Classement thématique série 1848–1945:
2. RELATIONS BILATÈRALES
2.12 HONGRIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 338
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#175* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 90 | |
Dossier title | Budapest, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 3 (1940–1943) |
dodis.ch/47524
Der ungarische Ministerpräsident hat mich kurz nach der Rückkehr von seiner Romreise empfangen. Wir hatten über dieses Ereignis eine längere Unterredung, aus der ich folgende Punkte hervorheben möchte.
Wie ich Ihnen schon telegraphierte, ist der Besuch in Rom auf Mussolinis Einladung erfolgt. Er war schon längst fällig, da es üblich geworden ist, dass die neu ernannten Ministerpräsidenten in Berlin und in Rom Antrittsbesuche machen. Der Besuch bei Hitler ist schon letztes Jahr erfolgt, derjenige bei Mussolini ist nicht weniger als drei Mal verschoben worden. Das erste Mal wegen des Todes des Sohnes und Stellvertreters des ungarischen Reichsverwesers, das zweite Mal wegen der Schlacht von El Alamein und das dritte Mal wegen der Erkrankung des italienischen Regierungschefs. Ein viertes Mal wollte man das Besuch nicht absagen, obgleich er wegen des Durchbruchs der Allierten durch die Marethlinie wieder in Frage gestellt worden war. Herr v. Kallay hat sehr darauf bestanden, mir zu erklären, dass Mussolini wieder vollständig hergestellt, gesund und widerstandsfähig sei. Er habe mit ihm persönlich lange konferiert und sei erstaunt gewesen, dass ihn Mussolini sogar nach einem anstrengenden Ministerrat nochmals empfangen und ohne Ermüdung zu zeigen mit ihm gesprochen habe.
Mussolini soll unerschütterlich entschlossen sein, weiter mit der Achse mitzutun. Tunis solle mit aller Zähigkeit bis zum letzten Mann gehalten werden. Dabei sei man sich in Rom bewusst, dass mit dem Verlust der afrikanischen Positionen die Möglichkeit für die Alliierten gegeben sei, auf Sardinien und Sizilien Flugplätze einzurichten und das Bombardement von Italien auf neuer Basis zu organisieren.
Was Russland anbetreffe, soll Mussolini überzeugt sein, dass drei Möglichkeiten gleichermassen bestehen,
1. dass die Deutschen in der bevorstehenden Sommerkampagne die russischen Armeen erschöpfend schlagen und vernichten;
2. dass Deutschland auf verkürzter Linie einen Ost wall errichte und sich dort dauernd einrichte;
3. dass zwischen den Deutschen und den Russen ein Friedensschluss zustande komme. Dies sei umso eher möglich, je mehr die Russen einsehen müssten, dass sie von den Engländern und Amerikanern keine Waffenhilfe zu erwarten haben.
Was Ungarn anbetrifft, habe ich erfahren können, dass keine kombattanten ungarischen Truppen mehr ausserhalb der Landesgrenzen, also auch nicht an der Ostfront, zum Einsatz gelangen. Die ungarischen Truppen, die sich noch in Russland befänden, kämen lediglich in der Etappe zur Verwendung. Auch beabsichtige Ungarn nicht, irgendwelche Kontingente über die Landesgrenzen hinauszuschicken, auch nicht Etappentruppen, wie z. B. für Griechenland, und auch keine militärisch gesicherten Arbeitsbrigaden, wie sie etwa zur Ausbeutung von Kupferminen in Serbien in Frage gekommen seien. Der Eindruck drängt sich auf, dass Ungarn nicht mehr gewillt ist, sich ausserhalb seiner Landesgrenzen irgendwie zu engagieren.
Im Laufe der Unterredung hat mir der Ministerpräsident die Versicherung abgegeben, dass während all’der Verhandlungen und Unterredungen der Name der Schweiz nicht in Erwähnung gefallen sei.
Ausser dieser Bemerkung habe ich als das Wichtigste der Unterredung feststellen können, dass der Ministerpräsident von seiner Reise den Eindruck mitgebracht und mir vertraulich vermittelt hat, dass sowohl bei den Italienern wie bei den Deutschen eine Geneigtheit zum Frieden vorhanden sei. Der Ministerpräsident hat es nicht unterlassen, mich indirekt aufzufordern, im allgemeinen Interesse und im besondern im Interesse der kleinern Staaten, alles in meiner Möglichkeit Stehende zu tun, damit auch auf der ändern Seite die gleiche Disposition geschaffen werde. Ich bitte Sie, hievon nur strengst vertraulich Kenntnis zu nehmen.
- 1
- E 2300 Budapest/3.↩