dodis.ch/45247
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 30. November 1926
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1869. Wirtschaftskonferenz, Abrüstungskonferenz
Der Vorsteher des politischen Departements gibt Kenntnis von einem Bericht des Herrn de Montenach in Genf2. Danach wird in den Kreisen des Generalsekretariats des Völkerbunds davon gesprochen, dass die holländische Regierung beabsichtige, die Abhaltung der internationalen Wirtschaftskonferenz in Amsterdam anzuregen3. Eine förmliche Einladung hiezu scheint allerdings noch nicht vorzuliegen. Bei einigen Mitgliedern der wirtschaftlichen Abteilung des Generalsekretariates herrscht augenscheinlich ein gewisses Bedauern darüber, dass es nicht gelungen sei, die Sowietregierung zur Entsendung von Abgeordneten an internationale Konferenzen nach Genf zu bestimmen, und es wird angenommen, dass Russland an der Wirtschaftskonferenz teilnehmen könnte, wenn sie in Amsterdam stattfände. Demgegenüber scheint Sir Eric Drummond auf dem Standpunkt zu stehen, dass kein genügender Grund dafür vorliege, die Wirtschaftskonferenz anderswo als in Genf abzuhalten, da der Teilnahme Russlands an der Wirtschaftskonferenz keine grosse Bedeutung zukomme und ein Zugeständnis an die Sowietregierung bei diesem Anlass ein Zeichen der Schwäche wäre. Etwas anders ist die Sachlage bei der Abrüstungskonferenz, die voraussichtlich allerdings erst im Jahr 1928 zusammentreten wird. Japan Hess nämlich wissen, es könne an den Arbeiten der Abrüstungskonferenz nicht mit Aussicht auf einen Erfolg teilnehmen, wenn Russland der Konferenz fernbleibe; das Gleiche dürfte für Finnland und andere der Randstaaten gelten. Der Völkerbundsrat wird sich in allernächster Zeit mit diesen Fragen befassen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er sich an den Bundesrat wenden wird.
Der Vorsteher des politischen Departementes bemerkt hiezu, es sei ja allerdings nicht gesagt, dass alle vom Völkerbund einberufenen internationalen Konferenzen in Genf stattfinden müssten, was auch gar nicht möglich wäre, obgleich bis anhin die Ansicht obgewaltet habe, Genf eigne sich in erster Linie zum Sitz solcher Veranstaltungen. Den Erwägungen Japans und der übrigen Nachbaren Russlands hinsichtlich der Abrüstungskonferenz lasse sich eine gewisse Berechtigung nicht absprechen, und es wäre am Ende erträglich, wenn die Abrüstungskonferenz anderswo als in Genf abgehalten würde, da zweifellos die Anwesenheit russischer Delegierter in Genf von der öffentlichen Meinung in der Schweiz nur ungern gesehen würde. Um so mehr müsse aber der Schweiz daran liegen, dass die internationale Wirtschaftskonferenz, für deren Gelingen die Teilnahme Russlands keine unerlässliche Voraussetzung bilde, in Genf abgehalten werde.
Der Vorsteher des politischen Departements ersucht vorläufig um die Ermächtigung, Herrn de Montenach wissen zu lassen, der Bundesrat habe von seinem Bericht Kenntnis genommen und müsse unter allen Umständen wünschen, dass die internationale Wirtschaftskonferenz in Genf stattfmde4.
Der Rat stimmt den Ausführungen des Vorstehers des politischen Departements zu und erteilt ihm die erbetene Ermächtigung.