Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. BILATERALE BEZIEHUNGEN
9. Griechenland
9.1. Handelsvertragsverhandlungen
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 9, doc. 199
volume linkBern 1980
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#12170* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 02.07.-02.07.1926 (1926–1926) |
dodis.ch/45216
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 2. Juli 19261
1124. Handelsvertrag mit Griechenland
Das Volkswirtschaftsdepartement erstattet dem Bundesrate nachfolgenden Bericht:
«I.
Schon im Laufe des Jahres 1925 hat die griechische Regierung wiederholt ihren Willen kundgetan, alle Handelsverträge zu erneuern.
Damit trat auch an die Schweiz die Notwendigkeit heran, zu der Frage der Ersetzung der provisorischen Handelsübereinkunft von 1887 Stellung zu nehmen.
Bei dieser Gelegenheit wurde es von den beteiligten Departementen als zweckmässig befunden, im Gegensatz zum bisherigen Abkommen die eigentlichen Handelsvertrags- und die Niederlassungsbestimmungen zum Gegenstand verschiedener Verträge zu machen.
Da die griechische Regierung uns die Initiative zur Einleitung der Vertragsunterhandlungen überliess, fertigten wir im Einvernehmen mit den in Betracht kommenden Departementen und Wirtschaftskreisen den Entwurf für einen Handelsvertrag2 aus, der am 12. April ds. Js. Ihre Zustimmung fand3.
Das Politische Departement unterbreitete Ihnen seinerseits den Entwurf für einen besondern Niederlassungsvertrag mit Griechenland4.
II.
Auf den Mitte April überreichten schweizerischen Handelsvertragsentwurf antwortete die griechische Regierung Ende Mai mit einem Gegenvorschlag5. Dieser enthielt, entgegen unserem Entwurf, auch Bestimmungen über die Behandlung der Staatsangehörigen, Gesellschaften und Konsuln. Die griechischen Behörden machten geltend, dass sie prinzipiell diese Materie im gleichen Vertrag wie die Behandlung der Waren regeln möchten, erklärten sich aber schliesslich doch bereit, dem schweizerischerseits geäusserten Wunsche um Trennung der Handels- von den Niederlassungsbestimmungen entgegenzukommen.
III.
Heute haben wir uns daher nur mit den Bestimmungen über die Behandlung der Waren zu befassen. Wie im allgemeinen, so weicht auch in dieser Hinsicht der griechische Vorschlag vom unsrigen stark ab. Griechenland hielt sich dabei hauptsächlich an einige seiner bereits abgeschlossenen oder vor dem Abschluss stehenden neuen Verträge, wie ja auch wir das Bestreben hatten, in unsern Entwurf vor allem solche Bestimmungen aufzunehmen, die in neuern schweizerischen Verträgen enthalten sind. Immerhin liess man griechischerseits durchblikken, dass man sich, abgesehen von einigen wenigen Änderungen, die noch vorgeschlagen würden, mit unserem Textvorschlag abfmden könnte. Unter diesen Umständen und in Anbetracht, dass unser Entwurf ohne Zweifel eine präzisere und eingehendere Regelung des Vertragsverhältnisses darstellen würde, werden wir einstweilen auf unserm Entwurf beharren und haben die griechische Regierung um Bekanntgabe ihrer Abänderungsvorschläge ersucht.
IV.
Wie wir schon in unserem Bericht an Sie vom 9. April dieses Jahres6 durchblikken Hessen, war zu gewärtigen, dass sich Griechenland nicht mit der Zusicherung der blossen Meistbegünstigung begnügen würde, sondern Tarifbegehren stellen würde. Solche sind denn auch nicht ausgeblieben. Die griechische Regierung verlangt eine Ermässigung der schweizerischen Zölle für Korinthen, getrocknete Feigen, Wein über 13°, Weinspezialitäten, Tabake und Trame, sowie Zollbindungen für Seife, Grège-Seide und Organsin, Olivenöl, Schmirgel, Weinbranntwein, wollene Knüpfteppiche und Schwämme.
Die Mehrzahl dieser Begehren kann schon deshalb nicht ernstlich in Betracht gezogen werden, weil der griechische Anteil an der schweizerischen Gesamteinfuhr der fraglichen Produkte viel zu gering ist, als dass sich eine Tarifkonzession rechtfertigen Hesse. Anderseits sind einige Erzeugnisse Rohprodukte und werden als solche jetzt und wohl auch künftighin stets einen niedrigen Zoll geniessen, so dass ein grosses Interesse an der Zollbindung nicht bestehen kann.
Ernst zu nehmen sind vor allem die Begehren für Korinthen, Wein und Tabak. Für Tabak muss nicht nur eine Zollermässigung, sondern sogar jede Bindung abgelehnt werden, da für dieses Produkt die weitere steuerliche Erfassung nicht durch handelsvertragliche Stipulationen verunmöglicht werden darf. Beim Wein tritt die Einfuhr aus Griechenland gegenüber derjenigen aus Spanien, Italien und Frankreich derart zurück, dass eine Bindung gegenüber Griechenland, die uns die Bewegungsfreiheit gegenüber den ändern genannten Staaten nehmen würde, gar nicht in Frage kommen kann. Bleiben die Korinthen!
Wir haben den Eindruck, dass der Korinthenzoll den Angelpunkt der griechischen Begehren bilde und dass auf alles andere eher verzichtet würde als auf eine Ermässigung des schweizerischen Zolles für dieses Erzeugnis. Glücklicherweise ist es auch gerade dasjenige Produkt, für das ein schweizerisches Entgegenkommen an Griechenland ohne wirtschaftliche Schädigung berechtigter einheimischer Interessen möglich sein soUte. Dies wurde auch in der gestrigen Sitzung unserer Handelsvertragsdelegation, in der die Frage des Handelsvertrags mit Griechenland zur Erörterung gelangte, allgemein anerkannt. [...]
V.Es erhebt sich die Frage, ob nicht schweizerischerseits mit Erfolg auf dem Abschluss eines blossen Meistbegünstigungsvertrages beharrt werden könnte. Unseres Erachtens wäre es gefährlich, sich in dieser Hinsicht Illusionen hinzugeben. Die griechische Regierung hat keinen Zweifel darüber gelassen, dass sie prinzipiell keine blossen Meistbegünstigungsverträge mehr einzugehen gedenkt. Wenn sie im kürzlich Unterzeichneten Vertrag mit den Niederlanden von diesem Prinzip abgegangen ist, so geschah es nur, weil erstens der Handelsverkehr mit dem genannten Staate für Griechenland stark aktiv ist und zweitens Holland die den überwiegend grössten Bestandteil der Einfuhr aus Griechenland bildenden Korinthen zu einem mässigen Zoll (8% vom Wert) hereinlässt.
VI.
Die Schweiz befindet sich nicht in der gleichen Lage, denn wie aus den nachstehenden Zahlen unserer Handelsstatistik hervorgeht, ist unser Handelsverkehr mit Griechenland in hohem Masse für die Schweiz aktiv. Dazu kommt, dass die Korinthen beim gegenwärtigen Zoll mit über 40% vom Wert belastet sind.
[...]
VII.
Im Prinzip sollten schweizerischen Konzessionen auch solche von griechischer Seite gegenüberstehen. Die schweizerische Handelsvertragsdelegation ist aber einstimmig zur Überzeugung gelangt, es sollte einstweilen auf die Geltendmachung schweizerischer Tarifbegehren verzichtet werden. Nicht dass es an Anlass zu berechtigten Forderungen fehlen würde, im Gegenteil. Die Schwierigkeit läge vor allem darin, dass es überaus schwer halten würde, aus der Fülle der schweizerischen Exportartikel nach Griechenland [...] diejenigen wenigen Erzeugnisse auszuwählen, die ein Kompensationsobjekt für das einzige schweizerische Zugeständnis auf Korinthen bilden könnten. Zudem ist zu bedenken, dass Griechenland schweizerische Konzessionen ausdrücklich als eine Art Ausgleich für die für jenes Land ungünstige Bilanz des Handelsverkehrs mit der Schweiz verlangt hat.
Die schweizerische Handelsvertragsdelegation glaubt unter diesen Umständen den Vorschlag verantworten zu können, es sei Griechenland eine Tarifkonzession auf Korinthen anzubieten, ohne dafür eine andere Gegenforderung als diejenige der uneingeschränkten Meistbegünstigung zu stellen. [...]
VIII.
Die Zeit drängt. Die griechische Regierung hat die bisherige Übereinkunft ab 30. Juni. nur noch um 15 Tage, d.h. bis 15. Juli., verlängert7. Eine Taktik des Hinausschiebens der Entscheidung könnte uns plötzlich vor unangenehme Tatsachen stellen, da von einem Tag zum ändern mit der Unterzeichnung eines neuen Tarifvertrages zwischen Griechenland und Grossbritannien zu rechnen ist und auch die griechischen Verhandlungen mit Frankreich in ein akutes Stadium treten. Griechenland ist mit Handelsvertragsunterhandlungen derart in Anspruch genommen, dass die sofortige Entsendung einer Verhandlungsdelegation nach der Schweiz nicht möglich wäre. Anderseits sehen auch wir keine Möglichkeit, gegenwärtig kompetente Persönlichkeiten nach Athen zu delegieren, um die für einen grösseren Tarifvertrag unumgänglich notwendigen mündlichen Verhandlungen zu führen. Übrigens würde es sich fragen, ob das auf diese Weise vielleicht, jedoch nicht sicher, zu erreichende bessere Ergebnis den Einsatz - d. h. die Kosten einer besondern Delegation und das Risiko einer wenn auch nur vorübergehenden differentiellen Behandlung der schweizerischen Waren - wert wäre.
Ihre Zustimmung vorausgesetzt, beabsichtigen wir daher, der griechischen Regierung den Abschluss einer provisorischen Übereinkunft vorzuschlagen, die in bezug auf den Text einem endgültigen Vertrag entspräche, deren Tarifteil jedoch aus der einzigen schweizerischen Zollkonzession für Korinthen bestände. Es bliebe dabei Vorbehalten, dieses provisorische Abkommen später, vielleicht in einigen Jahren, durch Aufnahme umfassenderer und gegenseitiger Tarifzugeständnisse in einen endgültigen Vertrag umzuwandeln, falls sich das Bedürfnis hiezu geltend machen sollte.
Was den Korinthenzoll anbelangt, so möchten wir schon heute Ihre Ermächtigung für eine Reduktion des gegenwärtigen Ansatzes von Fr. 50 auf Fr. 25 per q nachsuchen. Wir würden aber einstweilen der griechischen Regierung bloss eine Ermässigung auf 35 Fr. anbieten, und nur auf 25 Fr. gehen, wenn es nicht anders zu machen wäre.
Wir haben die begründete Hoffnung, dass sich die griechische Regierung mit einer Zollkonzession für Korinthen zufriedengeben wird. Der Tariftext dürfte zu keinen ernstlichen Schwierigkeiten Anlass bieten, da zwischen den bisherigen Vorschlägen beider Parteien keine sehr gewichtigen materiellen Differenzen liegen. Ein Abschluss binnen nützlicher Frist, der unsere Ausfuhr nach Griechenland vor einer differentiellen Behandlung schützen und somit unliebsamen Vorwürfen der Exportkreise an die Adresse der Bundesverwaltung Vorbeugen wird, scheint uns unter den angegebenen Voraussetzungen möglich.
Wir beantragen:
1. Vom vorstehenden Bericht über die Handelsvertragsunterhandlungen mit Griechenland sei in zustimmendem Sinne Vormerkung zu nehmen.
2. Das Volkswirtschaftsdepartement sei zu ermächtigen, die erwähnten Verhandlungen gemäss den vorgezeichneten Richtlinien und vor allem unter eventueller Gewährung einer Zollkonzession für Korinthen in den vorgeschlagenen Grenzen weiterzuführen und gegebenenfalls zum Abschluss zu bringen.»
Es wird beschlossen:
Der Antrag wird grundsätzlich genehmigt; er bleibt aber noch auf dem Kanzleitisch.
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