Vertraulich
Berlin, 17. Juli 1940
Wie ich Ihnen bereits telegraphisch berichtet habe, bat mich Herr von Weizsäcker heute zu sich.
Gleich zu Anfang bemerkte er, dass er das Unangenehme vorannehmen wolle. Herr Köcher sei beauftragt worden, wegen unserer Presse wieder einmal vorstellig zu werden. Der Staatssekretär zeigte mir längere Instruktionen, in denen unter anderem die «Neue Zürcher-Zeitung» und das «Journal de Genève» figurierten. Er bemerkte, es sei bedauerlich, dass die Pressefrage nie zur Ruhe komme. Es nütze niemand etwas, wenn unsere Zeitungen sich zum Sprachrohr der englischen Propaganda machten, dagegen würde uns dies sehr schaden und es sei für unser Land nicht ungefährlich.
Der Grund, weshalb mich Herr von Weizsäcker zu sich bat, war aber um mir mitzuteilen, dass die Reichsregierung die Fliegerzwischenfälle mit unserer Antwortsnote2 als erledigt betrachte und auf alle weiteren Ansprüche, insbesondere auf die Geltendmachung eines Schadenersatzes, verzichte. Dass wir die deutschen Internierten von uns freigelassen hätten3, sei höhernorts gebührend vermerkt worden und habe zu dieser Erledigung des Konfliktes wesentlich beigetragen.
Ich gab meiner Befriedigung über diese Erledigung des Zwischenfalles Ausdruck, und bat den Staatssekretär auch den Dank des Bundesrates hiefür entgegennehmen zu wollen.
Nachdem also Deutschland auf Schadenersatzanspruch verzichtet, wäre es wenig elegant, wenn die Schweiz für die Fliegerzwischenfälle von Kleinhüningen und Courrendlin auf Entrichtung von Entschädigungen beharren würde. Es wird Sache des Bundes sein, den privaten Geschädigten angemessene Vergütungen zu leisten. Beim Fall Courrendlin, wo nur Flurschäden und Schäden an der Bahnanlage entstanden sind, handelt es sich um unbedeutende Summen. Im Fall Kleinhüningen haben die Interessenten offensichtlich übersetzte Ansprüche geltend gemacht, die ich auch aus diesem Grunde kaum vertreten könnte4.
Es ist aber überhaupt zu begrüssen, wenn jetzt, nachdem der Krieg an unseren Grenzen beendigt ist, die Anstände, die sich aus den Verletzungen unseres Luftraumes ergaben, aus den Traktanden endgültig gestrichen werden können. Schliesslich, und das ist die Hauptsache, handelt es sich bei einem solchen Verzicht um eine Geste unsererseits, die noch weiter zur allgemeinen Entspannung der deutsch-schweizerischen Beziehungen beitragen kann.
Dass dies nötig ist, zeigt die einleitende Bemerkung des Staatssekretärs bezüglich der Presse. Auch vermute ich, dass man ursprünglich der Erledigung des Zwischenfalles deutscherseits eine weitergehende Bedeutung, als es jetzt geschehen ist, geben wollte. Schon vor einiger Zeit hörte ich aus Kreisen des Auswärtigen Amtes, dass beabsichtigt sei, die mir jetzt erteilte Antwort durch den Aussenminister persönlich zu geben.
Möglich ist, dass jetzt wo grosse Entscheidungen vor der Türe stehen, Herr von Ribbentrop anderweitig in Anspruch genommen ist; aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wegen des unbefriedigenden Standes der Pressefrage, diese Aussprache mit dem Aussenminister unterblieben ist. Aufgefallen ist mir jedenfalls, dass der Staatssekretär auf seine Erklärung anlässlich der letzten Besprechung über die zu erwartende, befriedigende Gestaltung der deutschschweizerischen Beziehungen diesmal nicht zurückkam, obwohl ich versuchte, das Gespräch auf diese allgemeine Frage zu lenken. Umsomehr sollten wir heute nicht die Gelegenheit verpassen, die von mir angeregte Geste zu machen.