Classement thématique série 1848–1945:
II. LES RELATION BILATÉRALES ET LA VIE DES ÉTATS
II.3 AUTRICHE
II.3.1 QUESTIONS DE POLITIQUE GÉNÉRALE ET BILATÉRALE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 12, doc. 46
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#7174* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 216 | |
Dossier title | Die Königsfrage in Ungarn, Erzherzog Otto (1925–1940) | |
File reference archive | B.73.1 • Additional component: Ungarn |
dodis.ch/46306
Eine vertrauliche Aussprache mit dem Staatssekretär für Auswärtiges setzt mich in die Lage, Ihnen über die Situation in Österreich folgende authentische Mitteilungen zu machen, die ich Sie als vertraulich zu behandeln bitte: Es stellt sich heraus, dass Bundeskanzler Schuschnigg seine Rede am Amtswalterappell vom 14. Februar und seine Erklärungen zur Frage der Restauration des Hauses Habsburg gehalten hat ohne jede vorherige Konsultation in Rom oder sonstwo. Allerdings habe man am Ballhausplatz annehmen können, dass man in Rom gegen diese Erklärungen des Kanzlers nichts einzuwenden habe. Mussolini habe sich nie gegen die Aufrichtung der Monarchie in Österreich ausgesprochen. Im Gegenteil erinnert man sich am Ballhausplatz seiner eigenen Worte, die man mir folgendermassen zitiert: «Je déteste les républiques. J’étais toujours monarchiste, même quand j’étais socialiste». Die Aufsehen erregenden Erklärungen des Giornale d’Italia gegen die Aufrichtung einer habsburgischen Monarchie in Österreich haben denn auch in der Tat in Wien überrascht. Man meint am Ballhausplatz, dieser Artikel mache nicht Politik auf lange Sicht. Er dürfte, wie die Erklärungen des jugoslavischen Ministerpräsidenten Stojadinovich, nach telephonischen Unterredungen mit Berlin zustande gekommen sein und trage den Stempel einer Gelegenheitsschöpfung an sich. Es werde die Zeit kommen, wo man diesen Artikel den Italienern wieder vorlegen müsse, denn auch die Achse Rom-Berlin werde nicht ewig sein. Ich hatte den unzweideutigen Eindruck, dass der Artikel des Giornale d’Italia in Wien sehr verstimmt hat.
Aus der Unterhaltung hat sich des weiteren unmissverständlich und im Gegensatz zu allen Dementiversuchen ergeben, dass der deutsche Aussenminister, Herr von Neurath, anlässlich seines Wiener Besuches das Thema Habsburg aufs Tapet gebracht hat. Neurath soll in diesem Zusammenhange offen und ausdrücklich erklärt haben, Deutschland sei gegen die Habsburger, weil das Reich durch die Errichtung eines Habsburger Thrones eine Beunruhigung des deutschen katholischen Südens befürchten müsse, ganz abgesehen von anderen Problemen, die die Aufrichtung der Monarchie in Österreich heraufbeschwören könnte. Neurath habe aber zuletzt erklärt, dass ihm auch in dieser Hinsicht die Erklärungen Schuschniggs genügten. Ich konnte erfahren, dass Schuschnigg auf dem Standpunkt seiner Erklärungen am Amtswalterappell vom 14. Februar, die ich Ihnen zusammenfassend zur Kenntnis gebracht habe, beharrte, diese Erklärungen aber ergänzte mit ungefähr folgender Argumentation: Dass der Kanzler Monarchist und Legitimist sei, müsse als allgemein bekannt gelten. Für Schuschnigg kämen aber in erster Linie die Interessen des österreichischen Volkes und Staates in Frage und erst dann die Interessen des Hauses Habsburg. Schuschnigg werde sich nicht dazu hergeben, die Monarchie in Österreich einzuführen, auf Wegen im Schatten, unter Blutopfern und unter Erschütterung Europas. Sein Weg sei ein offener, die Erreichung des Ziels einer Errichtung der Monarchie nur denkbar nach Aussprache und Verständigung mit den Nachbarn und allen massgebenden Faktoren. Diese vorhergehende Verständigung halte Schuschnigg für unerlässlich, denn in der Luft könnte ja die Monarchie nicht stehen, der Monarch auch nicht existieren. Das sei der Sinn der wiederholten Erklärung, dass der Kanzler auch ein guter Europäer sei und bleiben werde. Es handle sich also um eine Restaurationspolitik, aber auf lange Sicht.
Das sind die Gedankengänge, die der Kanzler seinem Gast darlegte, und zu denen Herr von Neurath schliesslich erklärte, dass sie ihm genügten. Ich kann Ihnen ganz vertraulich beifügen3, dass Botschafter von Papen, der der Aussprache beiwohnte, versucht hat, zu erlangen, dass über diese Erklärungen etwas Schriftliches aufgesetzt werde und bei der Gelegenheit auch ein Waffenstillstand auf ein paar Jahre zwischen der österreichischen Regierung und den österreichischen Nazi stipuliert werde. Neurath hat diesem Antrag nicht zugestimmt und Papen ist damit nicht durchgedrungen.
Ich hätte mich, wie Herr von Neurath von dem Gespräch mit dem Bundeskanzler, von dieser Unterhaltung mit dem Staatssekretär sehr beruhigt gefühlt, wenn ich auf eine ergänzende Frage, die ich meinem Gesprächspartner stellte, nicht eine Antwort erhalten hätte, die sehr nachdenklich stimmen muss. Da mir bekannt ist, dass im legitimistischen Lager eine nicht zu unterschätzende Richtung besteht, die findet, dass lange genug zugewartet worden und es nun Zeit zum Handeln sei, fragte ich den Staatssekretär, was aber geschähe, wenn es unbedachten Elementen gelingen würde, den Thronanwärter zu bewegen, dennoch jetzt schon ins Land zu kommen und den Thron zu besteigen. Der Staatssekretär antwortete, Kaiser Otto aus dem Lande vertreiben, wie sein Vater aus Ungarn vertrieben worden sei, das würde der Kanzler nicht tun. Schuschnigg würde in diesem Falle demissionieren.
Diese Antwort scheint mir die Gefahr aufzuzeigen, in die unser Nachbarland durch einen unbedachten Schritt des jungen Otto von Habsburg gestürzt werden könnte. Nachdem der Kaisersohn kürzlich an der österreichischen Grenze in Buchs unerwarteterweise aufgetaucht ist, dürfte es sich empfehlen, dass die in Betracht fallenden schweizerischen Instanzen laufend sich genau darüber orientiert halten lassen, wo Otto von Habsburg sich tatsächlich aufhält, um derart gegebenenfalls beizeiten in der Lage zu sein, an den Grenzen die nötigen, auch militärischen Vorkehren zu treffen, die ein In-Szene-Treten des Kaisersohnes in Österreich notwendig machen würde.
- 1
- Annotation manuscrite de Motta en tête du document: J’ai donné communication au C. F., en séance, de la substance de ce rapport, sur promesse de discrétion absolue. 15.3.36[!]. M.↩
- 2
- E 2001 (D) 2/216.↩
- 3
- En marge de ce passage, à la machine à écrire, dans les mêmes caractères et encrage que le texte principal: Gefälligst nicht weitergeben.↩
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