Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.1 ALLEMAGNE
II.1.1. QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 342
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#123* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 65 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 39 (1938–1938) |
dodis.ch/46602
Hiermit möchte ich über meinen Besuch in München kurz berichten.
Anlass dazu gab die Einladung der Gauleitung in München zu den jedes Jahr stattfindenden Tagen der deutschen Kunst. Auch dieses Jahr war das diplomatische Corps eingeladen. Allerdings war ich der einzige Vertreter, der der Einladung Folge gegeben hatte. Die meisten Kollegen hatten schon letztes Jahr an der Veranstaltung teilgenommen; andere zogen es vor, sich für die Rennen des Braunen Bandes, die Ende dieses Monats stattfinden werden, nach München zu begeben.
Herr und Frau Ritter hatten am Tage meiner Ankunft, Mittwoch den 6. Juli, einen Empfang für mich veranstaltet, zu dem sich u.a. auch der bayerische Ministerpräsident Ludwig Siebert und der Oberbürgermeister der Stadt München, Herr Fiehler, eingefunden hatten. Am folgenden Tage besuchte ich meinerseits den bayerischen Ministerpräsidenten, ferner Gauleiter Adolf Wagner, der zu den Festlichkeiten eingeladen hatte, und den Oberbürgermeister der Stadt München. Der bayerische Ministerpräsident veranstaltete an diesem Tage zu meinen Ehren ein Mittagessen, an dem u.a. auch der italienische, französische und englische Generalkonsul teilnahmen. Auf die Begrüssungsworte, die Herr Siebert an mich als den Vertreter eines befreundeten Landes richtete, antwortete ich im gleichen Sinne.
Die Veranstaltungen, die vom 8.-10. Juli stattfanden, gaben mir dann Gelegenheit mit vielen Persönlichkeiten zu sprechen und auch den Reichskanzler zu begrüssen. Im gleichen Hotel wie ich wohnten auch Herr und Frau von Weizsäcker. Der deutsche Gesandte in Bern hatte sich ebenfalls für das Fest nach München begeben.
Wenn ich kurz meine Eindrücke zusammenfasse, so möchte ich zunächst betonen, dass Herr und Frau Ritter es verstanden haben, sich eine sehr gute Stellung in München zu schaffen. Überall wurde mir dies gesagt und der Freude darüber Ausdruck gegeben, dass die Genannten wieder auf ihren Posten zurückkehren konnten. Gauleiter Wagner sprach sich dahin aus, dass er die bekannte Massnahme wegen des unbedeutenden Zwischenfalls nie verstanden habe; die Ritters seien bestrebt das gute Einvernehmen zu fördern, deshalb seien sie beliebt und überall sei man in München bemüht, ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern.
Die Pflege dieser Beziehungen zu den einflussreichen Persönlichkeiten in Bayern ist für unser Land deshalb von Wichtigkeit, weil der Reichskanzler immer mehr in Berchtesgaden weilt und mit den führenden Politikern in der Stadt der Bewegung in ständigem Kontakt ist. Herr Siebert hat mir denn auch gesagt, dass er oft mit Hitler die Frage der schweizerischen Neutralität erörtert habe und dass die Stellungnahme, die er Herrn Alt Bundesrat Schulthess und mir bekanntgab, auch auf diese Besprechungen zurückzuführen sei. Von besonderer Wichtigkeit sind auch die Beziehungen zu Gauleiter Wagner, der als Freund und Berater des Reichskanzlers gilt. Hier ist also ein Weg, um den Reichskanzler auf Fragen vorzubereiten, die seiner Entscheidung unterbreitet werden.
Überall, wo ich vorsprach, konnte ich eine grosse Sympathie für unser Land feststellen. Herr Siebert, der Ihnen von seinem Besuch in Bern bekannt ist, war lange Bügermeister in Lindau, wo zur Zeit sein Sohn das gleiche Amt bekleidet. Mit einer rührenden Dankbarkeit sprach er mir von der Hilfe, die in der Notzeit seiner Stadt von Schweizerseite zuteil wurde, einmal für den Bau einer katholischen Kirche, eine anderes Mal für die Speisung verarmter Intellektueller. Diese Sympathiebezeugung durch die Tat sei nicht vergessen. - Aber auch alle anderen Herren hatten irgendwie aus früherer Zeit angenehme Erinnerungen an die Schweiz und sprachen zum Teil mit grösser Sachkenntnis von den gemeinsamen geistigen Beziehungen. Der einzige, der mir bei der Begrüssung sagte: «Ich bin sehr unzufrieden mit der Schweiz», war der Reichsjustizminister Gürtner, ebenfalls ein Bayer, mit dem ich in der gleichen Loge einer unvergesslichen Aufführung des Lohengrin beiwohnte. Auf meine erstaunte Frage nach dem Grunde dieser Unzufriedenheit antwortete er lachend: «Weil die Schweiz das Rennen der Strafrechtsreform gewonnen hat». Der Reichsjustizminister war richtig über die politischen Gründe der Abstimmungsgegner orientiert. Er sagte, dass der schweizerische Entwurf ein wohldurchdachtes ausgezeichnetes Werk darstellte, das auch befruchtend auf den deutschen Entwurf gewirkt habe, dem nun allerdings in den letzten Jahren noch mehr Paprika beigefügt werden musste. Immer habe er geglaubt, dass Deutschland zuerst die Reform beendigen werde, und jetzt sei ihm die Schweiz zuvorgekommen. Er könne unser Land zu dem guten Ergebnis nur beglückwünschen.
Wenn, um das Wort des Reichsjustizministers zu gebrauchen, das jetzige deutsche Strafgesetzbuch einen gehörigen Schuss Paprika aufweist, so kann man dies von der in München vom Reichskanzler eröffneten Kunstausstellung nicht gerade behaupten. Die gestrengen Worte, die der Führer wiederum gegen das entartete Kunstschaffen äusserte und die als Reaktion gegen die Verleugner jeder Tradition sicherlich berechtigt sind, haben offenbar bewirkt, dass die Ausstellung einen etwas hausbackenen Eindruck macht. Man findet, allgemein gesprochen, Bilder von guten Schülern zahlreicher Meister der letzten Jahrhunderte, aber wenig Werke, die etwas Neues und Besonderes sagen. Gewiss wird die Kunst in anerkennenswerter Weise vom Nationalsozialistischen Staat gefördert; den jungen Künstlern wird durch grosszügige Stiftungen, wie das neu eröffnete Künstlerheim, ermöglicht, ohne materielle Sorgen zu arbeiten, aber gegen den Verlust der künstlerischen Freiheit. Deshalb steht, um mit Karl Spitteier zu sprechen, Apoll grollend beiseite. Aber mit der Zeit werden, wie im Olympischen Frühling, Zeus, der die Welt beherrscht, und Apoll, der sie verschönt, als gleichberechtigte Partner, jeder Herrscher in seinem Reich, den Friedensbund schliessen können.
So bin ich bei meinem Bericht über die Münchner Tage der Kunst doch vom Politischen ins Reich der Kunst abgeschweift. Als Entschuldigung kann ich anführen, dass dies wohl der einzige Bericht über die hochinteressante Veranstaltung in unserer benachbarten Stadt München ist, der nach der Schweiz gelangt. Während englische, französische und andere ausländische Korrespondenten in München anwesend waren und über ihre Eindrücke berichteten, war weit und breit kein schweizerischer Berichterstatter zu sehen. Trotz der immer noch bestehenden künstlerischen Beziehungen - zahlreiche junge Schweizerkünstler geniessen auch heute noch ihre Ausbildung daselbst - glauben unsere Zeitungen dem Landesinteresse und der sogenannten geistigen Landesverteidigung zu dienen, wenn sie eine solche Veranstaltung totschweigen. Dass mit dieser Haltung unserer Presse meine Bemühungen zur Verbesserung der beidseitigen Beziehungen nicht erleichtert werden, obwohl dies für unsere Interessen dringend nötig ist, muss ich schliesslich feststellen. Darum gereichte es mir auch zur Genugtuung, dass bei der auffälligen Abwesenheit der schweizerischen Journalisten ich wenigstens der einzige offizielle Vertreter eines fremden Landes war, der durch seine Anwesenheit Interesse an dem deutschen Kunstschaffen bezeugte.