Language: French
26.3.1940 (Tuesday)
CONSEIL FÉDÉRAL Procès-verbal de la séance du 26.3.1940
Minutes of the Federal Council (PVCF)
Le Conseil fédéral décide de répondre favorablement à la demande du CICR concernant la protection des civils contre les bombardements aériens. Toutefois, le Département militaire émet des réserves sur l’efficacité des mesures proposées.

Classement thématique série 1848–1945:
III. ORGANISATIONS INTERNATIONALES ET DÉMARCHES POUR LA PAIX
2. Comité International de la Croix-Rouge
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Printed in

Jean-François Bergier et al. (ed.)

Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 256

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Bern 1991

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Repository

dodis.ch/47013
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 26 mars 19401

481. Appell des internationalen Rot-Kreuzkomitees betreffend Schutz der Zivilbevölkerung gegen Luftangriffe

Auf Grund der Beschlüsse der XVI. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes, die im Juni 1938 in London stattgefunden hatte, war vom Internationalen Rotkreuzkomitee die Vorbereitung einer neuen diplomatischen Konferenz unternommen worden, die folgende fünf Geschäfte auf die Tagesordnung setzen sollte:

1. Projet de révision de la Convention de Genève, du 27 juillet 1929;

2. Projet de révision de la Xe Convention de La Haye, du 18 octobre 1907, sur l’adaptation à la guerre maritime des principes de la Convention de Genève;

3. Projet de convention sur l’aviation sanitaire;

4. Projet de convention sur la création de localités et zones sanitaires;

5. Projet de convention sur les civils de nationalité ennemie.

Im Aufträge des Bundesrates hatte das Politische Departement am 10. Juni 1939 auf diplomatischem Wege eine diesbezügliche Einladung an sämtliche Mitgliedstaaten der Genfer Konventionen verschickt. Der Ausbruch des Krieges verunmöglichte aber die weitere Verfolgung des Konferenzprojektes2.

Unter den fünf vorgeschlagenen Abkommen war das «Projet de convention pour la création de localités et zones sanitaires en temps de guerre» von besonderer Bedeutung, indem damit erstmalig versucht werden sollte, Orte und Zonen zu bezeichnen, die als Bereiche des Sanitätsdienstes für Verwundete und Kranke gegen kriegerische Handlungen geschützt werden sollten.

Denselben Gedanken aufnehmend und allgemein auch für die Zivilbevölkerung erweiternd, trat eine vom Roten Kreuz seit einigen Jahren bestehende Genfer Vereinigung «Association internationale pour la protection de la population civile en cas de conflits armés» dit «Lieux de Genève» mit Vorschlägen hervor, sogenannte «Lieux de Genève», «Zones blanches» zu schaffen, die als Schutz- und Sicherheitsgebiet für die Zivilbevölkerung im Kriege dienen sollten.

Da ebenfalls das Internationale Komitee des Roten Kreuzes die Frage des Schutzes der Zivilbevölkerung im Kriege als in den Rahmen seiner Tätigkeit fallend betrachtet, bereitete es in der Folge den beiden internationalen Organisationen einige Mühe, sich gemeinsam über eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiete zu verständigen. Es darf wohl gesagt werden, dass das Rote Kreuz als alte, bewährte und bekannte Institution mehr Erfolgsaussichten als eine neue besitzt, dass die Idee der «Lieux de Genève» methodisch und technisch noch nicht über ein gewisses improvisiertes Vorbereitungsstadium hinaus Gestalt angenommen hat, und dass Befürchtungen aufgetaucht sind, die Bezeichnung von «Zones Blanches» sei geradezu angetan, Kriegführende zu der unbeabsichtigten Vermutung zu verleiten, dass ausserhalb dieser Zonen dem Zerstörungswillen freie Bahn gegeben werde.

Das Internationale Rotkreuzkomitee beschäftigte sich weiter mit dem Problem des Schutzes der Zivilbevölkerung. Am 13. September 1939 verschickte es an die Regierungen ein Memorandum, um sie auf die Dringlichkeit dieser Frage aufmerksam zu machen. Am 21. Oktober 1939 gelangte das Komitee mit einem weiteren Memorandum an die Kriegführenden, um vorzuschlagen, die Lücken der Genfer Konventionen, die teilweise durch die technischen Neuerungen der Kriegführung entstanden sind, wenigstens durch bilaterale Abkommen «ad hoc» zwischen den Kriegführenden auszufüllen; in diesem Zusammenhange wurde auch wieder auf das «Projet de convention pour la création de localités et zones sanitaires en temps de guerre» hingewiesen. Dieses Memorandum wurde übrigens auf Wunsch des Rotkreuzkomitees vom Politischen Departement auch an unsere diplomatischen Vertreter im Ausland gesandt mit der Instruktion, gelegentlich die Initiative des Roten Kreuzes zu empfehlen.

Leider sind bis jetzt alle diese Anregungen Projekte geblieben, obgleich die immer bedrohlicher werdende Anarchie auf kriegsrechtlichem Gebiete die Öffentlichkeit und Presse aller Länder dazu geführt hat, sich intensiver und ernsthafter mit dem Problem des Schutzes der Zivilbevölkerung zu befassen. Das Interesse, das ihm auch in den kriegführenden Ländern entgegengebracht wird, geht z. B. daraus hervor, dass im letzten Februar der Oberbürgermeister von Stuttgart auf dem Politischen Departement vorgesprochen hat, um sich über die Bestrebungen des Roten Kreuzes und der «Lieux de Genève» informieren zu lassen.

Gestützt auf dieses allgemeine Interesse hat sich nun das Internationale Komitee des Roten Kreuzes entschlossen, die besondere konkrete und dringliche Einzelfrage des Schutzes der Zivilbevölkerung gegen Luftangriffe herauszugreifen und zum Gegenstand eines Appells an die Mitglieder der Genfer Konvention vom 27. Juli 1929 und der IV. Haager Konvention von 1907 zu machen. Dieser «Appel concernant la protection de la population civile contre les bombardements aériens» vom 12. März 1940 begründet ausführlich und mit trefflichen Worten den neuen Schritt und fasst in vier Punkten die Vorschläge des Roten Kreuzes zusammen:

1. Confirmer l’immunité générale que le droit des gens accorde à la population civile.

2. Proclamer que seuls les objectifs militaires sont objets légitimes d’attaques et prohiber notamment toute attaque dirigée contre la population civile comme telle (bombardements d’intimidation).

3. Déterminer ce qu’il faut entendre par objectif militaire.

4. Reconnaître qu’en tout cas un acte de destruction ne doit pas risquer de causer à la population civile un dommage hors de proportion avec l’importance militaire de l’objet visé par l’attaque.

In seinem Begleitschreiben an das Politische Departement bittet das Rotkreuzkomitee, dass die schweizerische Regierung den Appell wohlwollend aufnehmen und prüfen möge und denselben wie bereits beim Memorandum vom 21. Oktober 1939 bei den fremden Regierungen durch Empfehlung unterstütze.

Das Politische Departement, das mit dem Rotkreuzkomitee über das Problem des Schutzes der Zivilbevölkerung dauernd in Verbindung gestanden hat, kann diesen Appell des Komitees, der übrigens von Herrn Prof. Huber verfasst wurde, nur begrüssen. Sein Erlass erfolgt jetzt im Frühling, der möglicherweise grosse Kraftproben der Kriegsführenden auslöst, im psychologisch richtigen Moment. Falls es zu Verhandlungen kommen sollte, würde das Internationale Rotkreuzkomitee, das die Antworten direkt erhalten wird, als Vermittler dienen.

Im einzelnen geben die Grundsätze der vier Punkte zu keinen Bedenken Anlass. Der Bundesrat kann die Postulate ohne weiteres zu seinen eigenen machen. Sie stimmen mit den Prinzipien des internationalen Kriegsrechts und der heutigen öffentlichen Weltmeinung überein. Höchstens kann der dritte Punkt, der die Definition militärischer Zielpunkte vorsieht, zu Schweirigkeiten führen, insbesondere falls die Antworten der Regierungen hierin grosse Meinungsverschiedenheiten aufweisen würden. Es wäre zunächst Sache des Militärdepartements, in Verbindung mit dem Armeekommando den schweizerischen Standpunkt in dieser Frage auszuarbeiten.

Ebenfalls sieht das Politische Departement keine Bedenken, dem Wunsche des Rotkreuzkomitees, schweizerischerseits auf diplomatischem Wege die fremden Regierungen auf den Appell in empfehlendem Sinne hinzuweisen, zu entsprechen. Ein solcher Schritt bliebe zweifellos im Rahmen unserer neutralen Haltung und wäre als ein Unternehmen aktiver Neutralität zu bewerten.

Das Begleitschreiben des Rotkreuzkomitees erwähnt ferner, dass es dieselbe diplomatische Unterstützung auch von der holländischen Regierung erbitten werde. Dieser Umstand gibt schliesslich Anlass zu erwähnen, dass seinerzeit eine Abmachung zwischen der schweizerischen und der holländischen Regierung über die Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche der beiden Regierungen auf dem Gebiete internationaler Konventionen erfolgt ist, wonach die schweizerische sich mit den Konventionen, die das Rote Kreuz betreffen und die holländische sich mit denjenigen, die das Kriegsrecht und die Neutralität zum Gegenstände haben, befassen sollen (Bundesratsbeschluss vom 25. November 1938). Da das Problem des Schutzes der Zivilbevölkerung Ausgangspunkte sowohl in der Genfer Konvention vom 27. Juli 1929 und der IV. Haager Konvention von 1907 hat, versandte das Rotkreuzkomitee den Appell an die Mitgliedstaaten beider Konventionen und ruft die diplomatische Unterstützung durch Bern und den Haag an. Falls der Bundesrat die diplomatische Empfehlung des Appells beschliesst, würde das Politische Departement erst noch die niederländische Regierung davon in Kenntnis setzen, damit sich aus der geplanten doppelten Aktion des Roten Kreuzes keine Missverständnisse ergeben.

Unter diesen Umständen beantragt das Politische Departement und der Rat beschliesst:

1. Der «Appell concernant la protection de la population civile contre les bombardements aériens» vom 12. März 1940 des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes wird zustimmend entgegengenommen und das Politische Departement beauftragt dem Komitee in diesem Sinne zu antworten;

2. das Politische Departement wird ermächtigt, auf diplomatischem Wege die fremden Regierungen empfehlend auf den Appell hinzuweisen;

3. das Militärdepartement ist zu veranlassen, den Begriff «militärische Zielpunkte» zu definieren («déterminer ce qu’il faut entendre par objectif militaire»).

annexe

ANNEXE

1
E 1004.1 1 /395.
2
Cf. No 99.