Classement thématique série 1848–1945:
XIV. LA QUESTION DE L'ÉMIGRATION
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 229
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#11790* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 20.10.-20.10.1922 (1922–1922) |
dodis.ch/44871
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 20 octobre 19221
2640. Förderung der Auswanderung
Procès-verbal de la séance du 20 octobre 19221
Der Bundesrat hat durch Schlussnahme vom 7. Juli2 abhin dem Antrage zugestimmt, es sei zu prüfen, ob nicht im Wege der Auswanderung nach überseeischen Kolonisationsgebieten für einen Teil der erwerbslosen Bevölkerung unseres Landes neue Existenzbedingungen geschaffen werden könnten. Es wurde zu diesem Zwecke die Einberufung einer gemeinsam vom politischen Departement und vom Volkswirtschaftsdepartement zu bezeichnenden Kommission in Aussicht genommen, welche zur Lösung der Aufgabe Vorschläge einzubringen hätte.
Diese Schlussnahme hat in der Öffentlichkeit eine lebhafte Erörterung der bestehenden Kolonisationsmöglichkeiten ausgelöst und dies bewirkte, dass beim Auswanderungsamt zahlreiche Anträge und Projekte einliefen, welche, zumeist von beteiligter Seite ausgehend, das Interesse der Bundesbehörde für einzelne Kolonisationsgebiete zu gewinnen suchen.
Die Prüfung so zahlreicher Projekte – es liegen deren nunmehr 26 vor – einer Kommission zu übertragen, erwiese sich als umständlich und zeitraubend. Auch ist es schwer, in unserem Lande Personen zu finden, die durch frühere kolonistische Tätigkeit und Erfahrung in der Lage wären, die einzelnen Projekte vom Verhandlungstische aus zu begutachten. Zur Vereinfachung des Verfahrens und zur Vermeidung fruchtloser Zersplitterung ist zunächst ein direkterer Weg einzuschlagen.
Die vorliegenden Kolonisationsprojekte sind von den zuständigen Organen der beiden beteiligten Departemente gesichtet worden und man hat sich dahin geeinigt, vorerst einige wenige Projekte mit anscheinend solider Basis einer Prüfung an Ort und Stelle zu unterwerfen. Dabei wäre es nicht ratsam, alle Kräfte auf die Gründung einer einzigen grossen Schweizerkolonie einzustellen, vielmehr dürfte es vorteilhafter und zweckentsprechender sein, wenn irgend möglich gleichzeitig mehrere Kolonisationsprojekte vorzubereiten und durchzuführen. Hiezu eignen sich am ehesten Kanada sowie der Westen der Vereinigten Staaten von Nordamerika und andererseits Süd-Brasilien und Argentinien. Von einem Vertreter der kanadischen Regierung und einem Vertreter der Canadian Pacific Bahngesellschaft liegen bereits Angebote vor, wonach in den westkanadischen Provinzen Saskatchewan und Alberta einige tausend Landloose an die Eidgenossenschaft oder eine zu bildende Kolonisationsgesellschaft abgetreten werden könnten. In den Vereinigten Staaten dürften Unterhandlungen in erster Linie mit der Handelskammer in Portland (Staat Oregon) geführt werden. Für Brasilien ist die hanseatische Kolonisationsgesellschaft (mit Sitz in Hamburg), eine volles Zutrauen verdienende Unternehmung, bereit, zur Abgabe von Landloosen bei Hammonia mit uns in Beziehung zu treten; auch dürften in Brasilien der weite Landkomplex des Herrn Ferdinand Grillet (Lausanne) am Berge Alvao, Staat S. Paolo, und die Landloose der Gesellschaft Luce Rosa & Comp, im Staate Rio Grande do Sul wenigstens als in zweiter Linie berücksichtigenswerte Kolonisationsgebiete zu prüfen sein. In Argentinien könnte das Angebot der Familie Gut (Zürich), ihre Viehzuchthacienda in Ackerbauloose umzugestalten, in Betracht gezogen werden.
Gleichzeitig mit diesen Vorbereitungen für gruppenweise Auswanderung dürften aber auch Massnahmen ergriffen werden zur Förderung der Einzelauswanderung. Man ist bisher von dem Grundsätze ausgegangen, dass eine eigentliche Begünstigung der Auswanderung nicht im Interesse unseres Landes liege und daher nicht Sache der Landesbehörden sei. Heute muss dieser Standpunkt offenbar verlassen werden, und es empfiehlt sich, auch der Einzelauswanderung vermehrte Begünstigung angedeihen zu lassen. Dies kann geschehen auf Grund von Art. 22, Abs. 2, des Bundesgesetzes betreffend den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsagenturen vom 22. März 1888, welcher lautet: «Der Bundesrat wird innerhalb der Grenzen der ihm hiefür bewilligten Kredite die nötigen Anordnungen treffen, dass die Auswanderer in den hauptsächlichsten Ein- und Ausschiffungshäfen Hülfe und Rat finden.» Dazu tritt noch der Bundesratsbeschluss betreffend die Organisation des schweizerischen Auswanderungsamtes vom 31. Dezember 1900, welcher in Ziffer 14 die «zweckmässige Ausrüstung dürftiger, zur zielbewussten Auswanderung entschlossener Personen und Familien» zu den Obliegenheiten des Auswanderungsamtes zählt.
Entsprechend diesen Bestimmungen sollen Massnahmen getroffen werden, damit Personen, die ihr Auswanderungsziel selbst wählen, im Ausschiffungshafen einen Vertrauensmann (Einwanderungskommissär) vorfinden, der sich ihrer annimmt und sie dahin leitet, wo sie Unterkunft, Arbeit und Brot finden. Dieser Einwanderungskommissär hätte sich mit Behörden und Privaten seines Wohnsitzes und des dazu gehörigen Hinterlandes in Verbindung zu setzen, um in Erfahrung zu bringen, wo unsere Landsleute der einzelnen Berufsgattungen Verdienst finden und eine Existenz gründen könnten, und darüber sowohl die ankommenden Auswanderer zu unterrichten als auch die Behörden in der Heimat fortdauernd auf dem Laufenden zu halten. Arbeitslose, welche nach überseeischen Staaten auszuwandern wünschen, wo für sie Arbeitsgelegenheit in Aussicht steht, sind, falls sie die erforderlichen Reisemittel nicht besitzen, von den Behörden zu unterstützen.
Das Arbeitsprogramm, das das Departement sich vorsetzt, wird demnach, in zeitlicher Reihenfolge, folgende Vorkehren umfassen:
1. Bestellung von Einwanderungskommissären in den überseeischen Hafenorten.
2. Prüfung einzelner Kolonisationsprojekte in Kanada, den Vereinigten Staaten, Süd-Brasilien und Argentinien durch dort wohnende Fachmänner vom Standpunkt der Ertragsfähigkeit und der finanziellen Anforderungen aus.
3. Nach Eingang der Gutachten, Vorlage dieser Projekte an eine vom politischen Departement und vom Volkswirtschaftsdepartement zu bezeichnende Kommission, welche über die Auswahl der Projekte und deren Finanzierung den genannten Departementen Antrag zu stellen hätte.
4. Beschlussfassung durch den Bundesrat und Schaffung einer dem Auswanderungsamt beigegebenen Zentralstelle zur Organisation und Durchführung der Kolonisationsunternehmungen.
Dabei wird angenommen, dass die erforderlichen Geldmittel zunächst dem vom Bundesrat mit Botschaft vom 1. September abhin nachgesuchten Kredit für Weiterführung der Arbeitslosenfürsorge entnommen werden sollen, entsprechend dem in der bezüglichen Botschaft entwickelten Programm.
Mit der Prüfung der Kolonisationsprojekte in Kanada wäre durch unsere dortigen Konsulate ein Fachmann zu betrauen, desgleichen ein solcher durch unsere Gesandtschaft in Buenos Aires mit der Prüfung des Kolonisationsprojektes Gut im argentinischen Staate Corrientes. Herr Minister Gertsch in Rio de Janeiro würde eingeladen, das Kolonisationsgebiet der Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft im brasilianischen Staate St. Catharina – sowie eventuell den Landbesitz des Herrn Grillet im Staate S. Paolo und denjenigen der Gesellschaft Luce Rosa & Comp, im Staate Rio Grande do Sul – als (erfahrener) Sachverständiger an Ort und Stelle zu prüfen. Ferner würde das schweizerische Konsulat in Portland beauftragt, mit der Handelskammer daselbst Verhandlungen über die Ansiedelung von schweizerischen Landsleuten anzuknüpfen.
Für diese Vorbereitungsarbeiten ist ein Kredit bis zur Höhe von Fr. 50000 erforderlich.
In der Beratung wird betont, dass die Förderung der Auswanderung sehr dringlich sei und dass die Führung der Angelegenheit, in steter enger Fühlung mit dem Volkswirtschaftsdepartement, dem politischen Departement zukommen soll, das genötigt sein werde, sich die Mitwirkung eines tatkräftigen und sachverständigen Mitarbeiters zu sichern.
Auf Grund der Vorlage und der Beratung wird beschlossen:
Dem politischen Departement wird zur Durchführung der Vorbereitungsarbeiten für Förderung der Auswanderung und Prüfung von Kolonisationsprojekten gemäss dem mitgeteilten Arbeitsprogramm ein Kredit von Fr. 50000 ausgesetzt, in der Meinung, dass dieser Betrag dem bei den eidgenössischen Räten nachgesuchten Kredit von 50 Millionen Franken für Weiterführung der Arbeitslosenfürsorge entnommen werde und darüber nach Annahme des bezüglichen Beschlusses von der innerpolitischen Abteilung verfügt werden könne.3
- 1
- E 1004 1/285.↩
- 2
- Cf. E 2001 (B) 10/18.↩
- 3
- Dans sa séance du 1er décembre 1922, le Conseil fédéral décidait de charger l’Association Suisse de Colonisation intérieure et d’agriculture industrielle des questions d’émigration: [...] Inzwischen ist die Angelegenheit in ein neues Stadium getreten durch eine Eingabe der Geschäftsstelle der schweiz. Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft in Zürich vom 30. Oktober abhin, worin diese Stelle sich anerbietet, im Aufträge der Bundesverwaltung die Aufgaben einer schweiz. Zentralstelle für das kolonisatorische Auswanderungswesen zu übernehmen und zu diesem Zwecke sich eine neu zu bildende Ausländsabteilung anzugliedern. Damit würde diese Ausländsabteilung die Funktion übernehmen, für welche im obenerwähnten Arbeitsprogramm die Schaffung einer «Zentralstelle zur Organisation und Durchführung der Kolonisationsunternehmungen» vorgesehen war. Für die zu entfaltende Tätigkeit, die sowohl europäische als überseeische Gebiete umfassen soll, hat der Direktor der Geschäftsstelle der Vereinigung für Innenkolonisation, Dr. Bernhard, in einem Memorial vom 30. Oktober einen einlässlichen Plan aufgestellt. Auf Grund der Vorlagen wird beschlossen: 1. Das politische Departement wird ermächtigt, der Geschäftsstelle der schweiz. Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft in Zürich die Funktionen einer schweizerischen Zentralstelle für das kolonisatorische Auswanderungswesen im Sinne des dargestellten Arbeitsprogramms versuchsweise zu übertragen. Die Arbeitsvermittlung nach den europäischen Ländern bleibt indessen Aufgabe des eidg. Arbeitsamtes [...] 4. Gegenwärtige Schlussnahme tritt in Kraft, nachdem der Vorstand der schweiz. Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft folgende Voraussetzungen erfüllt haben wird: a) Er erklärt sich einverstanden mit der seiner Geschäftsstelle erwachsenden neuen Arbeitsaufgabe, übernimmt die hieraus entstehenden Verbindlichkeiten und Verantwortlichkeiten namens des Vereins und wird hiefür die Zustimmung der Hauptversammlung des Vereins anlässlich ihrer nächsten Tagung einholen. b) Er erklärt sich damit einverstanden, dass vom politischen Departement ein Vertreter in den Vorstand, als ordentliches Mitglied desselben, abgeordnet werden. (Hr. Möhr) (E 1004 1/285).↩
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