden musste, russische Wehrmänner könnten versuchen über die Schweizergrenze zu gelangen. Die Frage der Aufnahme entwichener russischer Kriegsgefangener wurde damals von der Polizeiabteilung mit den zuständigen Stellen
der Armee besprochen; dabei war die Auffassung vorwiegend, es sei - namentlich aus innenpolitischen Gründen - besondere Zurückhaltung gegenüber der
Aufnahme entwichener russischer Kriegsgefangener am Platze. In diesem Zusammenhang muss vollständigkeitshalber erwähnt werden, dass wir 1940 und
1941 die Aufnahme der an der Grenze erscheinenden entwichenen Kriegsgefangenen nicht als selbstverständlich betrachteten; vielmehr wurden damals
noch z. B. entwichene polnische Kriegsgefangene (in Übereinstimmung mit der
Polnischen Gesandtschaft in Bern) zum Teil an der Grenze zurückgewiesen.
Am 4. September 1941 hat die Polizeiabteilung der Polizeisektion des
Armeekommandos zuhanden der Territorial-Polizei-Offiziere mitgeteilt, allfällig über die Schweizergrenze kommende entwichene russische Kriegsgefangene seien zurückzuweisen3. Am 19. September 1941 wurde diese Stellungnahme in einem Schreiben4 an die Eidg. Oberzolldirektion bestätigt, allerdings mit dem Vorbehalt, dass später auf diese Weisung zurückgekommen
werde, wenn sie aus wichtigen Gründen nicht sollte aufrecht erhalten werden
können. Bald darauf zeigte sich, dass die Vorschrift zur Rückweisung allfälliger entwichener russischer Kriegsgefangener wegen ausserpolitischen Bedenken nicht wohl durchgesetzt werden könnte. Als dann im April 1942 eine erste
Gruppe von 20 russischen entwichenen Kriegsgefangenen im Kanton Aargau
über die Grenze kam, wurden diese Flüchtlinge ohne weiteres aufgenommen
und vorerst bei Landwirten untergebracht. Einige weitere Einzelfälle wurden in
gleicher Weise erledigt. Um jedes Missverständnis zu vermeiden, erliess die
Polizeisektion des Armeekommandos am 8. Juli 1942 an die Territorial-Polizei-Offiziere auf unsern Wunsch hin die Weisung, auch entwichene russische
Kriegsgefangene an der Grenze aufzunehmen5. Die Weisungen der Polizeiabteilung vom 13. August 1942 über die Behandlung ausländischer Flüchtlinge
bestimmten dann auch ausdrücklich und allgemein, dass u.a. fremde entwichene Kriegsgefangene an der Grenze aufzunehmen seien6.
Auf Grund dieser Weisungen war die Lage seit Sommer 1942 klar. Es
wurden seither alle entwichenen russischen Kriegsgefangenen, die über die
Schweizergrenze gelangen konnten, hier aufgenommen. Voraussetzung dazu war lediglich, dass die betreffenden Flüchtlinge sich durch Uniformstücke, Gefangenennummern, Soldbuch oder irgendeinen ändern Ausweis als entwichene Kriegsgefangene legitimieren konnten.
Wir haben, obschon uns kein Fall von Rückweisung eines russischen Kriegsgefangenen vor August 1942 bekannt geworden war, doch die Eidg. Oberzolldirektion gebeten, nachträglich zu überprüfen, ob allenfalls zwischen Herbst 1941 und Juli 1942 entwichene russische Kriegsgefangene an der Schweizergrenze zurückgewiesen worden seien. Die Eidg. Oberzolldirektion hat bei den in Betracht kommenden Zollkreisdirektionen Berichte eingeholt und teilt uns abschliessend folgendes mit: «Aus diesen Berichten geht hervor, dass weder in der fraglichen Zeit, noch später jemals russische Kriegsgefangene zurückgewiesen wurden.»
Die der Schweizerischen Gesandtschaft in Stockholm zugegangene Mitteilung beruht somit auf einer unzutreffenden Annahme.
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