Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 396
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#604* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 32 | |
Dossier title | Allgemeines (1936–1938) | |
File reference archive | A.45.20 |
dodis.ch/46656
Getreue, liebe Eidgenossen
Ihr Schreiben vom 8. September i. S.2 der beiden baselstädtischen Initiativbegehren betr. Verbot nationalsozialistischer oder faszistischer Organisationen ist uns zugekommen. Wir verhehlen Ihnen nicht, dass wir den Ton, in welchem dasselbe abgefasst ist, als verletzend empfunden haben. Was die in Ihrem Schreiben enthaltenen Vorwürfe und Proteste anbetrifft, so weisen wir sie als unangebracht und ungerecht zurück.
Wir hätten auf eine Äusserung zu Ihrem Schreiben verzichtet in der Erwägung, damit einer sachlichen Behandlung der Frage dienen zu können. Nachdem Sie nun aber das fragliche Schreiben dem Grossen Rate Ihres Kantons zur Kenntnis gebracht haben und nachdem es vom Grossen Rat, ohne dass ein Gegenantrag aus seiner Mitte gestellt worden wäre, ausdrücklich gebilligt worden ist, sehen wir uns gezwungen, auf Ihr Schreiben vom 8. September zurückzukommen.
Sie machen uns zum Vorwurf, dass wir nicht zuerst mündlich mit Ihnen Fühlung genommen und Sie über unsere bundesrechtlichen Bedenken orientiert haben. Dass wir solche Bedenken haben, dürfte Ihnen auf Grund von Pressemitteilungen nicht unbekannt geblieben sein. Eine mündliche Aussprache ist vom Vorsteher des eidg. Justizdepartements in Erwägung gezogen worden. Wir erfuhren aber, kurz nachdem das Departement in den Besitz des von ihm erbetenen Gutachtens gelangt war und während es seine Berichterstattung vorbereitete, dass die eine der beiden Initiativen schon auf die Traktandenliste einer auf den 1. September einberufenen Grossratssitzung Ihres Kantons gesetzt sei. Deshalb betrachteten wir es als geboten, Ihnen nun unsere Einwendungen ohne Verzug bekannt zu geben. Eine vorhergehende Aussprache, die übrigens im Bundesrat noch gar nicht erörtert worden war, konnte nicht mehr in Frage kommen, vielmehr war es unsere Pflicht, Ihnen sofort unsern Standpunkt mit Begründung bekannt zu geben, und zwar bevor die Initiative in Ihrem Grossen Rat zur Behandlung kam. Auch unser Begutachter, Herr Professor Burkhardt, empfahl uns, möglichst bald unsern Einspruch zu erheben.
Sie beklagen sich ferner darüber, erst Kenntnis von dem Schreiben des Bundesrates vom 2. September erhalten zu haben, nachdem die Presse bereits dasselbe veröffentlicht habe. Dazu haben wir folgendes zu bemerken: Der Bundesrat hat den Inhalt des Schreibens an Sie in seiner Sitzung vom 2. September festgesetzt. Das Schreiben ist mittags um 1 Uhr der Post übergeben worden. Die Bundeskanzlei hat die Weisung erhalten, die Presse nicht vor Samstag Morgen über den Inhalt des Schreibens zu orientieren. Wir folgten damit dem konstanten, auch dem Ausland gegenüber befolgten Grundsatz, solche Eingaben erst zu veröffentlichen, wenn sie in den Besitz des Adressaten gekommen sein dürften. Das ist auch hier geschehen. Warum unsere Eingabe nicht, wie wir annehmen mussten, schon am Abend des 2. September bei Ihrem Amte einging, ist uns nicht erklärlich. Sie ist aber ganz sicher am Morgen des 3. September bei Ihnen eingetroffen, also zu einer Zeit, da eine Publikation in den Zeitungen noch nicht erfolgt sein konnte. Wir haben also nichts anderes als das übliche Verfahren angewendet.
Endlich bemerken wir, dass es auch für uns klar ist, dass die Behandlung kantonaler Gesetzesinitiativen eine Sache der kantonalen Grossen Räte und der Stimmberechtigten des Kantons ist. Nachdem aber der Bundesrat zur Überzeugung gekommen war, dass ein Erlass dieser Gesetze einen Verstoss gegen die verfassungsmässige Ausscheidung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen bedeute, war es nicht bloss sein Recht, sondern auch seine Pflicht, sofort, und zwar noch vor der Behandlung in Ihrem Grossen Rat, Ihnen zu Händen des letztem hievon Kenntnis zu geben.
Wir benützen auch diesen Anlass, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns dem Machtschutze Gottes zu empfehlen.