dodis.ch/45359
Der schweizerische Gesandte in
Warschau, H.A. von
Segesser, an den Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes,
E. Schulthess1
Warschau, 12. Oktober 1927
Die Anleihe galt einige Tage als so gut wie begraben, als die New York er Finanzgruppe nach Kenntnisnahme der Berichte ihrer Delegierten in Warschau, ihnen Vollmacht gab, von sich aus, unter Berücksichtigung der Lage und Mentalität in Polen, neue Vorschläge der polnischen Regierung zu unterbreiten. Die Herren Fischer und Monnet arbeiteten infolgedessen eine neue Kombination, auf Grund eines Emissionskurses von 92 und Garantie auf den Zolleinnahmen der Republik aus, welche sie Samstag überraschend den Polen unterbreiteten. Diese nahmen den Vorschlag glatt an, da er die Prestige des Landes wahrt und nicht zuletzt dem Marschall Pilsudski eine neue Aureole als «Retter des Vaterlandes» und, gegenüber den Linksparteien und dem kleinen Volke, als Besieger des «fremden Kapitalismus» gibt.
New York erbat sich Sonntag nachmittag zwei Tage Zeit um / überJ den Vorschlag Fischer-Monnet, über welchen man einstweilen nur mit Polen, nicht aber mit den Anleihegebern einig geworden war, Kalkulationen zu machen und mit den europäischen Finanzgruppen Fühlung zu nehmen.
Gestern traf nun aus New York (direkt bei den Delegierten) die Zustimmung der europäischen Gruppen ein, so dass gestern abend alle materiellen Schwierigkeiten beseitigt waren. Der Ministerrat genehmigte spät abends den Vertrag, unmittelbar nachher ratifizierte auch sein Wirtschaftsausschuss unser Pariser-Kontingentsabkommen vom 5. Juli 1927 ohne Veränderungen und mit Rückwirkung auf 1. Oktober. Heute 9 Uhr früh benachrichtigte mich Herr Fischer davon und kündigte mir eine Bestätigung durch das Handelsministerium an.
Diese traf tatsächlich heute zuerst 11 Uhr 15 telephonisch durch Vize-Handelsminister Dolezal und 11 Uhr 30 durch den Chef der Direction d’Occident des Aussenministeriums, Herrn Thadée Römer, ein. Letzterer stellte mir für morgen eine schriftliche Bestätigung in Aussicht. Infolgedessen benachrichtigte ich Sie sofort telegraphisch und teilte Herrn Fischer mit, dass angesichts der Ratifizierung des Pariser-Kontingentsabkommens, der Vorbehalt der Schweizerbanken gegenstandslos geworden sei und dass ich infolgedessen gegen die Unterzeichnung des Anleihevertrages keinen Einspruch mehr erhebe. Diese erfolgt nun heute.
Ich bin glücklich, Ihnen die endliche Erledigung dieser beiden für die Zukunft Polens und unsern Export nach diesem Lande so wichtigen Angelegenheiten melden zu können, und behalte mir vor, darauf zurückzukommen, sobald ich im Besitze der Bestätigungsnote betreffend Ratifizierung des Kontingentsabkommens, sowie des Anleihevertrages, sein werde2.