Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. DIE SCHWEIZ UND DER VÖLKERBUND
1. Abrüstung und Waffenhandel
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 502
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001C#1000/1535#1005* | |
Dossier title | Attitude de la Suisse (1924–1932) | |
File reference archive | B.56.13.7.4 |
dodis.ch/45519
In Ihrem Schreiben vom 25. Juli 19292 haben Sie uns um unsere Meinungsäusserung zu den vor den Organen des Völkerbundes hängigen Fragen der ausgebildeten Reserven, des Reservematerials und des Gaskrieges ersucht. Die zwei ersten Punkte sind in unserem Schreiben vom 20. August3 beantwortet worden, zur Frage des Gaskrieges erlauben wir uns die folgenden Bemerkungen:
Sie machen darauf aufmerksam, dass die Commission préparatoire du désarmement am 24. April 1929 eine Einladung zur Ratifikation des Protokolls vom 17. Juni 1925 an diejenigen Staaten beschlossen hat, die - wie die Schweiz - das Protokoll unterschrieben haben. Es sei möglich, dass die Versammlung in der nächsten Session auf diese Frage zu sprechen komme und es sei dann für die schweizerischen Delegierten schwer, die Ablehnung der Ratifikation mit guten Gründen zu rechtfertigen. Sie fragen uns an, ob wir die in unserem Briefe vom 10. Dezember 19284 geäusserten Gründe zur vorläufigen Ablehnung der Ratifikation aufrecht halten.
Wir haben in unserem soeben erwähnten Schreiben auf unsere vollendete Überzeugung hingewiesen, dass der Gaskrieg in seinen beiden Formen des Angriffs und der Verteidigung in allen Ländern - und auch in denjenigen, die das Genfer-Protokoll unterschrieben und ratifiziert haben - sehr eifrig vorbereitet wird. Wir haben ferner geltend gemacht, dass einer Einführung der bereits in vielen Schulen erprobten Gasmasken der Einwand entgegengehalten werden könnte, diese Massnahme sei nach der Ratifikation des Protokolls durch uns und alle unsere Nachbarstaaten unnütz, ja sogar gefährlich und vertragswidrig.
Andererseits müssen wir anerkennen, dass unter den heutigen Umständen, da so viele Staaten ratifiziert haben, mit guten Gründen bezweifelt werden kann, ob es leichter sein wird, die Gasabwehrkredite zu erhalten, solange die Schweiz nicht selbst ratifiziert hat. Der erste und vielleicht schwerwiegendste Einwand der Kreditgegner wird gerade der sein, man solle in erster Linie das Giftgasprotokoll ratifizieren, das immerhin einen gewissen Schutz biete.
Es ist ferner vom militärischen Standpunkt aus zu beachten, dass die ratifizierenden Staaten nur gegenüber denjenigen ändern Staaten gebunden sind, die ihrerseits ebenfalls ratifiziert haben. Aus dieser Feststellung entspringt ein gewisses Interesse der Schweiz an der Ratifikation, da ihr gegenüber von Seiten der übrigen Staaten keine Bindung besteht, solange sie nicht selbst ratifiziert hat. Allerdings weisen wir in diesem Zusammenhange darauf hin, dass auch die U.S.A., von denen die Anregung zum Protokoll vom 17. Juni. 1925 ausgegangen ist, selbst noch nicht ratifiziert haben. Allein deren politische und geographische Lage ist natürlich eine ganze andere als die unsrige.
Diese Überlegungen führen uns dazu, heute unsern Widerstand gegen die Ratifikation des Genfer-Protokolls vom 17. Juni 1925 – wenn auch nicht ohne schwere Bedenken – aufzugeben5.
Dabei wollen wir aber nicht unterlassen zu bemerken, dass der Gang der Verhandlungen über die Gaskriegfrage im Schoss der vorbereitenden Abrüstungskommission beweist, dass unsere eingangs erwähnten Befürchtungen vollauf gerechtfertigt sind. Während im ursprünglichen Entwurf zu einem Vertragstext die Vorbereitung der Gas- und bakteriologischen Kriegsmittel in Friedenszeiten verboten war, wurde dieses Verbot im Laufe der Diskussion fallen gelassen; die Streichung steht wohl im Zusammenhang mit einer Erklärung des spanischen Vertreters, die dahin ging, man dürfe nicht verhehlen, dass sich die Heere der verschiedenen Staaten auf den Giftgaskrieg vorbereiten (Protokoll vom 23. April 1929, nicht öffentl. Sitzung S. 4).