Également: Toutes les demandes d’immigration doivent être refusées, sauf si la Suisse trouve un intérêt particulier à la venue d’une personne. Annexe de 17.10.1935
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 11, doc. 151
volume linkBern 1989
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001D#1000/1552#3036* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(D)1000/1552 110 | |
Dossier title | Niederlassung und Aufenthalt ausländischer Juden in der Schweiz (1935–1938) | |
File reference archive | B.41.10.04 |
dodis.ch/46072
Mit Schreiben vom 23. dieses Monats2 habe ich Ihnen kurz von meinen Befürchtungen hinsichtlich einer allzu weitherzigen Gewährung von Aufenthaltsbewilligungen an deutsche Staatsangehörige, die ihrer Konfession oder politischen Einstellung wegen Deutschland den Rücken zu kehren wünschen, Kenntnis gegeben. Ich habe inzwischen die in erster Linie in Frage kommenden Beamten dieser Gesandtschaft angewiesen, diesem für die Schweiz überaus ernsten Problem nach wie vor ihre Aufmerksamkeit zu schenken und mir in Zukunft von Fällen die von besonderem Interesse sind, Kenntnis zu geben.
In dieser Hinsicht möchte ich darauf hinweisen, dass namentlich seit dem Erlass des deutschen Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre3 naturgemäss kein Tag vergeht, ohne dass von Reichsangehörigen Anfragen nach der Möglichkeit einer Übersiedlung nach der Schweiz einlaufen. Die Passabteilung der Gesandtschaft bemerkt dazu, dass es auffalle, dass die Gesuche um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung in den seltensten Fällen bei der Gesandtschaft direkt eingereicht werden. Die Interessenten äussern sich nach Inempfangnahme der Auskunft sehr oft dahin, dass es ihnen zweckmässig erscheine, selbst nach der Schweiz zu fahren und die Verhandlungen um Erteilung einer kurzfristigen Aufenthaltsbewilligung dort persönlich zu führen. Es entzieht sich leider der Kenntnis der Gesandtschaft, in wieviel Fällen dieses Verfahren zum Ziele geführt hat. Immerhin ist festzustellen, dass es immer wieder vorkommt, dass Interessenten von kantonalen oder sogar von Gemeindebehörden Aufenthaltsbewilligungen erhalten und gestützt darauf bei der Gesandtschaft um die Ausstellung des erforderlichen Attestes für die zollfreie Einfuhr des Umzugsgutes einkommen. Sofern die Aufenthaltsbewilligung von einer kantonalen Stelle ausgeht, muss das Attest nach den bestehenden Vorschriften ausgefertigt werden. Es liegt auf der Hand, dass Personen, die auf Grund einer kurzfristigen Aufenthaltserlaubnis mit ihren Möbeln nach der Schweiz übersiedeln, wohl nur selten unser Land nach Ablauf der Dauer der Bewilligung wieder verlassen werden. In den meisten Fällen dürfte davon abgesehen werden, sie zur Ausreise zu zwingen, da dies wohl eine noch viel grössere Härte bedeuten würde, als wenn man sie überhaupt nicht hereingelassen hätte.
Im Zusammenhang mit den Anfragen um Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen wird fast regelmässig um eine Auskunft darüber ersucht, innerhalb welcher Frist man sich in der Schweiz einbürgern lassen könne. Auch hier ist festzustellen, dass die Interessenten glauben, auf kürzerem Wege als dem gesetzlich vorgeschriebenen zu ihrem Ziele zu gelangen, wenn man sich nur an die richtige Adresse in der Schweiz wende. Ein Besucher stellte letzthin klipp und klar die Behauptung auf, er werde «nach seiner Information» nicht sechs Jahre warten müssen, bis er Schweizerbürger werde.
Die Frage liegt nahe, ob nicht, namentlich bei den Juden, allenfalls jüdische Stellen in der Schweiz ihre Volksgenossen beraten. Es wäre dies allerdings ein grosser Fehler seitens der Schweizerjuden, denn, wenn eine antisemitische Tendenz auch in der Schweiz aufkommen sollte, zwischen schweizerischen und internationalen Juden bestimmt kein Unterschied gemacht werden wird.
Allein auch ganz abgesehen von den Juden, ist es mir nicht recht verständlich, dass man erwerbstätigen deutschen Staatsangehörigen nach wie vor in anscheinend nicht unbeträchtlichem Masse Aufenthaltsbewilligungen erteilt, während doch praktisch die Auswanderung von Schweizern nach Deutschland fast vollständig unterbunden ist.
Ich möchte daher mit vorliegendem Schreiben nochmals darauf hinweisen, dass ich die Entwicklung dieses Problems mit Besorgnis verfolge, was mir wohl nicht verübelt werden kann, wenn man weiss, in welchem Masse sich die Gesandtschaft mit der Interessenwahrung ihrer jüdischen Staatsangehörigen zu befassen hat, von denen die Allerwenigsten irgendwelche Beziehungen zu unserer Heimat haben, ausser dem Reisepass.
Ob nicht angesichts der gegenwärtigen Sachlage gegenüber deutschen Staatsangehörigen, die sich in der Schweiz niederlassen wollen, eine straffere Kontrolle eingeführt werden sollte, allenfalls unter Einschränkung der Kompetenzen der Kantone, muss ich den zuständigen Behörden überlassen4. Jedenfalls erachte ich es als meine Pflicht, Sie auf diese Gefahren nochmals aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der Gewährung von kurzfristigen Aufenthaltsbewilligungen durch die Kantone und auch der Einbürgerung von unassimilierbaren Ausländern unbedingt die grösste Zurückhaltung gebieten.
Zur Kennzeichnung der Mentalität der Interessenten diene der in Abschrift beiliegende Brief eines Herrn Kurt Werner in Kassel an die Gesandtschaft5. Bei allem Verständnis für die überaus schwierige Lage der Juden in Deutschland können wir mit dem besten Willen nicht aus Humanitätsgründen allen diesen Leuten bei uns Asyl gewähren.
- 1
- Lettre: E 2001 (D) 2/110. Paraphe: GX.↩
- 2
- Voilà ce qu’écrit E. Feer le 23 septembre: [...] Bei diesem Anlass möchte ich nicht verfehlen, daraufhinzuweisen, dass seit dem Erlass des deutschen Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre deutsche Nichtarier in grosser Zahl auf der Gesandtschaft vorgesprochen haben, um in Erfahrung zu bringen, ob nicht die Möglichkeit bestehe, sich in der Schweiz niederzulassen oder dort Aufenthalt zu nehmen. In einem Falle wollte ein deutscher Volljude seine Familie nach der Schweiz schicken, während er vorläufig noch hier seine Berufstätigkeit auszuüben gedenkt. Ich gebe mich gern der Hoffnung hin, dass hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gegenüber deutschen Staatsangehörigen, die in Opposition zum gegenwärtigen Regime stehen, von den zuständigen schweizerischen Behörden grösste Vorsicht und Zurückhaltung geübt wird. Von Berlin aus betrachtet erscheint jedenfalls dieser Andrang etwas beängstigend, wollen wir uns nicht der Gefahr aussetzen, in einem Jahrzehnt auch in der Schweiz ein Judenproblem zu haben. [...] ( E 2001 (D) 2/110).↩
- 3
- Du 15 septembre 1935.↩
- 4
- Cf. annexe au présent document.↩
- 5
- Non reproduit.↩
Tags
German Realm (Other) Policy of asylum