Classement thématique série 1848–1945:
I. LA SUISSE ET LA SOCIÉTÉ DES NATIONS
I.4. Le relèvement économique de l'Autriche
Également: Renseignements obtenus par Rappard sur la discussion du problème autrichien au cours de la séance secrète du Conseil de la SdN. Annexe de 8.9.1922 (CH-BAR#E2001B#1000/1508#144*).
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 8, doc. 220
volume linkBern 1988
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1005#1000/16#9* | |
Dossier title | Protokolle des Bundesrates, Geheimprotokolle (Minuten und Originale) 1922 (1922–1922) | |
File reference archive | 4.5 |
dodis.ch/44862
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 11 septembre 19221
Völkerbundsversammlung: die Österreichische Frage; Leistungen der Schweiz für den Völkerbund; Abrüstungsfrage, Empfang
Procès-verbal de la séance du 11 septembre 19221
Der Vorsteher des politischen Departements, Führer der schweizerischen Abordnung zur Völkerbundsversammlung, erstattet über einige bei der Tagung des Völkerbunds in Genf aufgetauchte Fragen Bericht.
I. Die Österreichische Frage. Nach den Weisungen, die der Bundesrat der Abordnung zur Völkerbundsversammlung gegeben hat, sollte die Schweiz. Abordnung bei passender Gelegenheit auf die Notwendigkeit hinweisen, dass der Völkerbund auch Fragen verfolge, die sich aus der ausserordentlich ernsten wirtschaftlichen und politischen Lage Europas ergeben, und zwar sollte er sich mit diesen Fragen, die alle Staaten Europas stark in Mitleidenschaft ziehen, auch dann befassen dürfen, wenn damit Bestimmungen der Friedensverträge berührt werden. Ferner sollte die Abordnung ganz besonders für eine Erörterung der Frage der Hilfeleistung für Österreich eintreten, für deren sachliche Behandlung nach Abklärung der Lage sie vom Bundesrate besondere Weisungen einzuholen hätte.
Bekanntlich erschien dann der Österreichische Bundeskanzler Monsignore Seipel in Genf und der Rat des Völkerbunds befasste sich mit der Hülfeleistung an Österreich in öffentlicher und in geheimer Sitzung. Nun ergab sich die Frage, ob es angezeigt erschiene, dass von der schweizerischen Abordnung in der Vollversammlung bei der Behandlung des Geschäftsberichtes des Generalsekretariates des Völkerbundes die Hilfeleistung an Österreich zur Sprache gebracht werde. In der Sitzung der schweizerischen Abordnung vom letzten Dienstag gab deren Vorsteher der Meinung Ausdruck, die schweizerische Abordnung solle bei dem genannten Anlass auf die allgemeine Lage Europas hinweisen und auch die Hülfeleistung an Österreich in die Beratung ziehen. Die Abordnung teilte diese Auffassung, und daraufhin hielt der Vorsteher des politischen Departements seine sattsam bekannte Rede.2 Er und die Abordnung waren sich dabei bewusst, dass jedes Eingreifen zugunsten Österreichs der Gefahr ausdehnender Auslegung ausgesetzt sein musste und da und dort den Anschein erwecken werde, als wäre die Schweiz ohne weiteres zur Hilfeleistung bereit. Allein die Abordnung sagte sich, diese Gefahr müsse man in Kauf nehmen, wenn das Ziel, die anderen hilfsbereit zu stimmen, erreicht werden sollte, worauf die Schweiz denn doch grosses Gewicht legen muss. Die Rede beugte übrigens jener Gefahr nach Möglichkeit vor, indem sie die unerlässlichen Vorbedingungen einer Hilfeleistung für Österreich scharf betonte, nämlich die Unantastbarkeit des jetzigen österreichischen Staatsgebietes, die politische Unabhängigkeit Österreichs und nicht zuletzt die Notwendigkeit, dass Österreich sich selbst vertraue und seinen ernstlichen Lebenswillen bekunde. Dennoch ist die Rede, wenn auch kaum in der Völkerbundsversammlung selbst, der vorgenannten Gefahr nicht ganz entronnen, und es sind sogar bedauerlicherweise ganz halt- und grundlose Gerüchte von einer Verpflichtung der Schweiz herumgeboten worden.
Nach der Rede befasste sich der Völkerbundsrat neuerdings mit der Hülfeleistung für Österreich. Er beauftragte eine Kommission mit der Prüfung der Frage, ob es nach dem Vertrag von St. Germain möglich wäre, die anscheinend zuverlässige Österreichische Gendarmerie zu vermehren, dagegen aber die ganz bolschewistisch durchtränkte österreichische Volkswehr abzuschaffen. Sodann beauftragte er den Finanzausschuss des Völkerbundes mit einer einlässlichen Prüfung der ganzen wirtschaftlichen Lage Österreichs. Dieser Finanzausschuss fasste dann den Entschluss, sich durch Cooptation zu erweitern und sich auf diese Weise die Mitwirkung eines Schweiz. Sachverständigen zur Prüfung der Lage in Österreich zu sichern und es wurde schon eine bestimmte Persönlichkeit genannt. Der Führer der Schweiz. Abordnung liess dann wissen, es würde beim Bundesrat lebhaftes Missfallen erregen, wenn diese Berufung eines Schweizers wiederum stattfinden sollte, ohne dass er vorher dazu hätte Stellung nehmen können. Das hatte zur Folge, dass der Finanzausschuss in einem von seinem ständigen Sekretär Salter Unterzeichneten Schreiben den Führer der Schweiz. Abordnung ersuchte, ihm einen Schweiz. Sachverständigen zu nennen, dessen Berufung in den Ausschuss zur Mitarbeit beim genannten Geschäft dem Bundesrat genehm wäre. Die Abordnung hat die Sachlage genau besprochen. Sie hält es für wünschbar, dass ein Schweiz. Sachverständiger bei der Prüfung der Lage Österreichs mitwirke und stellt einstimmig den Antrag, der Bundesrat wolle in diesem Sinne Beschluss fassen und dem Finanzausschuss Herrn Dr. JuliusFrey in Zürich als geeignete Person bezeichnen.
Im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit tauchte dann die weitere Frage auf, nämlich ob die Schweiz gestützt auf Art. 4, Abs. 5, des Völkerbundspaktes3 Schritte tun soll, um im Völkerbundsrat für die Behandlung der österreichischen Angelegenheit Sitz und Stimme zu erlangen. Über diese Frage herrscht in der Schweiz. Abordnung keine völlige Übereinstimmung. Eines ihrer Mitglieder vertrat, namentlich nachdem auch die Tschechoslowakei für diese Angelegenheit einen Vertreter im Rat erhalten hatte, die Auffassung, die Schweiz solle dasselbe verlangen; was man tun wolle, solle man ganz tun; irgend eine Gefahr sei mit der Vertretung im Rat nicht verbunden und sie habe den Vorteil, dass sie einen unmittelbaren Einfluss auf die anzustrebende Lösung gewähre. Demgegenüber stellten sich zwei andere Mitglieder der Delegation auf den Standpunkt, eine Vertretung im Rat sei nicht anzustreben; denn erstens widerstrebe es dem Empfinden unseres Volkes, wenn die Schweiz. Politik sich allzu einlässlich mit Fragen befassen wollte, die mit den Friedensverträgen Zusammenhängen, weil dies den Grundsätzen strenger Neutralität zu widersprechen scheine, und sodann riefe ein solches Begehren der Schweiz unzweifelhaft sofort gleiche Gesuche Jugoslaviens, Rumäniens und Ungarns auf den Plan, was besser vermieden werde. Auch die beiden übrigen Mitglieder der Abordnung neigen mehr zur Zurückhaltung. Der Vorsteher des politischen Departementes stellt daher im Sinne der Mehrheit der Abordnung den Antrag, der Bundesrat wolle beschliessen, es sollen keine Schritte getan werden, um für die Schweiz im Völkerbundsrat bei Behandlung der österreichischen Frage Sitz und Stimme zu erlangen. Sollte aber der Rat des Völkerbundes von sich aus der Schweiz eine solche Vertretung anbieten4, so müsste der Bundesrat neuerdings Beschluss fassen.
Der Vorsteher des politischen Departementes betont, die Schweiz. Abordnung habe sich in dieser ganzen Angelegenheit durchaus im Rahmen der ihr vom Bundesrat erteilten Weisungen gehalten. Wer in seiner Rede eine vorbehaltlose Bindung der Schweiz erblicke, beurteile sie falsch. Das österreichische Problem dränge sich der Schweiz auf, ob sie wolle oder nicht, und sie müsse dazu Stellung nehmen. Die gefährlichste Politik sei in dieser Hinsicht eine Politik der Untätigkeit; denn diese leiste dem Zerfall Österreichs Vorschub, der die Vorarlberger Frage sofort in ihrem ganzen Umfang aufrollen würde, weil mit ihm die Festsetzung Italiens auch an unserer Ostgrenze drohe. Soll aber der Zerfall Österreichs vermieden werden, so müsse etwas geschehen, und wenn man den Zweck wolle, müsse man auch die Mittel wollen.
Dabei muss man sich allerdings davon Rechenschaft geben, dass eine Lösung der österreichischen Frage gewaltige Schwierigkeiten bietet. Darauf wies in einer Besprechung mit dem Vorsteher des politischen Departementes besonders auch Herr Benes hin. Dieser hob hervor, die früheren österreichischen Regierungen hätten eigentlich unmittelbar auf den Zusammenbruch des Landes hingearbeitet in der Hoffnung, das werde den Anschluss an Deutschland beschleunigen. Die Inflation übersteige in Österreich mit 1200 Milliarden Kronen jedes erträgliche Mass; die Zahl der Beamten, etwa 300000 Mann, sei doppelt so gross als nötig und als der Staat ertragen könne; im Volk sei das Selbstvertrauen und das Kraftbewusstsein geschwunden. Dennoch wäre ein gut regiertes Österreich lebensfähig und es müsse zu seiner Erhaltung unbedingt etwas geschehen, wenn nicht der Zusammenbruch kommen soll, der für Mitteleuropa die unglücklichsten Folgen hätte. Einen bestimmten Plan vermochte allerdings auch Benes nicht zu umschreiben für die Hilfeleistung. In ähnlicher Weise äusserte sich der italienische Staatssekretär Tosti di Valminuta über den gegenwärtigen Zustand Österreichs. Er fügte bei, Italien sei gegen jede Aufteilung Österreichs und würde sich einer solchen mit allen Mitteln widersetzen. Tue der Völkerbund nichts um den Zerfall Östereichs zu verhindern, so müssten sich Italien und die Kleine Entente über das Problem verständigen. Auf seine Frage, ob die Schweiz ernstlich gesonnen sei, bei einer vom Völkerbund ausgehenden Hilfeleistung für Österreich mitzuwirken, erklärte der Vorsteher des politischen Departementes, es komme darauf an, was getan werden soll. Die Beantwortung der weitern Frage, ob die Schweiz allenfalls bei einer Verständigung zwischen Italien und der Kleinen Entente über Österreich mitwirken würde, lehnte der Vorsteher des politischen Departementes ab.
In der Beratung wird betont, die Rede des Vorstehers des politischen Departementes an der Völkerbundstagung sei in der Tat mancherorts anders und weitergehend aufgefasst worden als sie offenbar gemeint gewesen sei. Der italienische Gesandte erkundigte sich gleich nachher im Namen seiner Regierung beim Präsidenten, ob sich die Schweiz schon schlüssig gemacht habe, ob und in welchem Umfange sie sich an einer Hülfeleistung für Österreich beteiligen wolle.
Allseitig wird auch anerkannt, wie wichtig es für die Schweiz sei, dass Österreich wenn möglich als selbständiger Staat erhalten und unser Nachbar bleibe, da selbst die Nachbarschaft eines geschwächten Östereichs an der Ostgrenze derjenigen einer ändern unserer Grenzmächte vorzuziehen sei. Die Erreichung dieses Zieles, dessen militärische Bedeutung ohne weiteres einleuchtet, sei wohl ein Opfer wert, und ein solches Opfer läge im allereigensten Vorteil unseres Landes und müsste als solches verstanden und gebilligt werden. Von einer Seite wird angeführt, selbst dann liesse sich ein Opfer der Schweiz rechtfertigen, wenn es auch nur dazu dienen könnte, den Zerfall Österreichs hinauszuschieben und damit Zeit zu gewinnen, um darüber schlüssig zu werden, was beim Zerfall Österreichs zu tun wäre, eine Frage, über welche heute noch völlige Unklarheit herrscht. Von anderer Seite wird geltend gemacht, eine Hülfeleistung an Österreich sei nur unter drei Voraussetzungen möglich, nämlich: erstens dass Deutschland nicht zusammenbricht, denn sonst stürzt Österreich unfehlbar nach; zweitens, dass Österreichs Finanzhaushalt gebessert wird durch Verzicht der Alliierten auf ihre Forderungen, durch Abschreibung der bisher schon Österreich gewährten Hilfeleistungen und durch Verminderung der Schmarotzer am österreichischen Staat (überflüssige Beamte u.s.w.); drittens, dass ein Zustand geschaffen wird, der es Österreich erlaubt, wirtschaftlich zu bestehen. Ob dies möglich ist, scheint zurzeit noch durchaus unabgeklärt zu sein, und hierüber sollte die vom Finanzausschuss des Völkerbundes durchzuführende Untersuchung, die sich auf die ganze Staats- und Volkswirtschaft Österreichs erstrecken müsste, Aufschluss geben.
Wenn sich bewahrheiten sollte, dass England an der Hülfeleistung für Österreich sich finanziell nicht beteiligen will, dann ist die Sache von vornherein aussichtslos. Eine Hülfeleistung, mit welcher die Erhaltung Österreichs nicht nach aller Voraussicht gesichert würde, träfe sowohl in den eidgenössischen Räten als im Volk auf starken Widerstand. Jedenfalls müsse vorläufig das Protokoll darüber noch völlig offen bleiben, ob und wie die Schweiz sich an einer Hülfeleistung beteiligen wolle; sie könne es erst nach Prüfung aller Umstände und nur in dem Rahmen tun, den ihr ihre Finanzkraft und die von ihr dabei zu wahrenden Vorteile ziehen. Es scheine nicht angezeigt, dass die Schweiz in dieser Sache sich vordränge, da es ihr als Umworbener leichter fallen werde, für ihre Opfer angemessene Sicherheiten oder Vorteile auf anderem Gebiet (Genehmigung des Abkommens mit Deutschland in Sachen der Lebensversicherungsgesellschaften durch die Reparationskommission) zu erlangen.
Im übrigen werden die vom Vorsteher des politischen Departements in dieser Angelegenheit gestellten Anträge einstimmig zum Beschluss erhoben.
2. Leistungen der Schweiz für den Völkerbund. Die Abordnung hat mit der Regierung des Kantons Genf und der Stadtbehörde von Genf in einer Sitzung die Frage besprochen, welche Leistungen zu übernehmen seien, um dem Völkerbund die Errichtung eines Versammlungsgebäudes und die bessere Unterbringung des internationalen Arbeitsamts zu ermöglichen. Übereinstimmend kam man dabei zum Schluss, dass die Schweiz. Behörden nicht selbst bauen, wohl aber dem Völkerbund Baugrund zur Verfügung stellen sollten, und zwar der Bund die Liegenschaft Bloch für die Zwecke des Arbeitsamtes, der Kanton und die Stadt Genf zusammen ein in nächster Nähe des Völkerbundsgebäudes gelegenes Grundstück, welche beide Liegenschaften zur Zeit je auf ungefähr Fr. 600 000 bewertert werden können. Die A bordnunghäit dies für genügend und stellt den Antrag, der Bundesrat wolle sie ermächtigen, dem Völkerbund die genannten beiden Liegenschaften unter Vorbehalt aller nötigen Ratifikationen anzubieten.
Dieser Antrag wird zum Beschluss erhoben.
3. Die Abrüstungsfrage. Bekanntlich hat Lord RobertCecil einen Plan für die allgemeine Abrüstung aufgestellt, der aber vorsieht, dass einzelne Staatengruppen unter sich Sicherungsabreden treffen müssten, was für die Schweiz kraft ihrer Neutralität nicht in Betracht fallen könne. Dieser Plan wird demnächst in den Kommissionsberatungen geprüft werden. Der Vorsteher des politischen Departements ist der Meinung, der Vertreter der Schweiz in jener Kommission könne gegen diesen Plan nicht grundsätzlich Stellung nehmen, müsse aber im geeigneten Augenblick eine die besondere Stellung der Schweiz berücksichtigende Erklärung abgeben unter Hinweis auf die schweizerische Neutralität und die Londoner Erklärung. Eine solche Erklärung wird von der Abordnung vorbereitet und demnächst dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet werden.
Der Rat nimmt von diesen Mitteilungen in zustimmendem Sinne Kenntnis und gewärtigt die Vorlage der Erklärung zur Abrüstungsfrage.
4. Empfang der Abordnungen zur Völkerbundsversammlung. Der Vorsteher des politischen Departements erinnert an die Veranstaltungen, zu welchen der Bundesrat die Mitglieder der I. und II. Völkerbundsversammlung seinerzeit eingeladen hat. Er ist der Meinung, der Bundesrat könne heuer auf eine solche Veranstaltung verzichten, da Stadt und Kanton Genf am 15. September 1922 einen grossen Empfang im Theater veranlassen werden. Zu diesem Empfang wird der Bundesrat eingeladen werden und der Vorsteher des politischen Departementes hält es für geboten, dass der Bundesrat dabei durch den Bundespräsidenten und mindestens ein weiteres Mitglied des Rates vertreten werde.
Der Rat nimmt von diesen Mitteilungen in zustimmendem Sinne Kenntnis und beschliesst, den Bundespräsidenten an den von Stadt und Kanton Genf zu veranstaltenden Empfangsabend abzuordnen. Die allfällige Entsendung eines weiteren Mitgliedes des Rates bleibt Vorbehalten.
- 1
- E 1005 2/2. Etait absent: J. M. Musy.↩
- 2
- Discours du 7 septembre 1922, cf. SdN. J.O. 1923/1, pp. 13–14.↩
- 3
- 3.Le texte du Pacte dit: Tout membre de la Société qui n’est pas représenté au Conseil est invité à y envoyer siéger un représentant lorsqu’une question qui l’intéresse particulièrement est portée devant le Conseil.↩