Classement thématique série 1848–1945:
IV. POLITIQUE HUMANITAIRE
IV.3. ATTITUDE DE LA SUISSE À l'ÉGARD DES JUIFS
Également: Projet d’échanger des Juifs contre des Allemands prisonniers des Alliés. Impossibilité de visiter les camps d’Auschwitz et Birkenau. Scepticisme de Frölicher face au projet de démarche générale contre les déportations. Annexe de 25.11.1944 (CH-BAR#E4800.1#1967/111#206*).
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 299
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1968/74#343* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1968/74 14 | |
Dossier title | Kriegsflüchtlinge in Ungarn (1944–1945) | |
File reference archive | B.55.45.28 • Additional component: Ungarn |
dodis.ch/47903
Le Ministre de Suisse à Berlin, H. Frölicher, au Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna1
Ich beziehe mich auf unsern Briefwechsel2 betreffend Ausreise ungarischer Juden nach der Schweiz und beehre mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich zusammen mit der Abteilung für Schutzmachtangelegenheiten und der hiesigen Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, die sich von verschiedenen Seiten alle mit dieser Angelegenheit befassten, versuchte, den Sachverhalt abzuklären.
Es ergab sich, dass die derzeitige rechtliche Lage der Budapester Juden in einer Niederschrift festgehalten ist, welche der deutsche Gesandte in Ungarn, Herr Veesenmayer, Ende Oktober Herrn Dr. Schirmer, Delegierter des Internationalen Komitees, übergab. Das Original dieses Dokumentes dürfte mittlerweile in Genf, eine Kopie davon bei der Abteilung für Fremde Interessen Ihres Departements eingetroffen sein. Dieses Dokument liegt mir im Wortlaut nicht vor, und ich möchte mich auf Grund der mündlichen Ausführungen von Herrn Dr. Schirmer dazu nicht äussern.
Dieser Niederschrift sind zahlreiche Verhandlungen, Zusagen und Aktionen vorangegangen3. Um nur einige zu erwähnen, sei angeführt, dass die Ungarische Regierung im Mai dieses Jahres sich verpflichtete, über 200000 Juden aus Budapest nach dem Reich zu verschicken, gegen die Verpflichtung der Reichsregierung, 8000 Juden mit Palästina-Zertifikaten frei ausreisen zu lassen. Nach den Interventionen des Königs vonSchweden4, des Internationalen Komitees und anderer Stellen, verfügte der Reichsverweser, dass keine Juden mehr nach Deutschland verschickt werden sollen, worauf die Reichsregierung ihrerseits die Ausreise der 8000 Juden nicht gestattete. Dann zogen jüdische Kreise vor dem Zusammenbruch der rumänischen Front eine Aktion auf, um 2000 Juden die Ausreise nach Palästina zu gestatten, wobei sie als Gegenleistung amerikanische Lastwagen, die in der Türkei waren, der SS anboten. Durch Dazwischentreten der Amerikanischen Regierung wurde die Lieferung der Lastwagen verboten. Offenbar sind die Verhandlungen, welche Herr Becher, mit Herrn Saly Mayer, dem Vertreter des Joint Committee führt, eine Fortsetzung dieses Geschäfts5. Inzwischen wurde von den portugiesischen und schwedischen Vertretungen in Ungarn sogenannte Schutzpässe an gewisse Juden verteilt. Ebenso verteilte das Internationale Komitee einige hundert Schutzpässe an Juden, die in seiner Hilfsaktion mitarbeiteten. Andere Aktionen betrafen Juden, die die Erlaubnis hatten, nach Tanger reisen zu dürfen und die, zum Teil gefälschte, fremde Ausweispapiere, vornehmlich südamerikanische, besassen. Eine weitere Aktion betraf 1600 Juden, die wahrscheinlich von den Herren Mantello und Konsorten losgekauft werden wollten. Diese wurden, um sie für die Ausreise beieinander zu haben, nach Bergen-Belsen verbracht. Als die Gegenleistung für eine erste Gruppe von 318 Juden, die von Herrn Bührlevon der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon durch Lieferung von Werkzeugmaschinen (wie Dr. Schirmer ausführte) erbracht wurde, in Deutschland eintraf, wurden sie bekanntlich an der Schweizergrenze abgeliefert. Diese Aufzählung ist nicht vollständig. Eine Klarstellung könnte nur durch Prüfung der Akten des Internationalen Komitees und der Abteilung für Fremde Interessen erfolgen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die deutschen Behörden sich an ihre früheren Zusagen, Teile der Judenschaft Budapests ausreisen zu lassen, nicht mehr gebunden fühlen, weil die für dieses «Entgegenkommen» seitens der Ungarischen Regierung und seitens gewisser jüdischer Organisationen und Finanzgruppen in Aussicht gestellten Gegenleistungen entweder nachträglich abgelehnt oder noch nicht bindend zugesagt wurden. Alle ungarischen Juden haben somit zur Zeit keinen Anspruch auf Ausreise und die Demarchen der Gesandtschaft beim Auswärtigen Amt für die Gruppe in Bergen-Belsen und die zweite Gruppe von 8000 Juden aus Budapest haben nur moralischen Wert.
Ob es doch noch zu einer Ausreise von Juden kommt, hängt vom Gang der weitern Verhandlungen der Vertreter der verschiedenen jüdischen Organisationen ab. Für die Demarchen von Herrn Saly Mayer wird in Kreisen des Internationalen Komitees vermutet, dass sie hauptsächlich auf Zeitgewinn gehen, da die Waren, welche von der SS als «Kaufpreis» verlangt werden, wohl einer Gattung angehören, die von den Alliierten nie zur Ausfuhr nach Deutschland freigegeben werden wird.
Für den Fall, dass Sie mich beauftragen wollen, beim Auswärtigen Amt, unbekümmert um den Stand der direkten Verhandlungen zwischen der SS und den Interessierten, diese Angelegenheit vorwärts zu treiben, möchte ich anregen, dass Sie mich gleichzeitig auch über deren Lage verständigen, damit ich in voller Kenntnis aller Einzelheiten handeln kann.
Es sei noch beigefügt, dass neben allen diesen Bestrebungen noch von Baron Mauthner in Wien für die ungarische jüdische Familie Weisz und ihren Anhang sowie für einen weitern ihr nahestehenden Personenkreis ebenfalls auf eine Verständigung mit der SS hingearbeitet wird. Die seinerzeit mit der « Swissair» in Dübendorf ohne Pässe eingetroffenen Juden, deren Pässe tags darauf mit falschen Einreisevisen nachgeliefert wurden, gehören zu diesen von Baron Mauthner betreuten Leuten6. [...]
P.S. Heute habe ich bei Staatssekretär Steengracht noch einmal darauf hingewiesen, dass die Schweiz bereit sei, den ungarischen Juden, die noch in Bergen-Belsen sind, die Einreise zu gestatten und dass sie auch gewillt sei, ändern ungarischen Juden mit ausländischen Sichtvermerken und Schutzpässen die Ausreise über die Schweiz zu erleichtern. Ich habe aber betont, dass wir eine rechtzeitige Verständigung wünschen.
- 1
- Lettre: E 2001 (D) 1968/74/14.↩
- 2
- Cf. No 263. L’orthographe des noms propres du document 299 a été corrigée.↩
- 3
- Cf. E 2001 (D) 1968/74/6.↩
- 4
- Gustav II.↩
- 5
- Cf. Nos 200 et 219.↩
- 6
- Le Baron Mauthner avait aussi proposé que des Hongrois puissent se réfugier en Suisse afin d’échapper aux Russes. Son exposé avait été transmis aux autorités fédérales par le Professeur C. J. Burckhardt. Afin d’y répondre, une discussion a eu lieu réunissant le 26 octobre: F. Walther, du Bureau du Délégué du Conseil fédéral aux œuvres d’entraide internationale, F. Wagnière, du Département politique et O. Düby, de la Division de Police du DJP: Das Exposé Mauthner würde vorsehen, dass Flüchtlinge aus Ungarn, die zufolge der herannahenden Russen das Land verlassen wollen, nach der Schweiz weitergeleitet werden. In der Hauptsache dürfte es sich also um Leute handeln, die nicht Juden sind, und die vielleicht einen besondern Grund zur Angst vor den Russen haben. Das der Herr GESTAPO-Chef, Dr. EbnervonWien, auf den Vorschlag Mauthners sein Einverständnis dazu erklärt hat, auch Juden unter diesen Flüchtlingen aufzunehmen, erweckt ein wenig den Eindruck, dass die ändern Flüchtlinge damit der Schweiz schmackhafter gemacht werden sollen. Nach unserer Auffassung ist es vorerst Sache Deutschlands, die Flüchtlinge aus Ungarn, die dem Krieg und den Russen entweichen wollen, bei sich aufzunehmen. Bei einer Durchführung des Planes Mauthner würde wohl die Gefahr bestehen, dass gerade die Leute, denen wir in erster Linie helfen möchten (Ungaren, die sich gegen den herrschenden Kurs auflehnen, und Juden, die mit der Vernichtung bedroht sind), nicht in die Schweiz gelangen könnten. Wir sind daher zum Schluss gekommen, dass es angezeigt erschiene, Herrn Professor Burckhardt zu antworten, dass ein Eintreten auf den Plan Mauthner auf Grund der erhaltenen Angaben wenig zweckmässig erscheine, dass vielmehr die direkten Bemühungen der Schweiz um Durchlassung der Flüchtlinge, die wir aufnehmen möchten, weiter verfolgt werden sollten. (Notice de O. Düby pour H. Rothmund du 27 octobre 1944, E 4800 (A) 1967/111/206).↩
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