Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 13, doc. 29
volume linkBern 1991
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1551#4195* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1551 142 | |
Dossier title | Bürgerkrieg in Spanien, Berichte der Schweiz. Gesandtschaft (1936–1939) | |
File reference archive | B.73.E.7 |
dodis.ch/46786
Kaum eine Stunde nach Absendung meines Telegramms Nr. II3, hatte ich die Ehre Ihre telegraphische Meldung Nr. 174 über die Anerkennung «de jure» durch den hohen schweizerischen Bundesrat der Regierung von Burgos, zu erhalten.
Sofort nach Empfang Ihres Telegramms berief ich die führenden Mitglieder der Schweizerkolonie zu einer Zusammenkunft auf die Gesandtschaft, um mit ihnen die durch die Anerkennungs Franco’s für die Kolonie geschaffene Sachlage zu besprechen. Der erste Eindruck meiner Mitbürger war deprimierend, man gab der Befürchtung Ausdruck, dass die hiesigen Behörden, wie es gegenüber Angehörigen solcher Staaten, die die Regierung von Burgos ebenfalls anerkannt hatten, getan worden war, zu zum wenigsten schikanösen Massnahmen den Schweizern gegenüber greifen würden. Aber Ratschläge wie der geschaffenen Situation zu begegnen sei, hörte ich von den Anwesenden, unter denen sich auch Herr Arbenz befand, keine. Ich erklärte meinen Mitbürgern, dass das eidgenössische Politische Departement gewiss, bei der Fassung des Beschlusses der Anerkennung der Regierung von Burgos die Interessen der in Volksfrontspanien verbliebenen Schweizer und der schweizerischen Unternehmungen nicht aus den Augen gelassen und vorsorgliche Massnahmen ergriffen haben werde zur Gewährleistung der weitern Sicherheit von Leben, Hab und Gut unserer Landsleute. Die Versammlung ging dann auseinander, mit der Erklärung von meinen Ausführungen und mit meinem Verbleiben auf dem Posten beruhigt zu sein.
Am gleichen Abend, um halb acht Uhr, hörte ich auf der Gesandtschaft selber die von der Radioemission von Beromünster gegebenen nähern Aufklärungen über die Anerkennung der Regierung von Burgos und ich konnte dann die im Schweizerklub versammelten Landsleute vollends beruhigen. Bis jetzt ist auch der Betrieb auf der Gesandtschaft ganz normal weitergegangen und weder die Gesandtschaft, noch ein Schweizer sind irgendwie behelligt worden. Trotzdem die Nachricht in ganz Madrid durch die Radio bekannt wurde, hat die Madrid erpresse über die fragliche Anerkennung noch keine Mitteilung publiziert. Von Seiten der Redaktionen der Zeitungen «El Socialista», «C.N.T., » «Castilla Libre» ist mir, ohne, dass ich darum nachgesucht hatte, aus deren eigener Initiative, die Zusicherung gegeben worden, dass wenn diese Zeitungen zur Publikation der Nachricht gezwungen würden, dies ohne hässigen Kommentar der Schweiz gegenüber geschehen würde.
In unserer Zufluchtsstätte herrschte auch grosse Aufregung am letzten Dienstag Nachmittag, denn die Asylierten hatten die Nachricht, schon bevor ich das Telegramm Ihrer Abteilung erhielt, durch eine italienische Radioemission vernommen. Eine Anzahl der Asylierten hatten schon damit begonnen ihre Habseligkeiten zu packen, um auf das erste Anzeichen von Gefahr die Zufluchtsstätte zu verlassen. Als mir dies bekannt gegeben wurde, liess ich den Leuten sofort eine beruhigende Mitteilung zukommen. Gestern verliess ein einziger Asylierter, José Maria de Simon Planas, die Zufluchtsstätte. Demselben war allerdings schon vorher durch einen Onkel, der eine einflussreiche Stellung zu haben scheint, ein Posten im Bureau eines Generalstabes zugesichert worden.
Für heute hatte ich eine Zusammenkunft mit dem chilenischen Geschäftsträger vereinbart, um mit ihm die Ergreifung von eventuellen Schutzmassnahmen durch die chilenische Botschaft, für den Fall, dass sich solche in der Folge doch als notwendig für unsere Asylierten erweisen sollten, zu besprechen. Aber zu der für diese Besprechung festgesetzten Stunde, ist der chilenische Geschäftsträger auf der in der Nähe des Palace Hotel gelegenen Botschaft nicht erschienen, weil wieder mal gerade um diese Zeit eine Bombardierung der Stadt im Gange war. Ich werde morgen Freitag wieder bei ihm vorsprechen.
Ich habe mich entschlossen die chilenische Botschaft um die Übernahme des Schutzes dieser Gesandtschaft, sowie, ihrer Zufluchtsstätte zu ersuchen aus der Erwägung heraus, dass laut den Radiomeldungen von Burgos und Salamanca die englische und französische Regierung diejenige von Burgos in den nächsten Tagen auch anerkennen werden und somit eine Schutzübernahme durch eine der diplomatischen Vertretungen dieser beiden Staaten höchst problematischen Wert hätte. Dagegen ist von Chile mit seiner gegenwärtigen Volksfrontregierung, kaum anzunehmen, dass es sich sobald zum gleichen Schritt entschliessen werde.
Seit Madrid wieder zum Regierungssitz erklärt wurde, ist die Stadt, vom letzten Sonntag ab Tag für Tag von der Artillerie Francos beschossen worden. Am Sonntag explodierten eine Anzahl Granaten in der nähern Umgebung meiner in der Calle General Pardinas gelegenen Wohnung, gestern Abend nach sieben Uhr kam auch die Umgebung der Gesandtschaft selber an die Reihe. Das Gesandtschaftspersonal wartete während einer Stunde in einem im Untergeschoss eingebauten Unterstand das Ende der Bombardierung ab.
Die ganze Kolonie würde für den Augenblick wirklich ernster Gefahr für sie im Gebäude der tchechoslovakischen Gesandtschaft, mit ihrem absolute Sicherheit bietenden Unterstand untergebracht. Vorräte an Lebensmitteln, sowie auch Matratzen sind vorsorglicherweise schon dorthin verbracht worden.
Sie dürfen überzeugt sein, dass der Unterzeichnete alles aufbietet um die ihm anvertrauten Interessen so gut als möglich zu verteidigen und er sich nötigenfalls den Beistand anderer diplomatischer Missionen und den Rat deren Leiter zu sichern wissen wird. Alle meine Mitarbeiter helfen mir treu in der Erfüllung der mir anvertrauten Aufgabe.
P.S. Trotz des eingesetzten Bombardements, blieb ich in meinem Bureau um diesen Bericht fertig abzufassen. Als ich nach Abschluss des Berichtes etwa 13 Uhr 15 Minuten mein Bureau nun doch verliess, weil ich in nächster Nähe einen Granateneinschlag gehört hatte, ertönte hinter mir, gerade als ich die Bureautüre geöffnet hatte, ein furchtbarer Krach und ich befand mich im Moment in eine Wolke von Rauch und Staub eingehüllt. Eine Granate hatte am Fusse der an der Calle Don Ramon de la Cruz gelegenen Westfassade des Gesandtschaftsgebäudes eingeschlagen. An Stelle eines der Fenster der Räume des Ökonomats im Untergeschoss besteht ein grosses Loch in der Mauer, die Gangwand im Untergeschoss ist an verschiedenen Stellen durchbrochen, in meinem über diesen Räumen gelegenen Bureau flog die ganze Fenstereinrahmung an die gegenüber liegende Wand, mein Schreibtisch, der Bureausessel waren mit Glas- Holz- und Metallsplittern übersät, wie auch das ganze Bureau und die daneben befindliche grosse Kanzlei. An der ganzen Westfassade ist keine Scheibe ganz geblieben. Die Räume des Okonomats und ein Teil des dazu führenden Ganges sind ein Haufen von Schutt und Splittern. Wäre ich zweidrei Sekunden länger an meinem Schreibtisch geblieben, so würde ich mich wahrscheinlich nun im bessern Jenseits befinden, statt Ihnen die Vervollständigung meines Berichtes zu schreiben. Opfer sind Gottlob keine zu beklagen, sozusagen alle die im Gesandtschaftsgebäude befindlichen Personen hatten sich schon in das Untergeschoss und in den Unterstand begeben. Ein Teil des Personals hatte die Bureaux schon verlassen, um sich nach Hause zu begeben.
Diesen Nachmittag ist sofort mit der Aufräumung von Schutt und Splittern, Sortieren und Reinigung der Waren im Ökonomat, und mit einer Umstellung der Bureaux begonnen worden. Namentlich ich habe ein anderes Bureau beziehen müssen, da ja dort die ganze Fenstereinfassung mitflog, die eisernen Jalousien vor dem Fenster sind nebenbei gesagt vom Eisenhagel der Granate durchlöchert. Sollten sich die Fensterscheiben nicht ersetzen lassen, weil es in Madrid ebenfalls an Fensterglas fehlt, so wäre ich gezwungen einen Umzug der Gesandtschaft in Erwägung zu ziehen. Aber es wird ein schwieriges Problem sein einen Umzug in der gegenwärtigen Zeit durchzuführen und geeignete Räumlichkeiten zur Unterbringung von Kanzlei, Ökonomat und den vielen Depotsachen zu finden.
Ich habe sofort alles Notwendige zur Ausbesserung der Mauerbresche angeordnet und ich hoffe auch das notwendige Glas zur Reparatur der Fenster aufzutreiben um den Umzug zu vermeiden. Die Wasserleitung ist durch Granatsplitter auch defekt geworden und muss repariert werden. Bis dahin müssen die Wasserzufuhr im Gebäude und auch die Zentralheizung abgestellt bleiben.
Heute schlug ebenfalls eine Granate in einer im vierten Stock gelegenen Wohnung des von mir bewohnten Hauses Calle General Pardinas Nr. 24 ein. Ich wohne im ersten Stock. Die getroffene Wohnung im vierten Stock wurde ganz verwüstet, fast alle Scheiben der auf den Hof gehenden Fenster des Hauses wurden zersplittert.
Das Quartier Buenavista, in welchem die Gesandtschaft sich befindet, hat aufgehört eine privilegierte Zone zu sein, es wird in letzter Zeit bei den Bombardierungen immer mehr in Mitleidenschaft gezogen.
Bei5 der letzten Bombardierung sind eine hübsche Anzahl Granaten in verschiedene Häuser der nächsten Umgebung der Gesandtschaft gefallen, u[nter]A[nderem\ auch in das der Westfassade gegenüberliegende Hospital Chirurgico, wo ein Arzt und eine Krankenschwester getötet wurden. Es hiess allgemein unter den Schweizern: «Der Dank Francos für die Anerkennung seiner Regierung durch die Schweiz.»
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