Ich beehre mich, Ihnen zu bestätigen, dass ich bestrebt war, auf Grund Ihrer verschiedenen Telegramme und Ihres ausführlichen Berichtes vom 12. April2 eine übereilte britische Reaktion betreffend die deutsch-schweizerischen Verhandlungen nach Möglichkeit zu verhindern. Ich hatte vorerst eine Besprechung mit Mr. Foot vom Kriegswirtschaftsamt geplant und hernach auch eine beim Aussenminister Eden. Zufolge politischer Ereignisse3 sah ich dann vorerst Sir AlexanderCadogan im Auswärtigen Amte und später am gleichen Tage Mr. Foot.
Von Sir Alexander erfuhr ich zum ersten Mal, dass die britische und amerikanische Note betreffend unsere Verhandlungen schon in Bern liege und nur im Hinblick auf meine Verwendungen vorläufig zurückgehalten sei. Angesichts dieser Auskunft war mir in erster Linie darum zu tun, die Übergabe der Noten bis zu meiner Besprechung mit Mr. Eden zu verschieben und teilte zur Beruhigung Sir Alexander auch mit, dass unsere Delegation in Berlin noch nichts Positives erzielt habe und über Ostern in Bern sei (siehe Beilage l)4.
Für die Verhandlungen mit Mr. Foot5 habe ich mich mit zwei Memo6 gewappnet über den Kompensationsverkehr und das Copra Geschäft. Gleich zu Anfang liess mich Mr. Foot nicht im Zweifel darüber, dass man sowohl im Kriegswirtschaftsministerium in London als auch in der Parallelinstitution in Washington über unsere Verhandlungen mit Deutschland sehr verstimmt sei. Ich habe Mr. Foot, der im allgemeinen eher ruhig und vorsichtig überlegt ist, noch nie so ungehalten über unsere wirtschaftliche Stellungnahme gegenüber Deutschland gesehen. Er hat aus den Ansichten seines Ministeriums keinen Hehl gemacht. Angesichts dieser Situation war zu befürchten, dass sein Ministerium zusammen mit ändern die Aufhebung der bisherigen Verzögerung in der Überreichung der Noten vielleicht auch gegen die Opposition des Auswärtigen Amtes zustande bringen könnte, bevor ich Mr. Eden gesehen. Ich ersuchte daher Mr. Foot dringend von diesem Schritte, den er tatsächlich geplant, abzuhalten und erhielt von ihm am folgenden Morgen eine zustimmende Antwort. Auch hatte ich den Eindruck, dass meine Begründung für Haferlieferung der Armee nicht ganz auf taube Ohren fiel. Betreffend den Verlauf unserer Besprechung verweise ich Sie auf die beiliegende Notiz vom 29. April (siehe Beilage 2)7.
Was meine Besprechung mit Minister Eden8 anbelangt, war mir von vorneherein klar, dass lange wirtschaftliche Ausführungen den mit so vielen anderen Fragen beschäftigten Mann nicht genügend interessieren könnten. Die Werkzeuge, die mir für die Besprechung zur Verfügung standen, waren wenige. Ich hatte mir den Kopf zerbrochen nach neuen zutreffenden Begründungen politischer Natur unseres Vertrages mit Deutschland, Begründungen, die gleichzeitig auch gewisse britische Interessen an der Erfüllung des Vertrages demonstrieren würden. Ich hoffe, es sei mir dies bis zu einem gewissen Grade gelungen durch Hervorheben der Bedeutung unserer Armee im internationalen Aspekt und deren Abhängigkeit von den deutschen Lieferungen für die notwendigen Befestigungen und Bewaffnungen. Jedenfalls hat mir Mr. Eden trotz Geltendmachung verschiedener ernstester Bedenken versprochen, die schweizerische Angelegenheit nochmals zur Prüfung zu bringen. Ich erwarte den Bescheid im Laufe dieser Woche.
Gestatten Sie, Herr Bundesrat, dass ich mich noch ganz kurz allgemein zur Art der bisherigen Verhandlungsweise mit Deutschland und Grossbritannien äussere. Wir haben nach dem Zusammenbruch Frankreichs und unter dem Einfluss der deutschen Siege und des deutschen Druckes den Vertrag vom 18. Juni 19419 abgeschlossen. Vor Abschluss dieses Vertrages hatte Grossbritannien uns deutlich wissen lassen, dass man im Falle von Konzessionen an Deutschland auch gleichzeitig die Erwirkung von analogen Konzessionen für die Alliierten erwarte. Wir haben in der Folge Deutschland sehr grosse Konzessionen gemacht, aber der Ausgleich zugunsten der Alliierten ist ausgeblieben. Man konnte unsere Handlungsweise erklären als Folge der deutschen Forderungen und der damals da und dort in der Schweiz herrschenden Meinung, dass der Krieg rasch zugunsten Deutschlands entschieden sein werde10; man konnte damals namentlich bezüglich des letzteren Punktes in guten Treuen verschiedener Ansicht sein. Jedenfalls blieb aber die englische Gegenreaktion nicht aus und es ist uns in der Folge trotz langen, zähen und gewandten Bemühungen nicht gelungen, in dieser Stellung, der sich nachträglich auch die Vereinigten Staaten anschlossen, eine wesentliche Änderung zu bewirken.
Heute stehen wir inmitten neuer Verhandlungen mit Deutschland11. Diesmal ist aber die politische Situation eine ganz andere. Statt dem siegbewussten Deutschland haben wir es mit einem Lande zu tun, das bereits von allen Seiten umringt ist und das sich Rechenschaft geben muss, dass es dem Endkampf über kurz oder länger entgegengeht. Die Schweiz darf heute nicht mehr einen Vertrag mit Deutschland eingehen, der auch nur annähernd dem Ausmass des alten entspricht. Kriegs- und Maschinenlieferungen müssen stark herabgesetzt werden und vor allem Bestimmungen mit politischem Charakter wie Artikel 2 und 312 verschwinden. Wenn wir dies nicht tun, werden wir unsere Handlung, die sich nicht einmal genügend mit wirtschaftlichen Gründen weiterhin verantworten lässt, unmittelbar zu spüren bekommen. Wir müssen uns aber auch der Wirkungen für die Nachkriegszeit und den Frieden bewusst sein. Diese würden sich in wichtigen Gebieten des wiederbefreiten Europas, im ganzen Britischen Reich, Amerika, Russland und China bemerkbar machen. Diese Gebiete sind politisch und wirtschaftlich auf die Dauer für die Schweiz wichtiger wie das zukünftige Deutschland und Italien.
Aus diesen Überlegungen heraus bin ich der Ansicht, dass wir namentlich die Art des Vorgehens zu ändern suchen müssen, indem die Engländer offensichtlich nicht mehr gewillt sind, vor das «fait accompli» weitgehender Abmachungen unserseits mit der Gegenseite gestellt zu werden, die wir jeweils nachträglich zu erklären suchen. Es handelt sich hiebei um eine natürliche Reaktion, der wir uns namentlich bei den starken alliierten Beiträgen an unsere Landesversorgung nicht verschliessen dürfen. Wie Sie aus den Beilagen ersehen werden, habe ich in dieser Richtung persönlich und für Sie unverbindlich, bei Mr. Foot wie im Auswärtigen Amt sondiert, und der Gedanke einer etwas einlässlicheren Orientierung der Engländer über unsere Verhandlungsabsichten mit Deutschland wurde sogleich als konstruktives Element begrüsst. Wie ich Ihnen telegraphisch berichtete, hat die ernste englische Reaktion auf das kürzliche Liquidationsabkommen sowie auf die angekündigten neuen Verhandlungen, den Sinn einer klaren englischen Warnung, dass die Eingehung neuer weitgehender Verpflichtungen gegenüber Deutschland z. B. auf dem Finanzgebiet, sowie ganz besonders die Weiterführung beträchtlicher Kriegsmateriallieferungen nicht mehr hingenommen würde, sondern weitgehende Konsequenzen zur Folge haben dürfte.