Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 14, doc. 105
volume linkBern 1997
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7344* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 230 | |
Dossier title | Frankreich (1938–1942) | |
File reference archive | C.21.21.1 • Additional component: Frankreich |
dodis.ch/47291
Wirtschaftsverhandlungen mit Frankreich.
Gestern hatte ich eine lange Besprechung mit dem Direktor für Aussenhandel, Leroy-Beaulieu, dem Adjunkten des Leiters der Wirtschafts Verhandlungen im Aussenministerium und einem hohen Beamten des Finanz-Ministeriums. Ich möchte Ihnen darüber folgendes berichten:
1. Form der Ergänzung zum « modus vivendi»2. Wir hatten in Aussicht genommen, die letzte Woche getroffenen Abmachungen, von denen Sie unterdessen Kenntnis erhalten haben dürften, in Form eines Notenwechsels zwischen dem Aussenministerium und der Gesandtschaft festzulegen. Es ist mir nun gestern eindringlich dargelegt worden, dass bei der Wahl dieser Form unsere neuen Abmachungen unmöglich der Kenntnis der Deutschen entzogen werden können! In diesem Falle sei aber mit Sicherheit zugewärtigen, dass Deutschland erneut und kategorisch verlangen würde, dass der offizielle Verrechnungskurs von 1 zu 10 abgeändert werde. Man schlug indessen vor, sich mit einem Briefwechsel zwischen den beidseitigen Verrechnungsstellen zu begnügen. Obschon dies für uns juristisch und ästhetisch nicht sehr befriedigend ist, halte ich doch dafür, dass wir ein Interesse haben, den französischen Wünschen zu entsprechen. Ich habe in diesem Sinne gestern Herrn Bonhöte telephoniert.
2. Verlegung der deutschen Zollkontrolle von La Plaine nach Bellegarde3:
Wie ich befürchtet hatte, erteilte man mir eine durchaus negative Antwort und servierte dabei erneut die unglückselige Berichterstattung im «Journal de Genève», sowie die Tatsache, die Schweiz habe ohne Notwendigkeit und ohne Frankreich etwas davon zu sagen, nicht nur den Warenexport, sondern auch den Personenverkehr über Bellegarde geleitet und damit der deutschen Kontrolle unterstellt. Ich erwarte über diese Frage mit Interesse Ihren Bericht. Im weitern wurde dargelegt, dass sich das besiegte Frankreich mit aller Energie gegen die deutschen Bestrebungen, im unbesetzten Gebiet permanente Zollkontrollen einzurichten - es wurden im Anfang von deutscher Seite dafür 7000 Zollbeamte vorgesehen! - zur Wehr gesetzt habe und dass es ihm gelungen sei, dieses Begehren auf im ganzen 70 deutsche Beamte zu reduzieren, die sich nirgends ständig niederlassen dürften, sondern nur als «Brigade volante» eine gewisse Kontrolle ausüben könnten. Bei dieser Sachlage kann Frankreich nicht der Schweiz zuliebe im unbesetzten Bellegarde einen ständigen deutschen Zollposten errichten lassen. Ich habe mich mit dieser Antwort keineswegs begnügt, sondern verlangt, dass die Regierung selber, oder mindestens der Finanzminister persönlich auf mein Begehren antworte, das vorwiegend eine politische und nicht eine technische Bedeutung habe.
3. Schweizer-Rentner im Zonengebiet:
Man erklärt grundsätzlich, unter keinen Umständen auf die Anwendung der französischen Gesetzgebung verzichten zu können. Man sei aber bereit, den schweizerischen Rentnern im Zonengebiet generelle für ein Jahr gültige Bewilligungen ausstellen zu lassen, wonach sie einen nachgewiesenermassen für Auslagen in der Schweiz notwendigen Teil ihrer Einkünfte dort lassen könnten und man sei auch bereit, Instruktionen zu erteilen, dass man bei der Untersuchung des Einzelfalles möglichst large vorgehe. Ich habe schliesslich noch erreicht, dass man auch allfällige Ersparnisse in der Schweiz lassen kann. Es wurde allerdings, nicht ganz mit Unrecht, darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen sehr leicht Schiebungen möglich seien, wobei ein derartiger Schweizerrentner mit einem französischen Freund abmache, diesem gegen französische Noten zu einem tiefen Kurs den Gegenwert in der Schweiz in Schweizerfranken zur Verfügung zu stellen.
4. Steigerung des französischen Exportes nach der Schweiz: Es wurde eindringlich gebeten, vorläufig den schweizerischen Export nach Frankreich nicht zu drosseln. Dem Ministère de la Production industrielle sei Weisung erteilt worden, bei Behandlung von Ausfuhrgesuchen nach der Schweiz möglichst large zu sein und zudem werde systematisch untersucht, für welche Waren dieser Export steigerungsfähig sei. Dazu komme, dass sehr oft der Wert der nach der Schweiz ausgeführten Waren durch Abmachungen zwischen dem Verkäufer und dem Käufer künstlich reduziert werde, sodass nicht der volle Gegenwert in Zürich einbezahlt, dafür aber dem französischen Verkäufer in der Schweiz eine Gutschrift in Schweizerfranken erteilt werde. Man sei überzeugt, durch strengere Kontrolle in dieser Hinsicht die Einzahlungen in der Schweiz erhöhen zu können. Ich habe mich darüber sehr skeptisch geäussert und nachdrücklich betont, dass wir eben gezwungen würden, den Export nach Frankreich einzuschränken, wenn die Einzahlungen in der Schweiz nicht wesentlich gesteigert werden können.
Die französischen Herren teilten dann noch mit, Deutschland habe von ihnen verlangt, dass die Tätigkeit der deutschen Zöllner in La Plaine von französischen Zollorganen überprüft werde, was abgelehnt worden sei. Ferner verlange man, dass Frankreich bezüglich des Postverkehrs aus der Schweiz nach Frankreich die gleichen Massnahmen treffe, die der Bundesrat getroffen habe, damit diese Türe doppelt verriegelt sei. Frankreich werde diesem Begehren kaum Widerstand entgegensetzen können. Endlich ist mir noch erklärt worden, die Deutschen hätten behauptet, die Schweiz habe sich Deutschland gegenüber verpflichtet, nach allen Ländern, inklusive Frankreich, gewisse Waren, wie namentlich Maschinen, nur noch gegen Ersatz der entsprechenden Metalle zu liefern. Ich habe lediglich geantwortet, dass das letzte schweizerisch-deutsche Abkommen hierüber nichts enthalte und mir eine andere diesbezügliche Vereinbarung nicht bekannt sei.
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