Classement thématique série 1848–1945:
VI. AFFAIRES DE PRESSE, CENSURE, PROPAGANDE ET OPINION PUBLIQUE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 200
volume linkBern 1991
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1551#362* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1551 11 | |
Dossier title | Deutsch-schweizerische Pressebeziehungen, I (1938–1939) | |
File reference archive | A.15.49.10 • Additional component: Deutschland |
dodis.ch/46957
Le Ministre de Suisse à Berlin, H. Frölicher, au Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique, P. Bonna1
In Beantwortung Ihres Schreibens vom 30. Oktober2 betreffend die deutsch-schweizerischen Pressebeziehungen beehre ich mich Ihnen mitzuteilen, dass ich persönlich mit der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes vor einigen Tagen eine längere Aussprache hatte, nachdem schon vorher Legationsrat Kappeler wegen des Verbots der «Thurgauer Zeitung» und des «Berner Tagblatts» dort vorstellig geworden war. Der jetzige Chef der Presseabteilung, Herr Schmidt, ist seit längerer Zeit krank, weshalb ich von seinem Stellvertreter, Herrn Geheimrat Braun von Stumm, empfangen wurde.
Das Ergebnis der Aussprache war folgendes: Man versicherte mich, dass die Wiedergabe des unfreundlichen Kommentars in der «Regime Fascista» in der deutschen Presse, die mit Einwilligung der Presseabteilung erfolgt war, eine einmalige ist und dass es sich also nicht wiederholen werde. Ferner versprach man mir mit dem Propagandaministerium wohlwollend zu prüfen, ob das Verbot der «Thurgauer Zeitung» wieder aufgehoben werden könne.
Die erwähnten Presseverbote bergründete man weniger mit der Schreibweise dieser Blätter; vielmehr machte man geltend, dass die Einstellung Deutschlands gegenüber den deutsch geschriebenen Zeitungen im Kriege eine andere sei als in Friedenszeiten. Es müsse vermieden werden, dass ausländische Nachrichten, deren Weiterverbreitung in Deutschland verboten ist, durch ausländische Zeitungen zur Kenntnis eines grösseren deutschen Publikums gelangen. Mein Hinweis auf die Kürzung der betreffenden Wertgrenze im abgeänderten Clearingabkommen konnte diese Bedenken zum Teil zerstreuen. Selbstverständlich erwähnte ich auch das berechtigte Interesse der Auslandschweizer, ihre Zeitung aus der Heimat lesen zu dürfen. Schliesslich gab ich auch zu verstehen, dass unsere Bemühungen, der Schweizerpresse Verständnis für Zurückhaltung und Mässigung beizubringen, nicht durch solche Verbote erschwert werden dürfen.
Ich hoffe also, dass die Ausfälle gegen unsere Presse wenigstens bis auf weiteres aufhören und dass das Verbot der «Thurgauer Zeitung» wieder rückgängig gemacht wird.
Was nun Ihre allgemeinen Ausführungen zu den deutsch-schweizerischen Pressebeziehungen betrifft, so schreiben Sie, dass die deutsche Presse in letzter Zeit gegenüber der Schweiz eine sehr unsympathische Haltung einnehme und dass offensichtlich ein Pressefeldzug gegen unser Land eingesetzt habe. Diese Behauptungen scheinen mir nun aber entschieden unrichtig zu sein.
Was den Pressefeldzug anbetrifft, so liegt im wesentlichen nur die Wiedergabe eines Artikel der «Regime Fascista» vor, die sich nach den mir gemachten Zusicherungen nicht wiederholen wird. Im übrigen ist festzustellen, dass die deutsche Presse durchaus freundlich über unser Land schreibt, insbesondere über unsere staatlichen und militärischen Massnahmen. Als Beispiel darf ich auf die beiden Artikel des politischen Redaktors der «Deutschen Allgemeinen Zeitung» verweisen, Artikel, die allerdings in unserer Presse totgeschwiegen wurden. Auch die Korrespondenten der deutschen Blätter in der Schweiz berichten in der Regel in durchaus freundschaftlichem Sinne.
Ungenau ist auch, dass sich die Auslassungen, die an den Artikel des «Regime Fascista» anknüpften, sich gegen die Schweiz als solche und gegen unser Land richteten. Sie richten sich gegen unsere Presse. Ich teile zwar nicht die extreme Auffassung, wonach in der Frage der Neutralität bis in die letzten Konsequenzen zwischen Bürger und Presse einerseits und dem Staat andererseits unterschieden werden muss. Denn die Haltung des Bürgers und der Presse ist für die zwischenstaatlichen Beziehungen und sogar für unsere Neutralitätspolitik nicht gleichgültig. Aber man sollte immerhin beachten, dass sich die bestehenden deutschen Kommentare nicht gegen unseren Staat richten, sondern ausschliesslich gegen die Haltung unserer Presse, die allerdings ihrerseits weniger die deutsche Presse als vielmehr die deutsche Regierung aufs Korn nimmt.
Man darf sich nicht verwundern, dass Deutschland mit der Haltung der Schweizerpresse nicht immer zufrieden ist und dass die Deutsche Gesandtschaft mit ihren Demarchen in dieser Angelegenheit Ihnen unangenehm auffällt. Bei der propagandistischen Isolierung ist es für das deutsche Propagandaministerium enttäuschend, dass der deutsche Standpunkt in einem neutralen Land par excellence wenig Zustimmung findet, sodass sogar die «Tagwacht» und «Le Travail» als Zeugen angerufen werden müssen. Dazu kommt, dass unsere Presse fast immer den Westmächten Recht gibt mit mehr oder weniger Zurückhaltung, je nach dem Takt der betreffenden Zeitung. Man darf sich deshalb auch nicht verwundern, wenn ab und zu ein Echo aus Deutschland zurückschallt. Es ist dies auch nicht tragisch zu nehmen, solange dieses Echo nicht zum Dauerton wird und solange es sich nur gegen die Presse und nicht gegen unser Land richtet, wie dies heute zutrifft.
Selbstverständlich wäre es für die beidseitigen Beziehungen besser, wenn auch die noch vorhandenen unfreundlichen Erscheinungen verschwinden würden. Einen Erfolg kann ich mir aber nicht von der Taktik des Gegenangriffs versprechen, d.h. dass man die Bemühungen der Deutschen Gesandtschaft in Bern als unzulässige Einmischung zurückweist und gewissermassen mit der Lupe3 nach entsprechenden deutschen Unfreundlichkeiten sucht, wie zum Beispiel die angebliche deutsche Kritik an unserer Lebensmittelrationierung4
. Diese Taktik führt nur zu einer unnützen Streiterei ohne jedes praktische Resultat.
Vielleicht liegt die Lösung darin, dass man unserer Presse nicht nur Zurückhaltung in der Form empfiehlt, sondern auch materiell eine neutralere und mehr unparteiische Haltung. Weshalb soll der Schweizer ausschliesslich für die eine oder die andere Seite sein? Die Vermittlerrolle steht uns besser an als die Rolle des Richters. Wenn ein solches Wort auch nichts nützt, so wird es jedenfalls bei den Konfliktsparteien weniger Anstoss erregen. Was der Papst und die Staatsoberhäupter von Belgien und Holland in dieser Richtung getan haben, dürfte auch von schweizerischer Seite aus zu vertreten sein.
Tags