dodis.ch/45456
Der schweizerische Gesandte in
Warschau, H.A. von
Segesser, an den Chef der Abteilung für Auswärtiges des Politischen Departementes, P.
Dinichert1
Warschau, 8. Oktober 1928 (Ankunft: 11. Oktober 1928)
Ihr Geehrtes vom 2. Oktober2 enthielt die Anregung, die Frage der Erneuerung des durch 14 Emissionsbanken 1927 der «Bank Polski» eröffneten aber von ihr nicht benützten Stabilisierungskredites von 20 Millionen Dollar, mit unseren Forderungen wegen den Obligationen der Linie Warschau-Wien und auch der Banque Foncière du Jura gegen einige Krakauer Privatgläubiger zu verbinden.
So sehr ich für ein Zusammenarbeiten zwischen unsern Banken und unserm Exporthandel bin, so entschieden muss ich von dieser Verquickung abraten. Als 1927 Polen die Ratifizierung unseres Pariser Kontingentsabkommens vom 5. Juli übermässig verschleppte, mussten wir, um es durchzudrücken, unsere Beteiligung an der grossen internationalen Anleihe in letzter Stunde von dessen Inkrafttreten abhängig machen. So peinlich mir dies war, habe ich dieses Vorgehen seinerzeit in unserer Notlage selbst empfehlen müssen. Es fiel mir damals die unangenehme Rolle eines «maître chanteur» zu, die mir und unserm Lande hier sehr übel genommen wurde und auch auf die amerikanischen Unterhändler nicht den besten Eindruck machte.
Die Frage der Obligationen der Linie Warschau-Wien und erst gar die rein private Forderung der Banque Foncière du Jura, mit derjenigen der einfachen Erneuerung eines im vergangenen Jahres überhaupt nicht in Anspruch genommenen Kredites zu verbinden, betrachte ich als ganz unangebracht. Dies um so mehr, als unsere Nationalbank nur mit einem bescheidenen Bruchteil am Kredit beteiligt ist und derselbe als «moralische» Stütze erteilt wird. Gestern sagte mir Mr. Dewey, dass er bereits im Besitze der vorbehaltenen Zustimmung der 13 ändern Emissionsbanken ist und dass nur diejenige der Schweizerischen Nationalbank noch ausstehe, was ihm offensichtlich unangenehm ist und peinlich auffällt. Er bestätigte mir, dass der Kredit fast sicher, ebensowenig wie der 1927 eröffnete, in Anspruch genommen werden müsste [sic].
Die in Sachen der Linie Warschau-Wien intervenierenden Gesandten geben sich nicht den geringsten Illusionen hin, dass dort, solange die Abrechnung Polens mit Russland nicht günstig für ersteres erfolgt, etwas zu holen ist! Eher wäre später einmal eine internationale Anleihe in Aussicht zu nehmen, um Polen zu ermöglichen, die Obligationäre teilweise zu befriedigen. Diese Angelegenheit muss somit für heute beiseite gelegt werden.
Noch weniger eignet sich die Forderung der Banque Foncière du Jura gegen einzelne Krakauer Private für ein «junctim». Mit diesen «junctim» haben namentlich Deutschland und Polen die schlimmsten Erfahrungen gemacht. Sie sind deshalb hier verpönt. In diesem Spezialfalle habe ich schon wiederholt in Ihrem Aufträge damit gedroht, denselben einem Schlichtungs- oder Schiedsverfahren zu unterbreiten. Derselbe scheint in der Tat dafür geeigneter als für ein «junctim».
Ich drahte Ihnen infolgedessen3, dass ich davon entschieden abrate, schweizerische Vorbehalte bei der Erneuerung des Kredites, der von unserm gemeinsamen Vertrauensmann Mr. Dewey als «moralische Stützung» Polens betrachtet wird, zu machen. Ein Vorbehalt würde hier nicht nur in polnischen Kreisen schlechten Eindruck machen, und jedenfalls praktisch ergebnislos bleiben. Ich rate deshalb ganz entschieden davon ab.