Classement thématique série 1848–1945:
V. POLITIQUE MILITAIRE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 15, doc. 227
volume linkBern 1992
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#13989* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 09.09.-12.09.1944 (1944–1944) |
dodis.ch/47831 CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 12 septembre 19441 1544. Aufhebung der Verdunkelung
Procès-verbal de la séance du 12 septembre 19441
Im August 1940 fanden die ersten umfangreichen nächtlichen Verletzungen unseres Luftraumes durch alliierte Flieger bei ihren Angriffen gegen Oberitalien statt. Dies gab Anlass, die Einführung der Verdunkelung zur Diskussion zu stellen, nachdem gleich zu Beginn des Aktivdienstes ursprünglich die Notwendigkeit einer Verdunkelung des Landes verneint worden war. Nach der Verordnung über die Verdunkelung im Luftschutz vom 3. Juli 1936 wird die Verdunkelung vom Bundesrate und nach der Wahl des Generals von diesem verfügt2.
Nachdem sich die nächtlichen Verletzungen unseres Luftraumes in der Folge trotz den erhobenen Protesten wiederholten, beschloss der Bundesrat in seiner Sitzung vom 23. September 19403, den General auf dessen Antrag hin zu ermächtigen, für den Fall einer neuen nächtlichen Überfliegung die Verdunkelung für das ganze Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft sofort und bis auf weiteres anzuordnen. Eine neue schwere Verletzung unseres Luftraumes durch englische Flieger fand einen Monat später, in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober statt. Der Bundesrat befasste sich deshalb am 22. Oktober 1940 neuerdings mit der Verdunkelungsfrage4, insbesondere weil der General nun mittlerweile Bedenken gegen die Einführung der Verdunkelung äusserte. In dieser Bundesratssitzung kamen als Folge eines Schrittes des deutschen Gesandten zum erstenmal auch die politischen Erwägungen zur Sprache. Beschlossen wurde alsdann, es sei für diesmal noch von der Einführung der Verdunkelung Umgang zu nehmen, jedoch den General trotz seinen Bedenken zu verhalten, bei einer neuen nächtlichen Verletzung unseres Luftraumes die Verdunkelung nach vorheriger Rücksprache mit dem Bundespräsidenten anzuordnen.
Dieser Fall trat in der Folge auch ein; denn neue Luftraumverletzungen veranlassten den General, mit Befehl vom 6. November 1940 die allgemeine Verdunkelung für das ganze Gebiet der Schweiz mit Wirkung ab 7. November 1940 einzuführen5. Im Laufe der folgenden 4 Jahre traten alsdann eine ganze Anzahl Änderungen der Verdunkelungszeiten hinsichtlich deren Beginn und Ende ein, und ausserdem ergab sich die Notwendigkeit der Anpassung verschiedener Vorschriften über den öffentlichen Verkehr und den Fliegeralarm vor und während der Verdunkelung.
Mit einem Schreiben vom 9. September 1944 teilt der General nun mit, dass er beabsichtige, die Verdunkelung für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft aufzuheben6. Zur Begründung führt er an, dass die Entwicklung des Krieges an unserer Grenze schon in den allernächsten Tagen eine wesentliche Verschärfung erwarten lasse. Allein im Verlaufe des 8. September 1944 seien beispielsweise 42 Grenzverletzungen durch Flieger festgestellt worden. Diese Feststellung habe ihn veranlasst, Mittel und Wege zu einer besseren Kenntlichmachung unserer Landesgrenze zu suchen und anzuordnen. Als taugliches Mittel für die Markierung der Grenze bei Tag erachte er die Anbringung von Fahnen und Flaggen und das Bemalen der Dächer mit Schweizerkreuzen. Bei Nacht jedoch könnte die Grenze wohl am zweckmässigsten nur durch Aufhebung der Verdunkelung den Fliegern kenntlich gemacht werden. Bevor er jedoch diese Massnahme anordne, ersuche er um die Bekanntgabe der Meinung der obersten Landesregierung. Seinem Schreiben legte der General eine Eingabe des Regierungsrates des Kantons Baselstadt bei, der dringend um Aufhebung der Verdunkelung nachsuchte. Mittlerweile ist eine gleichlautende Eingabe der Berner Regierung direkt beim eidg. Militärdepartement eingelangt.
Der Vorsteher des eidg. Militärdepartements hatte Gelegenheit, sich an Ort und Stelle über die ganze Tragweite einer Aufhebung der Verdunkelung zu orientieren und mit den massgebenden zivilen und militärischen Dienststellen Fühlung zu nehmen. Es ist unbestritten, dass die neuesten Entwicklungen auf den Kriegsschauplätzen unsere Grenzgebiete von La Chaux-de-Fonds bis über Basel hinaus gefährden und eine deutliche, weit sichtbare Kenntlichmachung der Grenze erfordern. Die Massnahmen für die Markierung bei Tag sind angeordnet und in Ausführung. Es bleibt nun einzig zu erwägen, ob zu diesem Zwecke bei Nacht die Verdunkelung aufzuheben sei.
Es kann ohne weiteres festgestellt werden, dass in letzter Zeit die Mehrzahl der Überfliegungen, aus Gründen, die hier nicht näher erörtert werden müssen, mehr und mehr von der Nacht auf den Tag verlegt wurden. Die nächtlichen Überfliegungen sind zudem nicht mehr davon abhängig, ob die Schweiz, wie 1940, als Leuchtturm mitten im verdunkelten Kontinent, sich aus politischen Rücksichten der Verdunkelung unterzieht oder nicht. Für die Ortschaften und die Zivilbevölkerung dagegen sind nächtliche Überfliegungen gefährlicher als Tagesverletzungen bei gut markierter Grenze.
Im heutigen Stadium des Luftkrieges ziehen weder Angreifer noch Angegriffene aus einer verdunkelten oder beleuchteten Schweiz Vorteile oder Nachteile. Wohl aber bedeutet die verdunkelte Schweiz für diejenigen Flieger fremder Luftwaffen beider Kriegsparteien, die in korrekter Weise unsere Grenze beachten möchten, eine wesentliche Erschwerung.
Die Verdunkelung wurde seinerzeit aber nicht nur aus politischen, sondern auch aus militärischen Erwägungen ausgelöst. Mit Rücksicht darauf, dass der Übergang von der beleuchteten Schweiz zum verdunkelten Lande immer eine gewisse Frist beansprucht, glaubte man, sich durch eine vorsorgliche Verdunkelung gegen die Gefahr eines Überfalles besser schützen zu können. Das Departement glaubt aber, voraussetzen zu dürfen, dass die Gefahr des Überfalles heute nicht mehr in dem Masse besteht wie früher und deshalb der Zeitgewinn einer vorsorglich angeordneten Verdunkelung nicht mehr massgebend ins Gewicht fällt.
Die Armee selbst benötigt zur Tarnung ihres gegenwärtigen Aufmarsches die Verdunkelung ebenfalls nicht mehr, da die Bewegungen der Heereseinheiten ohnehin in den nächsten Tagen zum Abschluss kommen.
Selbstverständlich können die Erwägungen einer bessern Grenzmarkierung nicht zum einseitigen Schlüsse führen, dass nur in den Grenzgebieten die Verdunkelung aufzuheben sei. Die Frage stellt sich vielmehr für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft.
Mit der Aufhebung der Verdunkelung allein ist jedoch in den gegenwärtigen Zeiten eine hinlängliche Markierung der Landesgrenze noch nicht gewährleistet. Es muss zusätzlich zur Aufhebung der Verdunkelung noch angeordnet werden, dass zum mindesten die öffentliche Beleuchtung in den Grenzgebieten in vollem Umfange die ganze Nacht eingeschaltet bleibt und sich einzelne, besonders nahe an der Landesgrenze liegende Gebäulichkeiten diesem Beleuchtungszwang ebenfalls unterzuordnen haben. Gerade weil unsere Landesgrenze vielfach durch unbewohnte, in der Folge also auch nicht beleuchtete Gebiete verläuft, ist es notwendig, dass die Behörden für die bewohnten Grenzgebiete besondere Massnahmen anordnen. Über die Einzelheiten der Anordnungen der Beleuchtung wie auch über die Bedingungen, unter denen der öffentliche Verkehr von statten zu gehen hat, würde sich das eidg. Militärdepartement mit dem Armeekommando ins Einvernehmen setzen.
Endlich darf nicht ausser acht gelassen werden, dass auch bei einer zustimmenden Stellungnahme des Bundesrates zur Aufhebung der Verdunkelung, die Bevölkerung die Verdunkelungsbereitschaft weiterhin aufrecht erhalten muss, damit im Falle kriegerischer Verwicklungen die Verdunkelung neuerdings angeordnet werden könnte.
Zusammenfassend stellt das Departement fest, dass bei der heutigen, wesentlich veränderten Lage weder politische noch militärische Rücksichten eine Fortdauer der Verdunkelung erheischen. Dagegen sprechen eine ganze Anzahl Gründe, darunter auch die Sicherheit der Bevölkerung, für eine Aufhebung der Verdunkelung zum Zwecke einer bessern Kenntlichmachung des Gebietes der gesamten Eidgenossenschaft bei Nacht.
Dementsprechend beantragt das Militärdepartement im Einvernehmen mit dem Politischen Departement und der Rat1. Der Bundesrat erteilt dem General die Ermächtigung zur Aufhebung der Verdunkelung.
2. Die Regierungen der Grenzkantone sind zu ersuchen, die öffentliche Beleuchtung unmittelbar an der Grenze uneingeschränkt während der ganzen Nacht in Betrieb zu lassen und die Eigentümer von Grenzliegenschaften zu den gleichen Massnahmen zu veranlassen.
3. Das eidg. Militärdepartement wird beauftragt, im Einvernehmen mit dem Oberbefehlshaber und den in Betracht fallenden zivilen Stellen alle weiteren Massnahmen anzuordnen.
- 2
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 373, dodis.ch/47130.↩
- 3
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 385, dodis.ch/47142.↩
- 4
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 399, dodis.ch/47156.↩
- 5
- Cf. DDS, vol. 13, doc. 409, dodis.ch/47166.↩
- 6
- E 27/16214.Cf. aussi E 2001 (E) 1967/113/126.↩
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